"Ob sie im Gazastreifen, in Ostjerusalem oder im restlichen Westjordanland oder in Israel selbst leben: Die Palästinenser werden als minderwertige ethnische Gruppe behandelt und systematisch ihrer Rechte beraubt", erklärte Callamard. Die "grausame Politik der Segregation, Enteignung und Ausgrenzung Israels in allen Gebieten unter seiner Kontrolle" komme einem System der "Apartheid" gleich.
Amnesty verwende den Apartheidsbegriff in seinem völkerrechtlichen Sinne, betonte die Menschenrechtsorganisation. Eine Gleichsetzung der Situation der Palästinenser mit jener von Schwarzen im damaligen Apartheidstaat Südafrika sei damit nicht gemeint.
Auch innerhalb Israels und der Palästinensergebiete gebe es Unterschiede, räumte Callamard ein. So erlebten arabische Israelis "die Apartheid auf andere Weise" als etwa ein im Gazastreifen lebender Palästinenser, sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Das "Regime der Apartheid" bestehe aber hier wie dort. 20 Prozent der Einwohner Israels sind Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft.
Israel hatte gegen die Veröffentlichung des Amnesty-Berichts protestiert. Lapid erklärte, der Bericht sei "losgelöst von der Realität". Amnesty gründe seine Einstufung auf "von Terrororganisationen verbreitete Lügen". Israel sei "nicht perfekt, aber es ist eine Demokratie, die dem Völkerrecht verpflichtet ist und sich der Überprüfung dessen stellt".
Der Zentralrat der Juden in Deutschland prangerte den Bericht als "antisemitisch" an. Israel werde durch den Bericht "de facto das Existenzrecht abgesprochen". Während dem einzigen demokratischen Staat im Nahen Osten vorgeworfen werde, sein Rechtssystem und staatliches Handeln auf die Diskriminierung der Palästinenser auszurichten, würden die Hamas als "normale politische Partei dargestellt" und der "palästinensische Terror" völlig außer Acht gelassen. Zentralrats-Präsident Josef Schuster rief die deutsche Amnesty-Sektion auf, sich "von dem antisemitischen Bericht zu distanzieren".
Amnesty Deutschland versah die Veröffentlichung des Berichts auf seiner Website mit einer Zusatzbemerkung, in der auf die "besondere Verantwortung" der deutschen Amnesty-Sektion wegen des Holocaust hingewiesen wird. Da "im nationalen aktuellen wie historischen Kontext" eine "objektive, sachbezogene Debatte" über den Bericht "nur schwer möglich" sei und um "Missinterpretationen des Berichts" entgegenzuwirken, werde die deutsche Amnesty-Sektion zu dem Bericht keine Aktivitäten planen oder umsetzen.
Vor Amnesty hatten bereits andere Menschenrechtsorganisationen Israel "Apartheid" vorgeworfen, darunter Human Rights Watch und die israelische NGO B'Tselem. Der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder, erklärte angesichts des Amnesty-Berichts, die "vorurteilsbehafteten" Analysen dieser Menschenrechtsorganisationen würden Antisemitismus "unter dem Deckmantel der politischen Korrektheit befeuern".
Callamard wies die Vorwürfe zurück. "Eine Kritik an der Praxis des Staates Israel ist absolut keine Form von Antisemitismus", erklärte sie. Amnesty sei "gegen Antisemitismus, gegen jede Form von Rassismus".
Regierungen und NGOs weltweit, aber auch israelische Politiker und Organisationen kritisieren regelmäßig insbesondere die israelische Siedlungspolitik sowie Militäreinsätze im Westjordanland.
Im international aufsehenerregenden Todesfall des US-Palästinensers Omar Assad in Haft verkündete die israelische Armee derweil die Degradierung zweier Kommandeure. Assad war am 12. Januar in einer Zelle nördlich von Ramallah an einem Herzinfarkt gestorben. Die israelische Armee bezeichnete den Todesfall am Dienstag als "trauriges" Ereignis, das auch auf "moralisches Versagen" israelischer Soldaten zurückzuführen sei, die den Mann nicht ohne Überprüfung seiner Gesundheit hätten allein lassen dürfen. Im Zentrum des Wertverständnisses der israelischen Armee stehe die "Verpflichtung zum Schutz der Unantastbarkeit jedes Menschenlebens".
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