Vor etwa einem Jahr haben wir die vier OSZE-Spitzenpositionen neu besetzt und ich will die Gelegenheit nutzen, mich bei allen vieren zu bedanken, weil sie trotz schwieriger Umstände mit großem Elan in ihr Amt gestartet sind: Das gilt für Helga Schmid, die das Potenzial des OSZE-Sekretariats noch weiter ausgebaut hat. Das gilt für Matteo Mecacci vom Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, der in diesem Jahr alleine 18 Wahlbeobachtungen durchgeführt hat. Auch für Teresa Ribeiro, die sich mit dem Thema Medien- und Meinungsfreiheit auseinandergesetzt hat, was eines der großen Themen unserer Zeit ist. Das gilt auch für Kairat Abdrakhmanov, auch er hat sich mit großem Engagement für den Schutz der nationalen Minderheiten bemüht. Und deshalb finde ich, dass Sie unser aller Wertschätzung verdient haben und Ihre Arbeit auch in die richtige Richtung weist für die Zukunft!
Natürlich möchte ich mich auch bei Ann Linde bedanken, die, wie wir alle gesehen haben, in dieser Zeit mit großem Engagement und auch mit Herzblut dafür gekämpft hat, die Organisation noch wirkungsvoller zu machen, und die immer auf der Suche nach Konsens gewesen ist.
Dennoch war 2021 ein wirklich schwieriges Jahr für die OSZE. Im Brennpunkt stehen die weiterhin ungelösten Territorialkonflikte. Zum einen zwischen Armenien und Aserbaidschan gab es erneut militärische Auseinandersetzungen. Die mittlerweile wieder täglichen Verletzungen des Waffenstillstands in der Ukraine haben in besorgniserregender Weise zugenommen. Und ganz besonders bedauerlich auch aus Sicht der OSZE ist, dass das Mandat der OSZE-Beobachtungsmission an der russisch-ukrainischen Grenze, einer wertvollen vertrauensbildenden Maßnahme, nicht verlängert werden konnte.
Deshalb bleibt der Konflikt in der Ostukraine, der den Frieden in der Region bedroht, ein großes Thema für uns alle. Wenn hier der Geist von Helsinki berufen wird, dann wäre es sinnvoll, sich auch an den Geist von Minsk erinnern. Denn in Minsk ist die Lösung dieses Konfliktes aufgeschrieben; unterschrieben von der Ukraine und Russland – und damit auch eine Lösung vorgegeben. Wir würden uns sehr freuen, wenn unsere russischen Freunde sich daran erinnern, dass sie diese Vereinbarung unterschrieben haben und nur sie damit das, was da verabredet worden ist, einlösen können.
Wir stellen parallel fest, dass die konventionelle Rüstungskontrolle weiter erodiert ist. Es ist in unser aller Interesse, hier aktiv entgegenzusteuern und neue Gedanken für Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen und Rüstungskontrolle in Europa zu entwickeln. Wir haben in der OSZE den Strukturierten Dialog – und der soll genau dazu dienen. Deshalb wäre es eine große Chance, dieses Instrument viel zielgerichteter und auch engagierter zu nutzen!
Aber nicht nur angesichts der Krisen und Konflikte brauchen wir die Zusammenarbeit in der OSZE mehr denn je. Die Risiken durch den Klimawandel stellen uns vor neue, auch sicherheitspolitische Herausforderungen, die wir auch nur gemeinsam bewältigen können. Die Lage ist viel zu ernst für nationale Alleingänge. Sie werden auch nicht zur Lösung der Probleme beitragen. Vielen von uns fehlt zunehmend das Verständnis dafür, dass einzelne unbeirrt Fortschritte in der Konfliktlösung oder bei Entwicklung neuer Projekte behindern! Das bedeutet: Routinebeschlüsse dürfen nicht politisiert werden. Wenn einzelne Teilnehmerstaaten die Konsensregel zum Beispiel für den OSZE-Haushalt missbrauchen, um nationale Partikularinteressen zu betreiben, dann ist das nichts anderes als eine klare Missachtung des OSZE-Acquis und eine Verletzung unserer gemeinsamer Interessen.
Die OSZE ist die einzige regionale Sicherheitsorganisation, die Russland und Nordamerika, Europa und Zentralasien an einem Tisch versammelt. Hier wird miteinander geredet, nicht nur übereinander. Angesichts der vielen ernsthaften Krisen und neuer Risiken wie dem Klimawandel kann man nur an alle appellieren, dass wir ihre Instrumente für Kooperation, Dialog und Transparenz jetzt gemeinsam nutzen und sie weiter ausbauen und stärken, um eine friedliche und sichere Zukunft für alle Menschen im OSZE-Raum zu ermöglichen. Sicherheit und Zusammenarbeit müssen in Europa eine Zukunft haben!
In diesem Sinne möchte ich Dir, lieber Zbigniew Rau, eine glückliche Hand und ein gutes Gelingen für den polnischen OSZE-Vorsitz wünschen. Und ich kann Dir jetzt schon sagen, dass Deutschland dabei Polen voll unterstützen wird!
Vielen Dank.
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