Bonn/Dessau - (ots) - Bundesumweltministerin Steffi Lemke (B'90/Grüne) erklärt, sie halte trotz der neuen EU-Vorlage, die Atomkraft als nachhaltige Energieform einstuft, die Finanzierung weiterer Reaktoren in Deutschland für unwahrscheinlich. "Die Frage, ob jetzt diese Energieform von der Taxonomie als nachhaltig bewertet werde, zieht nach meiner Einschätzung nicht zwangsläufig massive Investitionen in beispielsweise Atomkraft von privaten Investoren nach sich", so die Umweltministerin im phoenix-Interview. "Die werden sich trotzdem gut überlegen, ob sie in diese sehr teure, sehr riskante Technologie investieren wollen. Ohne massive Finanzströme aus dem privaten wie dem öffentlichen Sektor sehe ich nicht, dass neue Reaktoren finanzierbar sind." Die Bundesregierung arbeite indessen daran, "dass die Finanzströme in die erneuerbaren, in die wirklich nachhaltigen Energieformen gehen", so Lemke.
Die neuerliche Einstufung von Atomkraft und Erdgas als nachhaltige Energiequellen durch die EU-Kommission sieht die Grünen-Politikerin kritisch. "Ich halte das - was die Atomkraft anbetrifft - für grundfalsch und - was das Erdgas anbetrifft - für fragwürdig." Schließlich, so Lemke, bemesse sich die Nachhaltigkeit einer Energieform "einerseits aus Klimaschutzgründen, andererseits aus abfallrechtlichen, umweltschutzrechtlichen Gründen", die bei der Jahrtausende langen Lagerzeit von Atommüll nicht zu erfüllen seien.
Der Einschätzung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP), vorübergehend Erdgas als Brückentechnologie zu nutzen, stimmt Lemke zu. "Auch ich bin der Meinung, dass wir auf Erdgas kurzfristig nicht verzichten können, sondern dass es noch einen gewissen Zeitraum braucht, um Erdgas zu nutzen", so die Umweltministerin. Nachhaltig sei Erdgas perspektivisch dennoch nicht. "Ich bleibe bei meiner Einschätzung bei Erdgas, dass es fragwürdig ist und aus meiner Sicht nicht notwendig ist, darauf ein Nachhaltigkeitslabel zu kleben, weil wir wissen, dass wir perspektivisch auf Erdgas bis auf ganz wenige Anwendungen komplett verzichten müssen, um die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten."