Das ROboMObil, kurz ROMO, bringt seit 2011 Weltraumforschung auf die Straße. Seinen Anfang nimmt es einige Jahre zuvor am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR): Forschende des Robotik und Mechatronik Zentrums (RMC) hatten die Idee, Rovertechnik von Mars- und Mondfahrzeugen mit Elektromobilität zu fusionieren. So entstand in Oberpfaffenhofen eines der ersten robotischen Elektrofahrzeuge weltweit. Es kann autonom fahren, sich um die eigene Achse drehen und seitwärts oder schräg fortbewegen. Einparken in enge Lücken wird damit zum Kinderspiel. Mithilfe von ROMO lassen sich aber vor allem neue Technologien entwickeln, die Fahrzeuge extrem manövrierfähig oder sicher bei der Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) machen sollen.
Das stromlinienförmige, futuristisch anmutende Design traf bei Autoliebhabern auch auf gemischte Reaktionen. Bei seinem ersten internationalen Auftritt auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA 2012 avancierte der Zweisitzer jedoch schnell zum Publikumsliebling. Im selben Jahr erhielt das Team auch fachlich Anerkennung. Mit dem eCarTec Award – dem bayerischen Staatspreis für Elektromobilität – wurde das ROboMObil als "bedeutendste Produktvision in der Elektromobilität" ausgezeichnet.
Autonomes Fahren dank Raumfahrt
Projektleiter Dr.-Ing. Jonathan Brembeck gestaltet diese Vision seit den ersten Konzeptentwürfen. Am DLR-Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik des RMC hat er miterlebt, wie aus einer Idee auf dem Papier ein einzigartiges straßentaugliches Fahrzeug wurde. An die Jungfernfahrt vor zehn Jahren erinnert sich Brembeck genau: "Ich war aufgeregt, ob alles funktionieren würde. Die Mechanik und Elektrik der Radroboter lief rund und auch die Batterie arbeitete zuverlässig. Nur die Steuerung war noch nicht ganz optimal." Ein Herzschlag-Moment. "Mit einigen wenigen Handgriffen konnten wir die Einstellungen aber anpassen und dann fuhr das ROboMObil wie gewünscht – das war ein unglaubliches Gefühl", erzählt der Wissenschaftler.
Das ROboMObil kann per Sidestick von einer Person im Fahrzeug gelenkt oder per Sidestick fernstgesteuert werden. Auch vollautonome Fahrten sind möglich. Seine insgesamt 18 Kameras erfassen die Umgebung im 360-Grad-Rundumblick. So kann sich ROMO selbständig in unbekannten Umgebungen zurechtfinden, auch ohne Zuhilfenahme einer Karte. Dieses Konzept für autonomes Fahren entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ursprünglich für die Raumfahrtrobotik. Die Algorithmen des RMC stecken heute in den intelligenten Fahrer-Assistenzsystemen der führenden Automobilhersteller.
Auch der Kernaufbau des Fahrzeugs entstammt der Raumfahrtforschung: Alle vier Räder sind jeweils mit Antrieb, Lenkung, Dämpfung und Bremse ausgestattet. Diese sogenannten Radroboter werden mithilfe einer intelligenten Zentralsteuerung koordiniert, sodass sich das Fahrzeug in alle Richtungen fortbewegen kann. ROMO ist außerdem das erste robotische Elektromobil mit einer "By-Wire"-Zentralsteuerung: Die Steuerung der Radroboter erfolgt über elektrische Leitungen ohne mechanische Kopplung. Ein klassisches Lenkrad wird also nicht benötigt.
ROMO virtuell entdecken
Über die Jahre musste sich das Forschungsfahrzeug auch in Technologie-Demonstrationen für Industriepartner beweisen. Zum Abschluss durften diese das ROboMObil auf einem virtuell abgesteckten Kurs mit dem Sidestick fahren. "Es ist immer spannend zu sehen, wie gut Außenstehende mit dem System umgehen können", so Projektleiter Brembeck. Einige der Gast-Pilotinnen und Gast-Piloten zeigten sich besonders geschickt. Das führte unter den Teilnehmenden zu der Vermutung, dass Vorkenntnisse am heimischen Spiele-Computer bei der Steuerung von ROMO vorteilhaft sein könnten. Erstellt wurde auch eine Ranglisten der besten Pilotinnen und Piloten, "die aber für immer geheim bleiben wird".
Bis zur nächsten Probefahrt wird es pandemiebedingt noch etwas dauern. Dafür können alle ab sofort auf virtuelle Entdeckungstour von ROMO gehen: Ein neues Blogportal mit Videos, Bildern und wissenschaftlichen Dokumenten gibt Einblicke in die mehr als zehnjährige Forschungsarbeit. Entlang eines Zeitstrahls können Besucherinnen und Besucher die Fertigungsschritte nachvollziehen, die erste Testfahrt mitverfolgen und ROMO auf verschiedenen Events begleiten. "Technologie-Vorführungen sind in diesen Pandemie-Zeiten schwierig. Umso mehr freuen wir uns, dass wir unsere Forschungsarbeit jetzt auf digitalem Weg einem breiten Publikum vorstellen können", erklärt Brembeck.
Forschungsplattform für morgen
Seit seiner ersten Forschungsfahrt 2011 liefert das robotische Elektromobil des DLR wertvolle Beiträge als Technologieträger. So war es bereits für die unterschiedlichsten Forschungsthemen unterwegs, von der optimierten Fahrdynamikregelung bis hin zur Entwicklung von Energiemanagement-Konzepten. Dank seiner autonomen und außergewöhnlich flexiblen Fahreigenschaften sowie der lenkradlosen "By-Wire"-Technologie ist ROMO auch weiterhin ein gefragter Forschungspartner.
Künftig arbeitet das Projektteam verstärkt im Bereich hochautomatisiertes batterie-elektrisches Fahrzeug. Dafür entwickeln sie unter anderem KI-gestützte Methoden für Steuerungs- und Systemdiagnose-Aufgaben. In den kommenden Jahren werden sie außerdem Cloud-basierte Ansätze entwickeln, um noch größere Datensätze und komplexere Steuerungsarchitekturen nutzen zu können. Das ROboMObil ist damit bereit für die nächsten Etappen seiner Forschungsreise.
Bilder DLR