Die tatsächliche Zahl aller in Deutschland eingetroffenen Ukraine-Flüchtlinge ist nicht bekannt. "Da keine Grenzkontrollen stattfinden, kann die Zahl der nach Deutschland eingereisten Kriegsflüchtlinge tatsächlich bereits wesentlich höher sein", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP.
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind seit Kriegsbeginn vor einer Woche rund eine Million Menschen aus der Ukraine geflohen. Der größte Teil befindet sich in Polen oder anderen Nachbarländern der Ukraine.
Viele der nach Deutschland einreisenden Ukrainer treffen in Berlin ein. Die Stadt stehe vor einer "historischen Herausforderung", schrieb die Senatsverwaltung für Integration am Donnerstag auf Twitter. Allein am Mittwoch seien 1700 neu eingetroffene Menschen untergebracht worden, 700 in der Hauptstadt und 1000 in anderen Bundesländern.
Faeser unterstrich erneut die große Solidarität in Deutschland. "Ich finde, die Hilfsbereitschaft der Kommunen, unserer Städte, unserer Länder sehr, sehr groß in diesen Tagen", sagte sie im Deutschlandfunk. "Dafür darf ich mich auch noch mal herzlich bedanken. Und ich bin sicher, dass sie auch damit gut umgehen können, wenn jetzt Geflüchtete vermehrt aus der Ukraine kommen."
Der Migrationsforscher Gerald Knaus beschrieb im TV-Sender Phoenix eine "unglaubliche Empathie von Island bis Moldawien, von Finnland bis Portugal". Menschen aus ganz Europa sähen die Bilder des Krieges und beurteilten sie gleich. "Diese Unterstützung der Bevölkerung, diese Zivilgesellschaft, die vortritt und sagt, wir wollen direkt helfen, ist besser als jeder Plan", sagte der Leiter der Denkfabrik Europäische Stabilitätsinitiative (ESI).
Die Geflüchteten aus der Ukraine erhalten hierzulande den sogenannten vorübergehenden Schutz von bis zu drei Jahren. Sie müssen nicht in Sammelunterkünften leben und können in Deutschland arbeiten. Grundlage ist eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2001, die erstmals aktiviert werden soll. Die EU-Innenminister beraten darüber bei ihrem Treffen am Donnerstag in Brüssel.
Faeser sagte dazu im Deutschlandfunk, es gehe jetzt darum, "dass wir schnell eine einheitliche europäische Lösung finden". Die Aktivierung der EU-Richtlinie erscheine ihr "sehr angemessen". Es gebe in dieser Frage "erstmals einen europäischen Schulterschluss zwischen allen Staaten, sich darauf zu verständigen", lobte Faeser.
Auch FDP-Fraktionsgeschäftsführer Stephan Thomae nannte die geplante Aktivierung der Richtlinie ein "wichtiges Zeichen europäischer Solidarität". Er regte zugleich an, dass die EU eine Taskforce "direkt vor die EU-Außengrenze" entsenden solle.
"Denn in diesem Grenzgebiet müssen die Menschen bei Minustemperaturen und nur mit dem nötigsten Hab und Gut ausgestattet teils bis zu 60 Stunden auf ihren Grenzübertritt warten", sagte Thomae AFP. "Eine Taskforce könnte dort humanitäre Auffangstationen einrichten, in denen Erste Hilfe geleistet sowie Nahrung, Kleidung und Decken verteilt werden."
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