Eigentlich könne man sich in diesem Lande nicht beklagen: 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges könne man in Deutschland weiter im Frieden leben und schaue man sich die Zufriedenheit unter den Bürgern an, so würden regelmäßig Bestnoten vergeben. Also alles gut? Regierungspräsidentin Dorothee Feller sah dennoch eine Reihe von kritischen Entwicklungen und bevorstehende Herausforderungen, die es zu meistern gelte. Die Wirtschaft würde sich gerade radikal verändern, die Automobilindustrie stecke in einer tiefen Krise und der Klimawandel fordere nach einem nachhaltigen Wirtschaften. Und auch auf der kommunalen Ebene gäbe es vieles zu tun.
Dorothee Feller verband in ihrer bemerkenswert starken Rede beim Neujahrempfang in der Bezirksregierung Münster vor etwa 200 geladenen Gästen den Dank an all die Ehrenamtlichen und Engagierten mit einem Appell an mehr Anstand und Verantwortung. Denn das Land stünde vor einigen großen Aufgaben. Dafür brauche es weiterhin engagierte und mutige Politiker.
Ein besonderer Dorn im Auge seien ihr die Umgangsformen, die immer rauer und konfrontativer würden. Die Spaltung der Gesellschaft gehe rasant weiter. In den Sozialen Medien würden die Gegensätze immer größer. Auf Hassreden folgten immer häufiger Gewalt, Anschläge bis hin zu Mord. So könne es nicht weitergehen. Das sei nicht hinnehmbar.
Dabei könne man auf das Grundgesetz des Bundesrepublik Deutschland wirklich stolz sein und auch vertrauen. Deutschland habe eine Verfassung, „um die man uns in der ganzen Welt beneidet“. Sie sichere „die Freiheit jedes einzelnen“, niemand würde in unserem Land wegen seiner Meinung, seiner Religion oder seiner Zugehörigkeit zu einer Gruppe verfolgt.
Sie ermutigte die Bürgerinnen und Bürger und alle die politische Ehrenämter einnehmen oder Ämter in der kommunalen Selbstverwaltung bekleideten sich nicht einschüchtern und unterkriegen zu lassen. Mit Blick auf die anstehenden Kommunalwahlen forderte sie: „Demokratie braucht engagierte Bürger“.
Neben den Vertretern der 66 Kommunen des Münsterlandes waren auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, die Vertreter der Schornsteinfeger-Innung und eine Gruppe vom Sternsinger aus der münsterischen Pfarrgemeinde Liebfrauen-Überwasser zum Empfang gekommen. Die musikalische Begleitung kam vom Blasorchester des münsterischen Gymnasiums Paulinum.
Einen besonderen Akzent ihrer Rede legt die Regierungspräsidentin auf die Herausforderungen in der Kommunalpolitik. Zwar sei man dem Sparappell in allen Gemeinden tapfer gefolgt und innerhalb der verabschiedeten Haushaltspläne geblieben, allerdings schlügen noch immer erhebliche Altlasten und Schulden negativ zu Buche. „Darüber müssen wir reden.“ Kleine Gemeinde, wie sie im Münsterland oft zu finden sind, seien mit den großen Themen Digitalisierung, E-Government, Energiewende oder Mobilität oft überfordert, sagte die Regierungspräsidentin. Eine Lösung der immer wieder auftauchenden Vakanzen beim Führungspersonal könne die Schaffung eines Personalpools bringen, aus dem sich gerade die Verwaltungen kleinerer Gemeinden bedienen könnten.
Dorothee Feller berichtete von ihrem Engagement für Wasserstoff als alternativer Energieform. Sie sieht hier den Kraftstoff der Zukunft. Um diese Entwicklung kümmere sich der Emscher-Lippe-Raum bereits. Feller möchte dies im gesamten Regierungsbezirk vorantreiben. Stärker in den Blick genommen werden soll auch der Flächenverbrauch. Dazu findet im März dieses Jahres ein Symposium statt. Die Regierungspräsidentin sieht im bestehenden Regionalplan ein starkes Steuerungsinstrument. Es solle noch mehr für die Flächenentwicklung, für Industrieansiedlung und Wohnbebauung genutzt werden.
Ein besonderes Problem sieht die Regierungspräsidentin bei der Akzeptanz der Landwirtschaft. „Das Münsterland ist stark von der Landwirtschaft bestimmt und abhängig.“ Für dieses Bekenntnis erntete Dorothee Feller einen tosenden Zwischenapplaus. Bauern hätten das Gefühl, für „vieles, was den Zustand der Natur und des Wassers verschlechtert hat, pauschal verantwortlich gemacht zu werden“, so die Regierungspräsidentin.
Abschließend appellierte die
Regierungspräsidentin beherzt die Chancen, die vielfach bestünden, zu
ergreifen, um die Zukunft gemeinsam zu bewältigen. Dabei solle man die „kleinen
Nadelstiche der Rechten“ ignorieren und zur rechten Zeit den Vertretern dieser
Gruppierungen klar und deutlich „die rote Karte zeigen“.