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"Wladimir Putin fühlt sich umzingelt"

WWU-Podcast: Ukraine-Expertin Ricarda Vulpius über Putins Kalkül und die deutsche Verantwortung.

Mit Blick auf die militärische Stärke Russlands hält Dr. Ricarda Vulpius, Professorin für osteuropäische Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, die im Konflikt um die Ukraine von Russlands Präsidenten Wladimir Putin geforderten „Sicherheitsgarantien“ vor allem für einen Ausdruck psychologischer Unsicherheit.

„Putin hat ein Bedürfnis nach Anerkennung und Augenhöhe, er fühlt sich vom Süden bis in den Norden umzingelt“, betont die Expertin für russländische Imperiumsgeschichte und die Geschichte der Ukraine im WWU-Podcast. Aus seiner Sicht bestehe aktuell die Gefahr, die Ukraine als „ehemaligen Bestandteil der russischen Nation“ an die Nato zu verlieren. Putin verfolge daher die Strategie, Konflikte in ehemaligen sowjetischen Republiken zu schüren, um damit den Wunsch dieser heute souveränen Staaten wie Georgien und Ukraine nach einer NATO- und EU-Mitgliedschaft zu behindern. Hintergrund: Die NATO und die Europäische Union lehnen es ab, Staaten mit Grenz- oder Minderheiten-Konflikten aufzunehmen.

Anders als von Putin beabsichtigt, habe die völkerrechtswidrige Annexion der Krim im Jahr 2014 das Zusammengehörigkeitsgefühl der Ukrainer „dramatisch beschleunigt“. Die große Mehrheit der Bevölkerung sei stolz auf die Unabhängigkeit, nur wenige Menschen würden der einstigen Zugehörigkeit zum Zarenreich und der Sowjetunion nachtrauern. Ein großes Konfliktpotenzial zwischen Russland und Ukraine sieht die Historikerin zudem in der „Nationalisierung der Religion“. Der Streit über ein angemessenes Verhältnis gegenüber den drei orthodoxen Kirchen in der Ukraine, von denen eine dem Moskauer Patriarchen untersteht, sei „so brisant wie noch nie“.

In den aktuellen Bemühungen um eine diplomatische Lösung sieht Ricarda Vulpius die deutsche Regierung in einer besonderen Pflicht. „Es hat eine große Bedeutung, wie Deutschland sich verhält“, unterstreicht sie. Deutschland müsse sich von der Grundhaltung lösen, dass es im Hinblick auf den Zweiten Weltkrieg ausschließlich Russland gegenüber eine historische Schuld habe. „Wir müssen endlich erkennen, dass wir genauso der Ukraine gegenüber in der Verantwortung stehen.“


WWU Münster

Titelbild: Prof. Dr. Ricarda Vulpius/© WWU - Lukas Walbaum