Liebe Brüder und Schwestern!
Wie jedes Jahr haben wir
die Gelegenheit, einige Tage vor dem Weihnachtsfest zusammenzukommen.
Auf diese Weise können wir durch den Austausch von guten Wünschen unsere
Geschwisterlichkeit sichtbar zum Ausdruck bringen; aber es ist auch
eine Zeit des Nachdenkens und der Gewissenserforschung für jeden von
uns, damit das Licht des fleischgewordenen Wortes uns immer besser
zeigen kann, wer wir sind und was unsere Sendung ist.
Das Geheimnis Gottes, der auf dem Weg der Demut in die Welt kommt
Das Weihnachtsgeheimnis ist das Geheimnis Gottes, der auf dem Weg der Demut in die Welt kommt; und unsere Zeit scheint die Demut vergessen zu haben oder sie einfach zu einer Form von Moralismus degradiert zu haben, und hat ihr damit ihre eigentliche Sprengkraft genommen.
Hier das Video zum Weihnachtsempfang für die Römische Kurie:
Aber wenn wir das ganze Geheimnis von Weihnachten in einem Wort
ausdrücken müssten, dann denke ich, dass das Wort Demut uns am meisten
helfen kann. In den Evangelien wird von einer ärmlichen, einfachen
Umgebung berichtet, die für eine Frau, die gebären soll, nicht geeignet
ist. Doch der König der Könige kommt nicht in die Welt, indem er
Aufmerksamkeit erregt, sondern indem er eine geheimnisvolle
Anziehungskraft auf die Herzen derer ausübt, die die überwältigende
Gegenwart einer Neuheit spüren, die im Begriff ist, die Geschichte zu
verändern. Die Demut war sein Eingangstor, und er lädt uns ein, es zu
durchschreiten.
Es ist nicht leicht zu verstehen, was Demut ist. Sie
ist das Ergebnis einer Veränderung, die der Geist selbst in uns durch
die Geschichte, die wir leben, bewirkt, wie es zum Beispiel bei Naaman,
dem Syrer, der Fall war (vgl. 2 Kön 5).
„Es kommt eine Zeit im Leben eines jeden Menschen, in der er den Wunsch verspürt, nicht mehr hinter dem Deckmantel des Ruhmes dieser Welt zu leben“
Zur Zeit des Propheten Elischa genoss diese Persönlichkeit ein hohes
Ansehen. Er war ein tapferer General des aramäischen Heeres, der bei
mehreren Gelegenheiten seine Tapferkeit und seinen Mut bewiesen hatte.
Doch neben Ansehen, Stärke, Wertschätzung, Ehren und Ruhm muss dieser
Mann auch mit einem schrecklichen Drama leben: Er ist aussätzig. Seine
Rüstung, dieselbe Rüstung, die ihn berühmt macht, bedeckt in
Wirklichkeit eine zerbrechliche, verwundete, kranke Menschennatur.
Diesen Widerspruch finden wir oft in unserem eigenen Leben: Manchmal
sind große Gaben der Panzer, der große Schwächen verdeckt.
Naaman
begreift eine grundlegende Wahrheit: Man kann sich nicht sein Leben lang
hinter einer Rüstung, einer Rolle, einer gesellschaftlichen Anerkennung
verstecken. Es kommt eine Zeit im Leben eines jeden Menschen, in der er
den Wunsch verspürt, nicht mehr hinter dem Deckmantel des Ruhmes dieser
Welt zu leben, sondern in der Fülle eines ehrlichen Lebens, das keine
Rüstungen und Masken mehr benötigt. Dieser Wunsch treibt den tapferen
Heerführer Naaman dazu an, sich auf die Suche nach jemandem zu machen,
der ihm helfen kann, und er tut dies auf Anraten einer Sklavin, einer
jüdischen Kriegsgefangenen, die von einem Gott erzählt, der in der Lage
ist, solche Widersprüche zu heilen.
Nachdem er sich mit Silber
und Gold eingedeckt hat, macht sich Naaman auf die Reise und kommt zu
dem Propheten Elischa. Der Prophet verlangt von Naaman als einzige
Bedingung für seine Genesung, dass er sich entkleidet und sieben Mal im
Jordan wäscht. Kein Ansehen, keine Ehre, kein Gold und kein Silber! Die
Gnade, die rettet, ist umsonst und kann nicht auf den Preis der Dinge
dieser Welt reduziert werden.
Naaman wehrt sich gegen diese Bitte, sie erscheint ihm zu banal, zu
einfach, zu leicht erfüllbar. Es scheint, dass die Kraft der Einfachheit
keinen Platz in seiner Vorstellungswelt hatte. Aber die Worte seiner
Diener bringen ihn dazu, seine Meinung zu ändern: »Wenn der Prophet
etwas Schweres von dir verlangt hätte, würdest du es tun; wie viel mehr
jetzt, da er zu dir nur gesagt hat: Wasch dich und du wirst rein« (2 Kön
5,13). Naaman ergibt sich, und mit einer Geste der Demut „steigt er
herab“, legt seine Rüstung ab und steigt in das Wasser des Jordans, und
»da wurde sein Leib gesund wie der Leib eines Kindes und er war rein« (2
Kön 5,14). Die Lehre daraus ist großartig! Die Demut, das eigene
Menschsein zu entblößen, bringt Naaman nach dem Wort des Herrn Heilung.
„Ohne unsere Kleider, Vorrechte, Rollen und Titel sind wir alle Aussätzige, die der Heilung bedürfen“
Die Geschichte von Naaman erinnert uns daran, dass Weihnachten die Zeit ist, in der jeder von uns den Mut haben muss, seine Rüstung abzulegen, die Kleider seiner Rolle, seiner gesellschaftlichen Anerkennung, des Glanzes dieser Welt abzulegen und die Haltung der Demut und Bescheidenheit einzunehmen. Wir können dabei von einem stärkeren, überzeugenderen und verbindlicheren Beispiel ausgehen: dem des Gottessohnes, der sich nicht der Demut entzieht, in die Geschichte „hinabzusteigen“, indem er Mensch wird, indem er ein Kind wird, zerbrechlich, in Windeln gewickelt und in eine Krippe gelegt (vgl. Lk 2,16). Ohne unsere Kleider, Vorrechte, Rollen und Titel sind wir alle Aussätzige, die der Heilung bedürfen. Weihnachten ist die lebendige Erinnerung an dieses Bewusstsein.
Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir unsere Menschlichkeit
vergessen, leben wir nur von den Ehren unserer Rüstung, aber Jesus
erinnert uns an eine unbequeme und verstörende Wahrheit: „Was nützt es,
die ganze Welt zu gewinnen, wenn du dich dabei selber verlierst?“ (vgl.
Mk 8,36).
Das ist die gefährliche Versuchung - ich habe sie bei
anderen Gelegenheiten in Erinnerung gerufen - der spirituellen
Weltlichkeit, die im Gegensatz zu allen anderen Versuchungen schwer zu
entlarven ist, weil sie von allem verdeckt wird, was uns normalerweise
beruhigt: unsere Rolle, die Liturgie, die Lehre, die Religiosität. In
Evangelii gaudium habe ich geschrieben: »In diesem Kontext wird die
Ruhmsucht derer gefördert, die sich damit zufrieden geben, eine gewisse
Macht zu besitzen, und lieber Generäle von geschlagenen Heeren sein
wollen, als einfache Soldaten einer Schwadron, die weiterkämpft. Wie oft
erträumen wir peinlich genaue und gut entworfene apostolische
Expansionsprojekte, typisch für besiegte Generäle! So verleugnen wir
unsere Kirchengeschichte, die ruhmreich ist, insofern sie eine
Geschichte der Opfer, der Hoffnung, des täglichen Ringens, des im Dienst
aufgeriebenen Lebens, der Beständigkeit in mühevoller Arbeit ist, denn
jede Arbeit geschieht „im Schweiß unseres Angesichts“. Stattdessen
unterhalten wir uns eitel und sprechen über „das, was man tun müsste“ –
die Sünde des „man müsste tun“ – wie spirituelle Lehrer und Experten der
Seelsorge, die einen Weg weisen, ihn selber aber nicht gehen. Wir
pflegen unsere grenzenlose Fantasie und verlieren den Kontakt zu der
durchlittenen Wirklichkeit unseres gläubigen Volkes« (Nr. 96).
Wir müssen uns unserer Schwäche nicht schämen
Demut ist die Fähigkeit, unser Menschsein ohne Verzweiflung, mit
Realismus, Freude und Hoffnung auszufüllen; dieses Menschsein, das vom
Herrn geliebt und gesegnet wird. Demut bedeutet zu verstehen, dass wir
uns unserer Schwäche nicht schämen müssen. Jesus lehrt uns, unser Elend
mit der gleichen Liebe und Zärtlichkeit zu betrachten, mit der man ein
kleines, zerbrechliches Kind ansieht, das alles braucht. Ohne Demut
werden wir nach Bestätigungen suchen und sie vielleicht auch finden,
aber wir werden gewiss nicht das finden, was uns rettet, was uns heilen
kann. Die Bestätigungen sind die verdorbenste Frucht der spirituellen
Weltlichkeit, die einen Mangel an Glauben, Hoffnung und Liebe offenbaren
und zu einer Unfähigkeit werden, die Wahrheit der Dinge richtig zu
erkennen und einzuordnen. Hätte Naaman nur weiter Medaillen für seine
Rüstung gesammelt, wäre er schließlich von der Lepra verzehrt worden:
scheinbar lebendig, ja, aber verschlossen und isoliert in seiner
Krankheit. Er sucht mutig nach dem, was ihn retten kann, und nicht nach
dem, was ihn unmittelbar zufriedenstellt.
Wir alle wissen, dass
das Gegenteil der Demut der Stolz ist. Ein Vers des Propheten Maleachi
hilft uns, den Unterschied zwischen dem Weg der Demut und dem Weg des
Stolzes zu verstehen: »Da werden alle Überheblichen und alle Frevler zu
Spreu und der Tag, der kommt, wird sie verbrennen, spricht der Herr der
Heerscharen. Weder Wurzel noch Zweig wird ihnen dann bleiben« (3,19).
Der Prophet verwendet ein anschauliches Bild, das den Stolz gut
beschreibt: Stolz, sagt er, ist wie Stroh. Wenn dann das Feuer kommt,
wird das Stroh zu Asche, es verbrennt, es verschwindet. Und er sagt uns
auch, dass diejenigen, die sich auf ihren Stolz verlassen, des
Wichtigsten beraubt werden, was wir haben: die Wurzeln und die Sprosse.
Die Wurzeln erzählen von unserer lebendigen Verbindung mit der
Vergangenheit, aus der wir schöpfen, um in der Gegenwart zu leben. Die
Sprosse sind die Gegenwart, die nicht stirbt, sondern zum Morgen, zur
Zukunft wird. In einer Gegenwart zu sein, die keine Wurzeln und keine
Sprosse mehr hat, bedeutet, das Ende zu erleben. So hat der Stolze,
eingeschlossen in seiner eigenen kleinen Welt, keine Vergangenheit und
keine Zukunft, keine Wurzeln und keine Sprosse mehr und lebt mit dem
bitteren Geschmack der unfruchtbaren Traurigkeit, die sich des Herzens
bemächtigt als »der köstlichste von des Teufels Tränken«. Im Gegenteil
dazu lässt sich der demütige Mensch in seinem Leben beständig von zwei
Worten leiten: sich erinnern und Neues hervorbringen, Frucht aus den
Wurzeln und aus den Sprossen, und so erlebt er die freudige Öffnung für
die Fruchtbarkeit.
Erinnern bedeutet etymologisch „ins Innere
zurückholen“. Die lebendige Erinnerung an die Tradition, an unsere
Wurzeln, ist kein Kult der Vergangenheit, sondern eine innere Geste,
durch die wir uns beständig das zu Herzen nehmen, was uns vorausgegangen
ist, was unsere Geschichte durchschritten hat, was uns bis hierher
gebracht hat. Erinnern heißt nicht wiederholen, sondern etwas
beherzigen, aufleben lassen und in Dankbarkeit der Kraft des Heiligen
Geistes erlauben, dass unsere Herzen entbrennen, wie bei den ersten
Jüngern (vgl. Lk 24,32).
Damit das Erinnern aber nicht zu einem
Gefängnis der Vergangenheit wird, brauchen wir ein weiteres Wort: Neues
hervorbringen. Der demütige Mensch sorgt sich auch um die Zukunft,
nicht nur um die Vergangenheit, denn er weiß, wie man in die Zukunft
blickt, wie man auf die Sprossen schaut, mit einem Gedächtnis voller
Dankbarkeit. Der bescheidene Mensch bringt hervor, lädt ein und drängt
auf das Unbekannte zu. Der Stolze hingegen wiederholt, erstarrt und
verschließt sich in seiner Wiederholung, er fühlt sich sicher in dem,
was er kennt, und fürchtet das Neue, weil er es nicht kontrollieren
kann, er fühlt sich dadurch aus dem Gleichgewicht gebracht ... denn er
hat sein Gedächtnis verloren.
Der demütige Mensch lässt sich in Frage stellen
Der demütige Mensch lässt sich in Frage stellen, öffnet sich dem
Neuen und tut dies, weil er sich stark fühlt durch das, was ihm
vorausgeht, durch seine Wurzeln, durch seine Zugehörigkeit. Seine
Gegenwart ist von einer Vergangenheit durchdrungen, die ihn
hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lässt. Im Gegensatz zu den Stolzen
weiß er, dass weder seine Verdienste noch seine „guten Gewohnheiten“ der
Anfang und die Grundlage seiner Existenz sind; deshalb ist er fähig zu
vertrauen.
Wir alle sind zur Demut aufgerufen, denn wir sind
aufgerufen, uns zu erinnern und Neues hervorzubringen, wir sind
aufgerufen, die richtige Beziehung zu den Wurzeln und den Sprossen
wiederzuentdecken. Ohne sie sind wir krank und dem Untergang geweiht.
Jesus, der auf dem Weg der Demut in die Welt kommt, eröffnet uns eine Spur, zeigt uns einen Stil, zeigt uns ein Ziel.
Liebe Brüder und Schwestern, wenn es wahr ist, dass man ohne Demut
Gott nicht begegnen und das Heil nicht erfahren kann, dann ist es ebenso
wahr, dass man ohne Demut seinem Nächsten, dem Bruder und der
Schwester, die an unserer Seite leben, nicht begegnen kann.
Am
vergangenen 17. Oktober haben wir den synodalen Prozess eröffnet, der
uns für die nächsten zwei Jahre beschäftigen wird. Auch hier kann uns
nur die Demut in die Lage versetzen, uns zu begegnen und zuzuhören,
Dialog zu führen und zu unterscheiden. Wenn jeder in seinen eigenen
Überzeugungen, in seinen eigenen Erfahrungen, in der Schale seiner
eigenen Gefühle und Gedanken verschlossen bleibt, ist es schwierig,
jener Erfahrung des Geistes Raum zu geben, die, wie der Apostel sagt,
mit der Überzeugung verbunden ist, dass wir alle Kinder sind von dem
einen »Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem
ist« (Eph 4,6).
„Alle“ ist kein missverständliches Wort! Der
Klerikalismus, der sich als Versuchung täglich unter uns schleicht,
lässt uns immer an einen Gott denken, der nur zu einigen wenigen
spricht, während die anderen nur zuhören und ausführen müssen. Die
Synode ist die Erfahrung, dass wir alle Glieder eines größeren Volkes
sind: das heilige, gläubige Volk Gottes und somit Jünger, die zuhören
und gerade durch dieses Zuhören auch den Willen Gottes verstehen können,
der sich immer auf unvorhersehbare Weise zeigt. Es wäre jedoch falsch
zu denken, dass die Synode ein Ereignis ist, das der Kirche als
abstrakter Größe vorbehalten ist, die weit von uns entfernt ist.
Synodalität ist ein Stil, zu dem vor allem wir, die wir hier sind und
durch unsere Arbeit in der Römischen Kurie einen Dienst an der
Weltkirche leben, uns bekehren müssen.
Der Stil der Demut: Teilhabe, Gemeinschaft und Sendung
Die Kurie ist nicht nur ein logistisches und bürokratisches Werkzeug
für die Bedürfnisse der Weltkirche, sondern sie ist der erste
Organismus, der zum Zeugnis berufen ist, und gerade deshalb gewinnt sie
immer mehr an Maßgeblichkeit und Wirksamkeit, wenn sie die
Herausforderungen der synodalen Umkehr, zu der auch sie berufen ist,
selbst annimmt. Die Organisation, die wir umsetzen müssen, ist nicht
betrieblicher Art, sondern folgt einer dem Evangelium gemäßen Art. Wenn
also das Wort Gottes die ganze Welt an den Wert der Armut erinnert,
müssen wir, die Mitglieder der Kurie, die Ersten sein, die sich zu einer
Umkehr zur Nüchternheit verpflichten. Wenn das Evangelium Gerechtigkeit
verkündet, müssen wir als Erste versuchen, transparent zu leben, ohne
Begünstigungen und Seilschaften. Wenn die Kirche den Weg der Synodalität
einschlägt, müssen wir die Ersten sein, die sich auf einen anderen
Arbeitsstil, auf Zusammenarbeit, auf Gemeinschaft umstellen. Und dies
ist nur über den Weg der Demut möglich.
Bei der Eröffnung der
Synodenversammlung habe ich drei Schlüsselbegriffe verwendet: Teilhabe,
Gemeinschaft und Sendung. Dies sind die drei Anforderungen, die ich als
einen Stil der Demut bezeichnen möchte, den wir hier in der Kurie
anstreben sollten. Drei Weisen, den Weg der Demut konkret in die Praxis
umzusetzen.
Zunächst einmal die Teilhabe. Diese sollte durch
einen Stil der Mitverantwortung zum Ausdruck gebracht werden. Natürlich
sind die Zuständigkeiten bei der Vielfalt der Rollen und Ämter
unterschiedlich, aber es wäre wichtig, dass jeder spüren kann, an der
Arbeit teilzuhaben und dafür mitverantwortlich zu sein, und nicht nur
die entpersönlichende Erfahrung zu machen, ein von jemand anderem
aufgestelltes Programm auszuführen. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn
ich in der Kurie auf Kreativität stoße, und nicht selten zeigt sie sich
vor allem dort, wo Raum für alle gelassen und gefunden wird, auch für
diejenigen, die hierarchisch einen Platz am Rand einzunehmen scheinen.
Ich danke für diese Vorbilder und ermutige euch, daran zu arbeiten, dass
wir eine konkrete Dynamik entwickeln können, bei der jeder wahrnimmt,
dass er aktiv an der Sendung beteiligt ist, die er zu erfüllen hat. Die
Autorität wird zum Dienst, wenn sie teilt, einbezieht und hilft zu
wachsen.
Das zweite Wort ist Gemeinschaft. Sie drückt sich
nicht durch Mehrheiten oder Minderheiten aus, sondern entsteht im
Wesentlichen aus einer Beziehung zu Christus. Wir werden nie einen dem
Evangelium gemäßen Stil in unserem Umfeld erreichen, wenn wir nicht
Christus wieder in den Mittelpunkt stellen. Viele von uns arbeiten
zusammen, aber was die Gemeinschaft stärkt, ist auch die Möglichkeit,
gemeinsam zu beten, dem Wort Gottes zuzuhören, Beziehungen aufzubauen,
die über die bloße Arbeit hinausgehen, und die Bande des Guten zu
stärken, indem man sich gegenseitig hilft. Andernfalls besteht die
Gefahr, dass wir nur Fremde sind, die zusammenarbeiten, Konkurrenten,
die versuchen, eine bessere Stellung für sich zu erlangen, oder,
schlimmer noch, dass dort, wo Beziehungen entstehen, diese eher in
Richtung Komplizenschaft zugunsten persönlicher Interessen gehen, wobei
die gemeinsame Sache, die uns zusammenhält, in Vergessenheit gerät.
Komplizenschaft schafft Spaltungen, Parteiungen und Feinde;
Zusammenarbeit erfordert die Größe, die eigene Unvollständigkeit zu
akzeptieren und offen zu sein für Teamarbeit, auch mit denen, die nicht
so denken wie wir. In der Komplizenschaft steht man zusammen, um ein
äußeres Ergebnis zu erzielen. In der Zusammenarbeit steht man zusammen,
weil einem das Wohl des anderen am Herzen liegt und damit das Wohl des
ganzen Volkes Gottes, dem zu dienen wir berufen sind: Vergessen wir
nicht das konkrete Gesicht der Menschen, vergessen wir nicht unsere
Wurzeln, das konkrete Gesicht derer, die unsere ersten Lehrer im Glauben
waren.
Die Perspektive der Gemeinschaft bringt gleichzeitig
die Anerkennung der Vielfalt mit sich, die uns als Gabe des Heiligen
Geistes innewohnt. Wann immer wir von diesem Weg abkommen und
Gemeinschaft und Gleichförmigkeit als Synonyme leben, schwächen wir die
lebensspendende Kraft des Heiligen Geistes unter uns und bringen sie zum
Schweigen. Die Haltung des Dienens verlangt und, ich würde sagen, sie
fordert von uns den Großmut und die Großzügigkeit, den vielgestaltigen
Reichtum des Volkes Gottes anzuerkennen und freudig zu leben; und ohne
Demut ist dies nicht möglich.
Das dritte Wort ist Sendung. Sie
bewahrt uns davor, uns in uns selbst zurückzuziehen. Wer sich in sich
selbst zurückzieht, »schaut von oben herab und aus der Ferne, weist die
Prophetie der Brüder ab, bringt den, der ihn in Frage stellt, in
Misskredit, hebt ständig die Fehler der anderen hervor und ist besessen
vom Anschein. Er hat den Bezugspunkt des Herzens verkrümmt auf den
geschlossenen Horizont seiner Immanenz und seiner Interessen, mit der
Konsequenz, dass er nicht aus seinen Sünden lernt, noch wirklich offen
ist für Vergebung. Es ist eine schreckliche Korruption mit dem Anschein
des Guten. Man muss sie vermeiden, indem man die Kirche in Bewegung
setzt, dass sie aus sich herausgeht, in eine auf Jesus Christus
ausgerichtete Mission, in den Einsatz für die Armen» (Evangelii Gaudium,
97).
Nur ein für die Mission offenes Herz gewährleistet, dass alles, was wir ad intra und ad extra tun, immer von der regenerierenden Kraft des Rufes des Herrn geprägt ist. Und die Mission bringt immer eine Leidenschaft für die Armen mit sich, d.h. für die, die bedürftig sind: diejenigen, die nicht nur in materieller Hinsicht bedürftig sind, sondern auch in geistlicher, emotionaler und moralischer Hinsicht. Diejenigen, die nach Brot hungern, und diejenigen, die nach Sinn hungern, sind gleichermaßen arm. Die Kirche ist aufgefordert, allen Armen entgegenzugehen und allen das Evangelium zu verkünden, weil wir alle auf die eine oder andere Weise arm sind, weil wir bedürftig sind. Aber auch die Kirche geht ihnen entgegen, weil wir ihrer bedürfen: Uns fehlt ihre Stimme, ihre Anwesenheit, ihre Fragen und Diskussionen. Derjenige, der ein missionarisches Herz hat, spürt, dass sein Bruder ihm fehlt, und macht sich in der Haltung eines Bettlers auf den Weg, um ihm zu begegnen. Die Mission macht uns verwundbar, sie hilft uns, uns daran zu erinnern, dass wir Jünger sind und ermöglicht uns, die Freude des Evangeliums immer wieder neu zu entdecken.
Teilhabe, Mission und Gemeinschaft sind die Merkmale einer demütigen Kirche, die auf den Geist hört und ihren Mittelpunkt außerhalb ihrer selbst setzt. Henri de Lubac sagte: »Wie ihr Herr erscheint die Kirche der Welt als Sklavin. Hienieden lebt sie „in Sklavengestalt“. […] So wenig wie eine Gelehrtenakademie ist sie ein Kreis von durchaus Vergeistigten oder eine Versammlung von Übermenschen. Sie ist sogar ganz das Gegenteil. Hinkende, Krüppel und allerlei Armselige wimmeln da umher, dazu die Menge der Mittelmäßigen […] Dagegen ist es schwierig – für den naturgemäßen Menschen vor der Umkehr seines innersten Denkens sogar unmöglich -, in einem solchen Umstand die Vollendung der Heilskenose und die anbetungswürdige Spur der „Demut Gottes“ zu entdecken«.
Die Logik der Weltlichkeit meiden
Abschließend möchte ich euch und allen voran mir wünschen, dass wir
uns von der Demut der Weihnacht, der Krippe, der Armut und der Besinnung
auf das Wesentliche, mit der der Sohn Gottes in die Welt gekommen ist,
evangelisieren lassen. Selbst die Sterndeuter, von denen wir mit
Gewissheit annehmen können, dass sie aus wohlhabenderen Verhältnissen
stammten als Maria und Josef oder die Hirten von Bethlehem, werfen sich
angesichts des Kindes nieder (vgl. Mt 2,11). Es ist nicht nur eine Geste
der Anbetung, es ist eine Geste der Demut. Die Sterndeuter stellen sich
auf eine Stufe mit Gott, indem sie sich auf die bloße Erde
niederwerfen. Diese Kenosis, dieser Abstieg, ist derselbe, den Jesus am
letzten Abend seines irdischen Lebens vollziehen wird: »Er stand vom
Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch.
Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu
waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war«
(vgl. Joh 13,4-5). Die Bestürzung, die diese Geste auslöst, ruft die
Reaktion des Petrus hervor, aber schließlich gibt Jesus selbst seinen
Jüngern den richtigen Verständnisschlüssel: »Ihr sagt zu mir Meister und
Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich,
der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr
einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit
auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe« (Joh 13,13-15).
Liebe Brüder und Schwestern, erinnern wir uns an unseren Aussatz,
meiden wir die Logik der Weltlichkeit, die uns die Wurzeln und Sprosse
raubt, und lassen wir uns von der Demut des Jesuskindes evangelisieren.
Nur wenn wir dienen und unsere Arbeit als Dienst verstehen, können wir
wirklich für alle nützlich sein. Wir sind hier - ich als Erster - um zu
lernen, niederzuknien und den Herrn in seiner Demut anzubeten und nicht
andere Herren in ihrem leeren Prunk. Wir sind wie die Hirten, wir sind
wie die Heiligen Drei Könige, wir sind wie Jesus. Das ist die Lehre von
Weihnachten: Die Demut ist die große Voraussetzung für den Glauben, für
das geistliche Leben, für die Heiligkeit. Möge der Herr uns diese Gabe
geben, ausgehend vom anfänglichen Zeichen des Geistes in uns: dem
Verlangen. Was wir nicht haben, können wir zumindest anfangen zu
verlangen. Und das Verlangen ist bereits der Geist, der in jedem von uns
wirkt.
Frohe Weihnachten an alle! Und bitte, betet für mich.
(vaticannews - skr)