sehr geehrter Herr Rektor Akkanat,
sehr geehrter Herr Präsident des Hochschulrates,
sehr geehrte Frau Professor Süssmuth, liebe Rita,
meine Damen und Herren,
es freut mich sehr, heute gemeinsam mit Ihnen allen den neuen Campus der Türkisch-Deutschen Universität zu eröffnen.
Der preußische Staatsmann und Gelehrte Wilhelm von Humboldt zeigte sich überzeugt: "Nichts auf Erden ist so wichtig, als die höchste Kraft und die vielseitigste Bildung der Individuen, und deshalb ist der wahren Moral erstes Gesetz: Bilde Dich selbst!"
Wer sich bilden will, dem bieten sich hier auf diesem modernen Campus hervorragende Möglichkeiten. Diese binationale Hochschule ist ein Ort umfassender Bildung. Wer hier studiert, erwirbt viel mehr als reine Fachkenntnisse. Hier begegnet man Menschen aus verschiedenen Kultur- und Sprachräumen. Hier kann man miteinander und voneinander lernen. Diese Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und offen füreinander zu sein, ist wesentliche Voraussetzung dafür, Verständnis und Vertrauen zu gewinnen. Das ist unabdingbar für ein gutes Miteinander – dafür, gemeinsam neue Ideen zu entwickeln und neue Wege des Fortschritts zu erkunden. Eine solche Offenheit bringt also nicht nur den Einzelnen voran, sondern auch unsere Gesellschaften.
Und so lernen und lehren die Studierenden und Lehrkräfte auch hier an der Türkisch-Deutschen Universität nicht nur für sich selbst, sondern sie bereichern auch die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Sie schaffen Vertrauen und beleben den Dialog in und zwischen unseren Zivilgesellschaften – einen Dialog, der auch für die Politik und die Regierungszusammenarbeit von großer Bedeutung ist.
Dialog wird seit jeher gerade auch in der Wissenschaft gepflegt. Das gilt auch für die deutsch-türkischen Wissenschaftsbeziehungen, die wahrlich nicht erst mit der Türkisch-Deutschen Universität geknüpft wurden, sondern eine sehr lange Geschichte haben. Diese Geschichte handelt nicht zuletzt von der überaus großzügigen Hilfe der Türkei für deutsche Wissenschaftler und Intellektuelle, die während des Nationalsozialismus aus Deutschland fliehen mussten.
Vor über 80 Jahren fanden deutsche Wissenschaftler und Künstler in der Türkei eine sichere Zuflucht und Wirkungsstätte. Zu den Exilanten gehörten unter anderem der Kommunalwissenschaftler und spätere Regierende Bürgermeister von Berlin Ernst Reuter, der Pathologe Philipp Schwartz, der die sogenannte "Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler im Ausland" gründete, oder der Architekt Bruno Taut, der Dekan an der Akademie der Künste hier in Istanbul wurde. Er entwarf zahlreiche Pläne für Lehrgebäude in der Türkei – unter anderem für die Universität Ankara. Auch heute noch gehen türkische Studierende in Bauwerken ein und aus, die Bruno Taut in den 30er Jahren entworfen hatte. Ihm wurde auch die Ehre zuteil, das Katafalk für Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk zu gestalten. Auch viele andere verfolgte deutsche Wissenschaftler konnten ihre Arbeit hier in der Türkei fortsetzen. Sie dankten es dem Land, indem sie sich auch um das türkische Bildungssystem verdient machten.
Die Türkei war aber nicht nur früher Zufluchtsort für verfolgte Menschen. Sie bietet auch heute Millionen syrischer Flüchtlinge Schutz und sichere Bleibe. Das ist eine Leistung, die gar nicht hoch genug geschätzt werden kann und Dank und Anerkennung verdient.
Für Flüchtlinge ist Bildung besonders kostbar, denn Bildung gibt Hoffnung auf eine bessere Zukunft – entweder für die Zeit nach der Rückkehr in die Heimat, in der sie am Wiederaufbau mitwirken können, oder aber über eine gute Integration in die Aufnahmegesellschaft. Auch hierbei leistet die Türkei sehr viel, auch mit deutscher und europäischer Unterstützung. So unterstützt Deutschland Flüchtlinge an Universitäten in der Türkei über mehrere Programme – zum Beispiel mit HOPES, dem Syrien-Programm an der Türkisch-Deutschen Universität oder der Deutschen Akademischen Flüchtlings-Initiative Albert Einstein.
Diese Angebote stehen beispielhaft dafür, dass Wissenschaft und Bildung wie jede Form menschlicher Entfaltung und produktiver Neugier von Menschlichkeit und Freiheit getragen und gefördert werden. Oder um es mit Worten Albert Einsteins auszudrücken: "Neugier ist ein verletzliches Pflänzchen, das nicht nur Anregung, sondern vor allem Freiheit braucht."
Im Grunde kann man es auf eine einfache Formel bringen: Je größer die wissenschaftliche Freiheit ist, umso größer ist auch der wissenschaftliche Ertrag. Die Wissenschaft muss die Freiheit haben, in neue Richtungen zu denken. Sie braucht kritischen Diskurs und geistige Offenheit, wenn sie Fortschritt vorantreiben soll.
Wie schwierig wissenschaftliches Arbeiten in stark eingeschränkten Freiheiten sein kann, habe ich selbst als Physikerin in der DDR erlebt. Als dann vor 30 Jahren die Berliner Mauer fiel, habe ich wie viele andere erfahren, dass mit neu gewonnenen Freiheiten auf einmal vieles möglich wurde, wovon wir vorher allenfalls geträumt hatten. Das Leben wurde damit für den Einzelnen nicht unbedingt einfacher, aber es bot einfach mehr Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln und sich beruflich wie gesellschaftlich zu entfalten.
Auch hier an diesem Ort konnte Realität werden, was am Anfang auch eher wie ein kühner Traum anmutete. Rita Süssmuth hat davon erzählt. Es hat vieler Anläufe bedurft. Ich habe zwischendurch manchmal gedacht: Das wird nie etwas. Aber die Türkisch-Deutsche Universität hat dann doch Form und Gestalt angenommen. 2013 konnte der erste Lehrbetrieb aufgenommen werden. Und heute weihen wir einen wirklich beeindruckenden Campus mit seinen neuen Hörsaal-, Labor-, Bibliotheks- und Fakultätsgebäuden ein. Mittelfristig sollen sich hier 5.000 Studierende auf ihre Zukunft vorbereiten können.
Deshalb möchte ich sagen: Die Türkisch-Deutsche Universität ist ein großartiges Beispiel der partnerschaftlichen deutsch-türkischen Zusammenarbeit. Dieser Campus steht für Weltoffenheit und Zukunftsoffenheit der Studierenden. Er steht für das Engagement der Lehrkräfte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er steht für die vielfältige Partnerschaft deutscher und türkischer Mitwirkender. Und er steht für eine Universitätsleitung, die darauf bedacht ist, die Stärken sowohl der deutschen als auch der türkischen Hochschultraditionen zusammenzuführen.
Deshalb möchte ich natürlich ganz besonders dem Rektor, Herrn Professor Halil Akkanat, danken, den Mitgliedern des deutschen Konsortiums und seiner Leitung, der Präsidentin, Frau Professor Rita Süssmuth, der Vizepräsidentin Dorothea Rüland sowie Herrn Professor Philipp Kunig und Herrn Professor Izzet Furgac.
Die Türkisch-Deutsche Universität ist ein Juwel in den Beziehungen unserer beiden Länder und ein Glück für unsere beiden Gesellschaften. Denn diese Universität ist nicht nur selbst das Ergebnis einer engen Kooperation, sondern sie wird die deutsch-türkische Partnerschaft auch weiter stärken und es vielen Frauen und Männern nach ihrem Studienabschluss ermöglichen, ihren Weg zu gehen und Verantwortung in Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung zu übernehmen. Hierfür wünsche ich allen Lehrenden und Studierenden viel Erfolg.
Ich freue mich sehr, dass ich an diesem Tag hier mit dabei sein kann. Herzlichen Dank.