Nach einem Urteil des Hamburger Oberverwaltungsgerichts zur Vollverschleierung einer Berufsschülerin hat Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) Änderungen im Schulgesetz ihres Landes angekündigt. Sie werde nun "zügig eine gesetzliche Grundlage für ein entsprechendes Verbot" von Gesichtsschleiern wie dem Nikab schaffen, teilte Eisenmann am Dienstag in Stuttgart mit.
Das Hamburger Oberverwaltungsgericht hatte am Montag im Fall einer 16-Jährigen entschieden, dass die Behörden ihr die Unterrichtsteilnahme in einem Nikab nicht verbieten können. Für derartige Eingriffe in die Religionsfreiheit seien eindeutige gesetzliche Regelungen im Schulgesetz erforderlich, die bislang in Hamburg nicht existierten.
Der rot-grüne Hamburger Senat kündigte unmittelbar nach dem Urteil an, das Schulgesetz der Hansestadt zu ändern, um eine Vollverschleierung verbieten zu können. Parallel dazu kündigte auch die schleswig-holsteinische Regierung aus CDU, FDP und Grünen an, ihr Schulgesetz entsprechend anzupassen. Schulgesetze sind in Deutschland Ländersache.
Eisenmann verwies in Stuttgart darauf, dass das Hamburger Urteil insgesamt deutlich mache, dass aus Gründen der Rechtssicherheit eine gesetzliche Grundlage für Verbote notwendig sei. Aus diesem Grund solle das Schulgesetz schnell angepasst werden - auch wenn es bundesweit nur "einzelne Fälle" von vollverschleierten Schülerinnen gebe.
Die Grünen, die in Baden-Württemberg als der größere Koalitionspartner mit der CDU regieren, lehnten eine Vollverschleierung in Schulen strikt ab. Diese sei ein "Unterdrückungsinstrument", erklärten die Landeschefs Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand. Mit Blick auf die daraus folgenden gesetzlichen Maßnahmen äußerten sich Vertreter der Partei zunächst jedoch zurückhaltender.
Detzer und Hildebrand sprachen am Dienstag in Stuttgart von einem "Nischenthema", die Zahl der Fälle liege "nahe null". Die Bildungsexpertin der Grünen-Fraktion im Landtag, Sandra Boser, unterstützte eine gesetzliche Regelung, wonach Schulen bei "konkreten Störungen des Schulfriedens" entsprechende Maßnahmen ergreifen könnten.
Zugleich mahnte Deuser mit Blick auf die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Schulgesetzes an, die grundgesetzlichen Vorgaben zur Gleichbehandlung der Religion einzuhalten. Sie verwies auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts. "Wir sehen keinesfalls bestimmte religiöse Kleidung als generelle, abstrakte Gefahr für den Schulfrieden an", erklärte sie am Dienstag.
In Deutschland wird seit längerem immer wieder über ein Verbot von Vollverschleierungen wie Burka oder Nikab debattiert. Neben den Forderungen nach einem generellen Verbot in der Öffentlichkeit geht es dabei um Regelungen für einzelne Teilbereiche wie Schulen, Hochschulen sowie Auftritte vor Gerichten oder Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst. Die gesetzlichen Regeln sind jeweils andere, die juristische Materie ist komplex.
Bereits heute ist es Bundesbeamten und Soldaten verboten, ihr Gesicht im Dienst zu verhüllen. Für Staatsbedienstete in den Ländern gelten unter anderem Neutralitätsgesetze. Bürgern ist es zudem nicht erlaubt, sich beim Autofahren zu verhüllen. Zudem müssen sie Schleier ablegen, wenn bei Behörden ihre Identität geprüft werden muss. Die Zahl der Frauen, die aus religiösen Gründen Vollverschleierung tragen, gilt dabei insgesamt als äußerst gering.
Innerhalb der schleswig-holsteinischen Landesregierung wird derzeit noch über Regelungen zur Vollverschleierung von Universitätsstudenten debattiert. Auslöser ist der Fall einer Studentin in Kiel. CDU und FDP wollen auch an Hochschulen ein Vollverschleierungsverbot, die Grünen nicht. Dies sei nicht "zielführend". Die Diskussionen laufen noch, die Regelungen für den Schulbereich sind davon aber nicht betroffen. Dort herrscht Einigkeit.
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