Die USA hatten das Urteil eines britischen Gerichts vom Januar angefochten, das Assanges Auslieferung unter Verweis auf ein hohes Suizidrisiko verboten hatte. In den USA drohen dem Australier bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.
Assange ist dort wegen Spionage und der Veröffentlichung geheimer Dokumente auf der Enthüllungsplattform Wikileaks zu den Kriegen im Irak und in Afghanistan angeklagt. Die Papiere enthielten brisante Informationen über die US-Einsätze in diesen Ländern, darunter auch über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen.
Im Oktober hatten US-Anwälte bei einer zweitägigen Anhörung argumentiert, bei dem Urteil vom Januar sei den Gutachten anderer Experten zum psychischen Zustand Assanges nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt worden. Zudem versicherten sie, dass Assange in den USA nicht in Isolationshaft gehalten und angemessen behandelt würde. Zwei Berufungsrichter in London gaben diesen Zusicherungen nun nach.
Es habe sich um "ernsthafte Zusagen von einer Regierung zur anderen" gehandelt, sagte Richter Holroyde. Assange werde "eine angemessene klinische und psychologische Behandlung" in den USA erhalten. Zudem werde Washington im Fall einer Verurteilung zustimmen, Assange nach Australien zurückzuführen. Kritik an den US-Zusicherungen wiesen die beiden Richter zurück.
Der Fall geht nun an den Westminster Magistrates Court in London mit der Anordnung, ihn auch Innenministerin Priti Patel für eine endgültige Entscheidung vorzulegen.
Assange sitzt seit zweieinhalb Jahren in London in Haft. Zuvor hatte er sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft gelebt, um einer Auslieferung an Schweden zu entgehen. Dort sollte ihm wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs der Prozess gemacht werden, die Anschuldigungen wurden jedoch fallen gelassen. Assange und seine Unterstützer haben die Verfahren immer wieder als politisch motiviert kritisiert.
Assanges Partnerin Stella Moris, die auch zu seinem Verteidiger-Team gehört, kündigte am Freitag an, das Urteil umgehend anfechten zu wollen. Es handle sich um eine "schwere juristische Fehlentscheidung". "Wie kann es fair sein (...), Julian an das Land auszuliefern, das seine Tötung plante?", sagte sie mit Blick auf Berichte, wonach die CIA unter Ex-Präsident Donald Trump Assanges Ermordung plante.Amnesty International meldete große Zweifel an den US-Zusicherungen über Assanges potenzielle Behandlung in den USA an. Laut Wikileaks durfte der 50-Jährige am Freitag selbst nicht vor Gericht erscheinen.
Der Fall sorgt seit Jahren international für Aufsehen. Unterstützer des Journalisten und Aktivisten halten ihn für einen Vorkämpfer der Meinungs- und Pressefreiheit und fordern politisches Asyl für ihn.
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) sprach am Freitag von einer "Schande für die Pressefreiheit". DJV-Chef Frank Überall erklärte, das Urteil habe "eine verheerende Signalwirkung auf alle Whistleblower, deren Informationen und Insiderkenntnisse an die Öffentlichkeit gehören".
Auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) reagierte "mit Fassungslosigkeit": "Sollte es tatsächlich zu einer Auslieferung kommen, hätte das katastrophale Folgen für den gesamten Journalismus, dessen Fundamente völlig infrage gestellt würden", erklärte Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann.
Der SPD-Menschenrechtsexperten Frank Schwabe hält das Londoner Urteil "aus menschenrechtlicher Perspektive" für nicht vertretbar: Wenn Whistleblower strafbares oder gar völkerrechtswidriges Verhalten aufdeckten, gehörten sie geschützt und nicht bestraft. Die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen forderte die Ampelkoalition auf, Assange politisches Asyl anzubieten.
Das russische Außenministerium sprach von einem "beschämenden Urteil in einem politischen Fall gegen einen Journalisten". Es handele sich um "eine weitere Offenbarung der kannibalistischen Weltsicht des angelsächsischen Bündnisses".
jep/ans
© Agence France-Presse