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Die Welt vereint im Kampf gegen den Antisemitismus

Welt-Holocaust-Forum ruft zu Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus auf


Bei einer Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz haben am Donnerstag in Jerusalem mehr als 40 Staats- und Regierungschefs ein Zeichen zum Kampf gegen die weltweit erstarkende Feindseligkeit gegenüber Juden gesetzt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier richtete in seiner Ansprache eine Mahnung an die Deutschen: Ihnen komme die besondere Verpflichtung zu, gegen den Antisemitismus einzutreten. Israels Führung betonte den Selbstbehauptungswillen ihres Landes.

Steinmeiers Auftritt auf dem Welt-Holocaust-Forum war eine Premiere: Nie zuvor hatte ein deutscher Bundespräsident in Israels nationaler Gedenkstätte Yad Vashem gesprochen. "Ich wünschte, sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt", sagte Steinmeier. "Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten."

Mit der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland ging Steinmeier kritisch ins Gericht: "Ich wünschte, sagen zu können: Unser Erinnern hat uns gegen das Böse immun gemacht." Die Lage lasse dies aber nicht zu: "Die bösen Geister zeigen sich heute in neuem Gewand. Mehr noch: Sie präsentieren ihr antisemitisches, ihr völkisches, ihr autoritäres Denken als Antwort für die Zukunft, als neue Lösung für die Probleme unserer Zeit." 

Für Israel ist das Welt-Holocaust-Forum das größte Zusammentreffen von Staats- und Regierungschefs seit der Staatsgründung. Das Land misst ihm historische Bedeutung zu und wertet es als machtvolles Signal gegen den Antisemitismus. Zum Schutz der Großveranstaltung mobilisierte Israel 10.000 Polizisten - ein Drittel seines landesweiten Polizeipersonals. 

Viele Redner verbanden das Erinnern an die Verbrechen der Nationalsozialisten mit der Warnung vor den Bedrohungen von heute. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu rief zum Widerstand gegen den Iran auf, den er als "antisemitischsten Staat der Welt" bezeichnete. 

"Wir werden keinen weiteren Holocaust zulassen", sagte er. Die Lektion des Holocaust sei: "Wir nehmen die Bedrohungen derjenigen, die uns vernichten wollen, ernst."

Unterstützung bekam Netanjahu von US-Vizepräsident Mike Pence: Die Welt müsse sich "stark" zeigen gegenüber dem Iran, der Israel "von der Weltkarte verschwinden lassen" wolle. Den israelischen Gastgebern versicherte Pence, dass die Freundschaft der USA "in die Ewigkeit" reichen werde.

Überschattet wurde die Veranstaltung von der Absage von Polens Präsident Andrzej Duda. Er reiste aus Protest nicht an, weil er anders als Russlands Präsident Putin nicht als Redner vorgesehen war. Zwischen Polen und Russland gibt es derzeit diplomatische Spannungen wegen Putins Behauptung, Polen trage eine Mitschuld am Beginn des Zweiten Weltkrieges. Polen wirft ihm vor, die Geschichte im Widerspruch zu historischen Fakten umzudeuten. 

Putin ging in seiner Rede in Jerusalem nur nebenbei auf den Streit um die Geschichte ein. "Heute wird das Thema politisiert, das ist unmöglich", sagte er. Die Nazis hätten in den besetzten Ländern einheimische Kollaborateure gehabt - "Helfer der Nazis, die oftmals grausamer waren als die Nazis". Direkte Vorwürfe gegen Polen erhob Putin aber nicht. 

Mit Blick auf die aktuellen Krisen plädierte Putin für ein Gipfeltreffen der Staatschefs der ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder plädiert. Diese fünf Staaten - Russland, die USA, Frankreich, Großbritannien und China - hätten eine "besondere Verantwortung für die Rettung der Zivilisation" und spielten "eine große Rolle bei der Suche nach gemeinsamen Antworten auf gegenwärtige Herausforderungen".

Israels Präsident Reuven Rivlin rief dazu auf, politischen Streit über die Bewertung der Geschichte zu vermeiden: "Die historische Forschung sollte den Historikern überlassen werden."

Bundespräsident Steinmeier erneuerte in Yad Vashem das Bekenntnis zur Schuld der Deutschen am Holocaust und zeigte sich dankbar für seine Einladung. Vor den Teilnehmern des Forums bekannte er sich zur Verpflichtung Deutschlands, seiner "historische Verantwortung" gerecht zu werden: "Wir bekämpfen den Antisemitismus. Wir trotzen dem Gift des Nationalismus. Wir schützen jüdisches Leben. Wir stehen an der Seite Israels." Daran wolle und müsse sich das Deutschland von heute messen lassen.

pw/ck

Peter WÜTHERICH / © Agence France-Presse