Olaf Scholz ist der neunte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Bei der Kanzlerwahl im Bundestag stimmten am Mittwochmorgen 395 Abgeordnete für den SPD-Politiker, wie Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) mitteilte. Es gab 303 Gegenstimmen und sechs Enthaltungen. Im Anschluss erhielt Scholz auf Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde, womit der Regierungswechsel offiziell vollzogen wurde.
Im Bundestag nahmen 707 der 736 Abgeordneten an der Abstimmung teil, einige fehlten krankheitshalber. Drei der abgegebenen Stimmen waren ungültig. Für die so genannte Kanzlermehrheit notwendig waren 369 Stimmen, die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP verfügen zusammen über 416 Stimmen, also 21 mehr als Stimmen für Scholz abgegeben wurden.
Dies war deutlich mehr als die Zahl der Krankheitsfälle in der Koalition. Die SPD meldete auf AFP-Anfrage vier, die Grünen und die FDP jeweils eine Erkrankung.
Nach seiner Wahl erhielt Scholz auf Schloss Bellevue aus den Händen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde. Damit ist die Regierungsgewalt gemäß der Vorgabe des Grundgesetzes von der bisherigen Kanzlerin Angela Merkel (SPD) auf den Nachfolger übergegangen. Steinmeier verlas bei dem Termin den Text der Urkunde und sagte: "Herr Bundeskanzler, meinen ganz herzlichen Glückwunsch."
Scholz leitet eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Auch die neuen Ministerinnen und Minister sollten noch am Nachmittag ihr Amt antreten. Bereits für den Abend ist die erste gemeinsame Kabinettssitzung geplant.
Der designierte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert mutmaßte, die fehlenden Stimmen bei der Kanzlerwahl könnten aus den Reihen der beiden kleineren Koalitionspartnern gekommen sein. "Denn denen fällt es naturgemäß etwas schwerer noch, jemanden von einer anderen Partei zum Kanzler zu wählen", sagte Kühnert dem Sender "Phoenix". "Manche von denen hatten sich ja auch selber Hoffnung gemacht, in diesem Jahr das Kanzleramt zu übernehmen", sagte er offenbar mit Blick auf die Grünen.
Überlegungen, es könnte auch Gegenstimmen aus den Reihen der Jusos gegeben haben, wies Kühnert zurück. Mit Blick auf die künftige Arbeit betonte er aber die Eigenständigkeit der SPD gegenüber der Regierung: "Wir werden jetzt nicht zum politischen Neutrum werden." Ebensowenig rechne er aber mit "einem Gegeneinander zwischen Kanzler und Parteispitze" oder "einem Kleinkrieg mit den Koalitionspartnern".
"Heute ist ein besonderer Tag im Bundestag", betonte die neue Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann auf Twitter. "Alles Gute, lieber Olaf Scholz und auf gute Zusammenarbeit", schrieb sie weiter. "Die Mehrheit für einen Aufbruch steht", schrieb ebenfalls auf Twitter der bisherige Grünen-Bundesgeschäftsführer und künftige Klima-Staatssekretär Michael Kellner.
Der neue FDP-Fraktionschef Christian Dürr rief zur Zusammenarbeit in der Ampel-Koalition auf. "Das Teamplay zwischen den Regierungsfraktionen und zwischen den Fraktionschefs der Regierungsfraktionen ist ganz wichtig für eine Bundesregierung, die am Ende auch getragen wird und funktioniert", sagte er Phoenix. Das Regierungsprogramm lobte er als "ein rundes Paket".
Glückwünsche für Scholz kamen auch vom politischen Gegner. "Glückwunsch und Erfolg im Amt", schrieb der scheidende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Alles Gute wünschte er auch der scheidenden Kanzlerin Merkel und fügte mit Blick auf sie hinzu: "Es war gewaltig und unvergesslich."
Auch die Linkspartei gratulierte dem neuen Kanzler, wies aber mit Blick auf den neuen Finanzminister Christian Lindner (FDP) darauf hin, in der neuen Regierung stehe nun "alles unter Lindner-Vorbehalt". die Erwartung an einen "Aufbruch in eine nachhaltige Zukunft" äußerte der Umweltverband WWF.
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