Interview
„Die meisten, die aggressiv auftreten, stehen unter Einfluss von Alkohol“
„Das Gefühl, jemandem helfen zu können, kompensiert viel Negatives“, sagt der Anästhesist und Notarzt Dr. Dirk Heshe, der nach dem Zivildienst im Krankenhaus eigentlich alles werden wollte, nur kein Arzt. Dass es doch anders kam, nennt man wohl „Ironie des Schicksals“. Zunächst versuchte er es mit einem Studium in molekularer Biomedizin, stellte aber nach zwei Semestern fest: „Nur Laborratten – das ist nichts für mich.“ Obwohl ihn der Hang zur Wissenschaft sein ganzes Leben begleitet hat, ist er doch so herrlich „normal“ geblieben. Das ist ihm auch wichtig: „Ich komme aus einem Arbeiterhaushalt, habe neben dem Studium bei der Müllabfuhr und in der Schreinerei gearbeitet.“
Was den Mediziner am meisten nervt, ist das Anspruchsdenken mancher Menschen, die einen Rettungswagen rufen und dann neben einem gepackten Koffer warten. So dringend, sollte man meinen, kann es nicht gewesen sein, wenn die Zeit noch dafür gereicht hat, Nagelschere und Socken einzupacken. „Ich möchte, dass auch meine Kinder auf dem Boden bleiben“, sagt der Vater von zwei kleinen Jungs, dessen Ehefrau ebenfalls als Ärztin im Krankenhaus arbeitet. „Aber bei der Konkurrenz“, scherzt er. Aufrichtigkeit und Respekt gegenüber allen Menschen will er seinen Kindern beibringen, eben das, was auch in der Gesellschaft wichtig ist.
Über seine Einsätze als Notarzt, die etwa 20 Prozent seiner Arbeitszeit ausmachen, sagt Dirk Heshe: „Die meisten Menschen, die aggressiv auftreten, stehen unter Einfluss von Alkohol oder anderen Drogen.“ Das macht die Sache zwar nicht besser, man kann es aber immerhin erklären. Trotzdem schätzt er die Einsätze im Notdienst, weil sie so anders sind als der Klinikalltag. Mit einem Schmunzeln denkt er an das Konzert zurück, zu dem er morgens um 5 Uhr gerufen wurde, weil sich der Leadsänger beim „Stagediven“ die Kniescheibe ausgekugelt hatte.
Ein bisschen Sorge hat Dirk Heshe allerdings, dass der Hass und die Aggressivität aus dem Netz ins richtige Leben hinüberschwappen könnten, denn dafür gebe es ja jetzt schon einige Beispiele. Sorgen wir mit ihm zusammen dafür, dass das nicht geschieht.
Foto: Charlotte Beck
Text Interview: Burkard Knöpker