Der Gesundheitsminister konnte sich vorstellen, dass auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 16. Februar über Lockerungen diskutiert wird. Ob es tatsächlich zu Lockerungen kommt, "hängt davon ab, wie wir dann stehen."
Zum jetzigen Zeitpunkt ist Lauterbach strikt gegen Lockerungen: Er halte es "für verrückt", wenn bei Höchstzahlen von Infizierten die Maßnahmen gelockert würden. Der Minister fragte: "Was wäre in Deutschland, wenn wir vorgehen würden wie in England?" Seine Antwort: "Dann hätten wir pro Tag über den Daumen gepeilt vielleicht 300 Tote. Wir haben aber deutlich weniger, nämlich 60 bis 80." Mit den Maßnahmen "retten wir jeden Tag Leben", betonte Lauterbach.
Am Montagmorgen vermeldete das Robert-Koch-Institut (RKI) mit 1426,0 einen weiteren Rekord bei der Sieben-Tage-Inzidenz. Die Zahl der Neuinfektionen binnen 24 Stunden stieg auf 95.267 - gegenüber 78.318 vor einer Woche. Zudem gab es 49 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit der Coronavirus.
Unterstützung bekam Lauterbach von der Grünen-Obfrau im Gesundheitsausschuss, Saskia Weishaupt. "Wir haben die Verantwortung, die Gesundheit und das Leben aller Menschen zu schützen, dazu gehört auch, nicht einfach voreilige Öffnungen und Lockerungen anzukündigen", sagte die Grünen-Politikerin der "Augsburger Allgemeinen" (Montagsausgabe).
Sie sehe vor März wenig Möglichkeiten für Lockerungen, betonte Weishaupt. "Die Zahlen der Ungeimpften bei über 60-Jährigen sind zu hoch", betonte Weishaupt. "In dieser Gruppe zählen wir drei Millionen Ungeimpfte in Deutschland", fügt sie hinzu. "Besonders die Kinder und über 60-Jährigen sollten wir mit einer verfrühten Öffnungspolitik nicht gefährden - gleiches gilt für Menschen, die aufgrund von Vorerkrankungen sich nicht impfen lassen können", sagte sie der Zeitung.
"An der Frage, wie es nach dem 19. März mit den infektionsschutzrechtlichen Schutzmaßnahmen weitergehen soll, arbeiten wir gerade mit Hochdruck", erklärte die Koalitionspolitikerin. "Ich persönlich sehe gerade bei einzelnen Maßnahmen die Notwendigkeit, diese zu verlängern." Am 19. März läuft das Infektionsschutzgesetz aus, das die Grundlage von Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht und Nachweispflicht des Impfstatus bildet.
Weishaupt zufolge wünschen sich viele Bürger eine bessere Krisenkommunikation von der Politik. "Dazu gehört aber eben auch, keine falsche Hoffnung zu machen, die dann wieder zu Enttäuschung führt", betonte sie. Dies bedeute, dass derzeit noch nicht Öffnungen für Mitte Februar angekündigt werden könnten.
Der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, sagte hingegen, die Öffnungsdebatte komme nicht zu früh, sondern "genau richtig". "Wir müssen jetzt festlegen, was, wann und unter welchen Umständen geschieht", forderte er in der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe). "Dabei müssen wir aber höllisch aufpassen, dass manche Diskutanten nicht die abstrakte Debatte mit einer konkreten Handlungsanweisung verwechseln."
Mit Blick auf eine mögliche bundesweite Aufhebung der 2G-Regel im Einzelhandel forderte Montgomery eine bessere wissenschaftliche Datenlage, die dann bundesweit Anwendung finden müsse. "Entscheidend ist, wo die Infektionstreiber sind. Sind es nicht die Kontakte im Handel? Dann sollte 2G dort durch eine konsequente Maskenpflicht ersetzt werden", sagte er der Zeitung. "Wir brauchen mehr wissenschaftliche Evidenz, was wo geschieht. Aber diese sollten wir dann auch bundeseinheitlich und konsequent umsetzen. Nicht Hü in Brandenburg und Hott in Sachsen-Anhalt", betonte der Weltärzte-Chef.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sprach sich in der "Rheinischen Post" hingegen für einen regionalen Ansatz aus: "Wir haben ein sehr unterschiedliches Infektionsgeschehen. Schleswig-Holstein könnte sich fast schon dem dänischen Weg anschließen. Für Bayern und Sachsen kommt das zurzeit noch nicht in Frage. Wir müssen also regional abgestuft vorgehen."
England und Dänemark haben mittlerweile fast alle Corona-Maßnahmen abgeschafft. Dies hatte in Deutschland eine Öffnungsdebatte befeuert.
fml
© Agence France-Presse