Die Coronapandemie berührt nicht nur seit rund zwei Jahren das globale alltägliche Leben, sie rückt zudem die Wissenschaft und Forschung in den Mittelpunkt öffentlicher Debatten. Dabei geht es auch um die Frage nach dem Vertrauen in die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Eine Forschungsgruppe um Prof. Dr. Rainer Bromme, Psychologe an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster, kommt in einer Studie nun zu dem Schluss, dass die Wissenschaft den pandemiebedingten Stresstest für ihr Vertrauen bisher bestanden hat. „Die Gruppe, die der Wissenschaft misstraut, ist mit sieben bis acht Prozent der Befragten sehr gering. Und sie verzeichnete im bisherigen Verlauf der Pandemie keinen Zuwachs“, erklärt Rainer Bromme. „Der große Block der Unentschlossenen schmilzt ab, was die Gruppe derjenigen wachsen lässt, die der Wissenschaft vertrauen.“
Im September 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, gaben demnach 46 Prozent der Befragten an, der Wissenschaft zu vertrauen. Dieser Wert stieg kurz nach Beginn der Pandemie, im April 2020, auf 73 Prozent an – im November 2020 lag der Wert mit 61 Prozent noch immer deutlich über dem Vorkrisenniveau. Anders als einige Medienberichte vermuten lassen, sank dagegen die Zustimmung zu verschwörungstheoretischen und populistischen Annahmen über Wissenschaft im Laufe der Pandemie.
Die Autoren beschreiben seit Beginn der Pandemie einen deutlichen Anstieg sowie eine Stabilisierung des Vertrauens auf erhöhtem Niveau. Die Ergebnisse seien ermutigend für Wissenschaftler, da diese einen großen Vertrauensvorschuss genießen. Neben dieser Tatsache heben die Forscher hervor, dass ein Großteil der Befragten von der Politik eine Orientierung an den Erkenntnissen der Wissenschaft erwarte. Auch diese Erwartung habe mit Beginn der Pandemie deutlich zugenommen und ist seitdem anhaltend hoch. Laut Studie beeinflusst unter anderem der Grad der formalen Bildung das Vertrauen gegenüber der Wissenschaft – bei Personen mit höherer Schulbildung ist das Wissenschaftsvertrauen im Durchschnitt höher.
Im „Wissenschaftsbarometer“ wird gefragt, welche Annahmen über Wissenschaft zu Vertrauen und welche zu Misstrauen beitragen. In der Analyse kommen die Forscher jetzt zu dem Schluss, dass es sich dabei um ein asymmetrisches Verhältnis handelt. Denn während Vertrauen insbesondere durch Annahmen über Expertise, also fachliches Wissen und Können der Wissenschaftler, entstehe, speise sich Misstrauen aus Annahmen über die Absichten der Wissenschaftler. Werden unlautere, schlechte oder egoistische Absichten angenommen, stärkt das das Misstrauen. Daraus folgt, so Rainer Bromme, dass man einer populistischen, grundsätzlichen Ablehnung von etablierter Wissenschaft am ehesten jene Argumente entgegenstellen solle, „die Absichten, Interessen und Werte der Wissenschaftler betonen“ und die gleichzeitig die Absichten der Populisten aufdecken.
Außerdem sei es hilfreich, möglichst viel Wissen über die Pandemie gut verständlich zu vermitteln. Gleichzeitig müsse auf die Komplexität der Forschung hingewiesen werden. Denn die Ergebnisse der Studie zeigten auch, dass der Eindruck, man könne die Komplexität der Wissenschaft nicht verstehen, mit geringerem Wissenschaftsvertrauen einhergeht. Daher sei es wichtig, zu erklären, dass es sich tatsächlich oft um schwieriges Fachwissen handelt. Als weitere Mittel zur Erhaltung des Vertrauens empfehlen die Autoren der Wissenschaft, akademische Kontroversen aufzuzeigen und auf die Grenzen des jeweiligen Fachs hinzuweisen. Auch so könne populistischen Angriffen vorgebeugt werden.
Zur Studie
Zwar gibt es laut Rainer Bromme in Deutschland und im Ausland mehrere
Studien zum Zusammenhang von Wissenschaftsvertrauen und Coronapandemie.
In diesen Studien wird das Wissenschaftsvertrauen als einer von
mehreren Faktoren hinzugezogen, die das Verhalten der Bürger im Umgang
mit der Pandemie beeinflussen. In der jetzt vorgelegten Untersuchung
steht das Wissenschaftsvertrauen dagegen im Mittelpunkt. Die Forscher
suchten Antworten auf die Frage, ob der Anstieg des Vertrauens seit dem
Beginn der Pandemie eine nachhaltige Veränderung des Blicks der Bürger
auf die Wissenschaft erwarten lässt. Dafür griffen sie auf
Vergleichsdaten aus September 2019, also von vor der Pandemie, zurück.
Die Forscher verglichen diese Daten mit denen der Pandemiemonate April,
Mai und November 2020. Jeder der Datensätze der vier repräsentativen
Erhebungen basiert auf den Antworten von 940 bis 980 Probanden.
Das
bevölkerungsrepräsentative „Wissenschaftsbarometer“ wird seit 2014
regelmäßig, mindestens jährlich, von der Wissenschaft im Dialog gGmbH
erhoben. Neben Rainer Bromme waren an der Studie Niels Mede (Universität
Zürich), Eva Thomm (Universität Erfurt) sowie Bastian Kremer und
Ricarda Ziegler (beide Wissenschaft im Dialog, Berlin) beteiligt. Die
Studie ist in der Fachzeitschrift „PLOS ONE“ erschienen.
Originalpublikation:
Bromme, R., Mede, N., Thomm, E., Kremer, B., & Ziegler, R. (2022). An anchor in troubled times: Trust in science before and within theCOVID-19 pandemic. PLOS ONE. DOI: 10.1371/journal.pone.0262823
Universität Münster
Foto: Sen.-Prof. Dr. Rainer Bromme