Münster (SMS) Schreibtisch, Papier und Telefon: So war Rainer Uetz´ Büro ausgestattet, als er im August 1977 als Stadtinspektoranwärter im Personalamt der Stadt Münster anfing – zweite Etage, Stadthaus 1. "Es gab zwar schon Diktafone, aber wir Einsteiger bekamen natürlich nur einen Stenoblock", erinnert sich Uetz. Gute 44 Jahre her ist der Beginn seiner Laufbahn in der Stadtverwaltung Münster, am Freitag wurde er als langjähriger Dezernent des Oberbürgermeisters in den Ruhestand verabschiedet. "Mit Rainer Uetz verabschiede ich einen meiner engsten Mitarbeiter, der mir in den vergangenen zwölf Jahren nicht nur als Büroleiter, sondern immer auch als Freund zur Seite gestanden hat", sagte Oberbürgermeister Markus Lewe. "Einen Menschen wie ihn erleben zu dürfen, mit seiner Qualität, seiner Klarheit und vielen weiteren wunderbaren Eigenschaften - das war für mich als Oberbürgermeister dieser Stadt - aber auch ganz persönlich - ein Geschenk."
Deutlich nüchterner sind auf einer bräunlich-gelben Karteikarte alle Stationen vermerkt, die Rainer Uetz bei der Stadt Münster durchlaufen hat. Bauordnungsamt und Stadtkämmerei, Sozialamt, Jugendamt und seit 1991 dann – als Leiter - das Hauptamt. Stadtoberinspektor wurde er, Städtischer Oberverwaltungsrat und schließlich im Jahr 2001 Leitender Städtischer Direktor. Strategisch geplant war diese Karriere erstmal nicht. "Eigentlich wollte ich Biochemie studieren, aber dieser Wunsch ist damals am NC zerschellt", gibt Uetz lachend zu. Statt an die Uni ging er dann an die Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung. "Mein Jahrgang war der erste, der die Ausbildung mit einem Studium verbinden konnte. Jura und BWL waren die Schwerpunkte – vor allem aber war es eine schöne und wilde Zeit."
Dass es in der 1970er-Jahren nichts wurde mit der Wissenschaft, bereut Rainer Uetz nicht. "Ich habe immer gerne für die Stadt Münster gearbeitet. Es gibt eine so große Bandbreite, über die man die Menschen begleitet: Von der Geburt über den Führerschein und die Heirat - bis zur Beerdigung." Ein einziges Mal hat er in dieser Zeit aus beruflichen Gründen Münster verlassen und wechselte 1986 nach Bonn ins Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit. "Ich bin schnell und reumütig zurückgekehrt. Denn hier hatte ich mehr Möglichkeiten, mich zu entfalten und selbst zu entscheiden."
Mit fünf Oberbürgermeistern hat Uetz zusammengearbeitet, mit einigen – darunter Dr. Berthold Tillmann - noch persönlichen Kontakt. "Man kann Rainer Uetz gut mit einem virtuosen Organisten vergleichen: Er beherrscht alle Register, die man braucht, um ein Problem kompetent zu managen – leise und diplomatisch, laut und brausend und sämtliche Tonlagen dazwischen", sagt Tillmann, zehn Jahre lang Uetz´ Vorgesetzter. Für Petra Meyersick, zuständig für Bürgeranliegen und Beschwerdemanagement im OB-Dezernat, ist Rainer Uetz "der Baum im Büro". "Er ist ein wirklich toller Chef - absolut gewissenhaft, sehr humorvoll. Außerdem verfügt er über ein wahnsinniges Wissen, da bleibt keine Frage offen."
Direkt gegenüber von Rainer Uetz und Petra Meyersick hatte einige Jahre auch Alfons Reinkemeier sein Büro, damals Leiter der Kämmerei. "Da saßen auch schon mal schwierige Menschen auf dem Flur. Rainer Uetz wusste sie verbindlich und höflich zu beruhigen und hatte plausible Antworten parat. Und wenn das nicht half, konnte er sie auch mal aus dem Haus befördern", blickt der pensionierte Kämmerer der Stadt Münster zurück auf die gemeinsame Zeit.
Fragt man Rainer Uetz nach dem, was ihn geprägt hat in mehr als vier Jahrzehnten, so fallen als Stichworte die Euro-Umstellung und die Abschaffung der Doppelspitze in der Verwaltung. Außerdem die Wende: "Wir saßen im Stadthaus 2 und haben Begrüßungsgeld an die Bürgerinnen und Bürger der DDR verteilt. Für die Kinder hatten wir die Kantine geöffnet, da gab es Getränke und Süßigkeiten", erzählt der 65-Jährige. Lachend erinnert er sich daran, wie er im nächtlichen Bereitschaftsdienst das vorhergesagte Software-Chaos zum Jahrtausendwechsel abgewartet hatte. "Das blieb ja glücklicherweise aus. So konnten wir nach Mitternacht doch noch ein Glas Wein trinken."
Einzelne Anekdoten fallen Bernadette Spinnen nicht ein, wenn sie an Rainer Uetz denkt. "Eher ein Dauergefühl, dass er das Beste verkörpert, was Verwaltung sein kann: Er ist ruhig, strukturiert, immer da, weiß alles, hat Herz und durchschaut die Dinge", sagt die Leiterin von Münster Marketing. "Und er findet immer Geld", ergänzt sie.
Klar eigentlich, dass dieser Mann nebenbei auch den Beamtendreikampf im Knicken, Lochen und Abheften beherrscht. "1999 war das, die Show ,Wetten Dass´ wurde aus Münster übertragen, und der Dreikampf war die Saalwette", erzählt Uetz. Eigentlich sollte er nur Material zur Halle Münsterland bringen – Papiere, Locher und Aktenordner. "Aber wir wurden blitzschnell in die Maske gebracht und standen wenig später mit Thomas Gottschalk auf der Bühne. Und wir haben die Wette mit Mitarbeitern aus Münsters Behörden gegen Kollegen aus Dortmund gewonnen." Der beste Teil des Abends aber folgte für Rainer Uetz, nachdem die Kameras abgeschaltet waren: "Das war die After-Show-Party mit dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder."
22 Berufsjahre in leitender Position folgten auf diesen legendären Fernseh-Auftritt des damaligen Chefs des Hauptamtes. Viele komplexe Prozesse geleitet, viele schwierige Entscheidungen getroffen hat Rainer Uetz in dieser Zeit. "Ich bin jemand, der sich selbst immer hinterfragt und überlegt, ob er gut und richtig gehandelt hat." Erleichtert darüber, nicht mehr dauerhaft so viel Verantwortung zu tragen, ginge er nun in den Ruhestand. "Außerdem freue ich mich natürlich über mehr Zeit für meine Familie", sagt Uetz. "Vor allem für meine drei Enkelkinder."
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