„Wir begrüßen das Zustandekommen der ersten Ampel-Regierung und den politischen Aufbruch, den das neue Bündnis verspricht. Viele Themen in Richtung eines sozial-ökologischen Wandels werden richtig adressiert. Das Bekenntnis, dass die Transformation und Digitalisierung nur mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirksam gestaltet werden kann, ist richtig und muss rasch in konkrete Politik übersetzt werden.
Dazu gehört die Stärkung von Tarifverträgen durch ein Bundestariftreuegesetz, das für Millionen Beschäftigte höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen bedeuten wird. Durch die angekündigte Nachwirkung von Tarifverträgen bei Betriebsausgliederungen kann die Tarifflucht der Arbeitgeber eingedämmt werden.
Richtig ist, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterentwickelt werden muss. Das Ende der missbräuchlichen Umgehung der Mitbestimmungsrechte durch europäisches Gesellschaftsrecht wie der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) ist überfällig. Auch dass die Behinderung von Betriebsratsarbeit zukünftig als Offizialdelikt eingestuft wird, ist gut. Sie muss empfindlich bestraft werden. Das geplante digitale Zugangsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe ermöglicht es uns, auch in der digitalen Arbeitswelt die Menschen zu erreichen. Für einen fairen Wandel der Arbeitswelt wird das aber nicht reichen. Um ihn zu gestalten und die Beschäftigten dabei mitzunehmen, muss der politische Stillstand bei der Mitbestimmung endlich überwunden werden. Daran werden wir die Koalitionsparteien messen.
Dass der Mindestlohn auf 12 Euro steigen soll, ist richtig und bedeutet eine ordentliche Lohnerhöhung für rund zehn Millionen Beschäftigte. Allerdings dürfen Jugendliche unter 18 Jahren und Langzeitarbeitslose, wenn sie einen Job antrete, nicht länger ausgeschlossen bleiben!
Der DGB begrüßt das Bekenntnis der Ampelkoalition, das Renteneintrittsalter nicht noch weiter zu erhöhen und das Rentenniveau bei mindestens 48 Prozent dauerhaft festzulegen. Darüber hinaus muss die betriebliche Altersvorsorge gestärkt und attraktiver gestaltet werden. Für den DGB ist zugleich klar, dass eine fondsbasierte private Aktienrente die betriebliche Altersvorsorge nicht schwächen darf.
Die Pläne der Ampelkoalition zur Kindergrundsicherung sind ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung von Kinderarmut. Auch die Überführung der Grundsicherung (Hartz IV) in ein Bürgergeld ist zu begrüßen, wenn sie richtig gemacht wird. Völlig verfehlt ist hingegen die Anhebung der Hinzuverdienstgrenze von Minijobs. Minijobs sind für viele Menschen – vor allem für Frauen – eine Falle und verdrängen sozial abgesicherte Arbeitsplätze. Der DGB fordert stattdessen seit langem eine Minijobreform, mit der die kleinen Teilzeitarbeitsverhältnisse von Anfang an in die Sozialversicherung einbezogen werden.
Falsch ist es, die sachgrundlose Befristung nur für den öffentlichen Dienst zu begrenzen und das auch nur halbherzig. Sie muss auch – und zwar ambitioniert – für die private Wirtschaft abgeschafft werden.
Durchaus ambitioniert sind die Ziele, allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Bildungschancen zu bieten. Über die gesamte Bildungskette, von der frühkindlichen Erziehung über den Digitalpakt Schule bis zu einem elternunabhängigem BAföG oder einem Zukunftsvertrag Studium und Lehre werden bis zur Stärkung und Modernisierung der Berufsschulen richtige Pfade beschrieben. Sie gilt es rasch umzusetzen. Auch die Ausbildungsgarantie für alle Jugendliche ist zu begrüßen. Sie muss aber durch eine Umlage finanziert werden.
Angesichts des rasanten Strukturwandels haben die Gewerkschaften seit langem eine Stärkung der arbeitsmarktbezogenen Weiterbildung gefordert. Dafür finden sich im Koalitionsvertrag gute Ansätze, wie das Transformations- und Transferkurzarbeitergeld oder eine stärkere Rolle der Bundesagentur für Arbeit bei der Rolle der Qualifizierung. Zu begrüßen ist, dass für Menschen in der Grundsicherung die Vermittlung in Arbeit keinen Vorrang vor einer beruflichen Aus- und Weiterbildung hat.
Zurecht nimmt der Klimaschutz einen hohen Stellenwert im Vertrag ein. Der Schlüssel zu einem gelingenden Klimaschutz sind massive Investitionen. Die wesentlichen Felder dafür sind im Vertrag skizziert und seit langem bekannt: massiver Ausbau erneuerbarer Energien, Energieeffizienz und digitale Infrastruktur, Verkehrsinfrastruktur und andere Bereiche. Mutlos bleibt der Vertrag bei der konkreten Bezifferung der Investitionsbedarfe.
Aber es fehlen nicht nur die Preisschilder für die Investitionen. Völlig ungeklärt bleibt die Finanzierung der geplanten Maßnahmen. Mit einer Rückkehr zur Schuldenbremse bereits im Jahr 2023 nimmt sich die neue Bundesregierung den finanziellen Spielraum, den sie dringend braucht, um massiv zu investieren, die Wirtschaft zu dekarbonisieren und unser Land zukunftsfest zu machen.
Und: Wer mehr Fortschritt wagen will, darf sich nicht vor einem Einstieg in eine gerechte Steuerpolitik drücken. Dazu haben sich die zukünftigen Ampelkoalitionäre nicht durchringen können. Das ist eine zentrale Schwachstelle, die mutig durch gutes Regieren korrigiert werden sollte.“
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