Münster - (SMS) - Rund 350 aus der Ukraine Geflüchtete hat die Stadt Münster bereits aufgenommen – trotz großer logistischer Herausforderungen. Dagmar Arnkens-Homann, Leiterin des Sozialamtes und federführend in der Organisation, nimmt Stellung.
Am Montag vor einer Woche tagte der städtische Krisenstab
zur Hilfe Geflüchteter erstmals. Was hat sich seit der Ankündigung, kurzfristig
500 Menschen unterbringen zu können, in Ihrem Amt getan?
Arnkens-Homann: An der Ankündigung hat sich nichts geändert. Wir können 500 Menschen unterbringen. Was sich in den vergangenen Tagen aber gezeigt hat: Aufgrund der unkoordinierten Transferfahrten läuft die zunächst erforderliche Aufnahme anders ab als beispielsweise 2015. Damals hatte das Land die Geflüchteten aufgenommen und dann auf die Kommunen verteilt. Wir hatten damals in Münster nicht nur mehr Wohnraum anzubieten, sondern aufgrund der koordinierten Verteilung auch mehrere Tage, teils mehr als eine Woche, Zeit, die Unterkünfte vorzubereiten. Unsere Mitarbeitenden sind dennoch aufopferungsvoll bei der Sache, damit wir diese besondere logistische Herausforderung auch bewältigen können.
Was ist denn der Unterschied zwischen Aufnahme und
Unterbringung?
Arnkens-Homann: In der Aufnahme werden die Menschen erst einmal grundversorgt, sie werden registriert, individuelle Bedarfe eruiert und danach wird dann alles für die Unterbringung vorbereitet. Zu klärende Fragen sind: Können Familien zusammen untergebracht werden? Wollen die Personen langfristig oder nur kurz in Münster bleiben? Werden sie abgeholt, sind sie krank? Benötigen sie finanzielle Unterstützung? Das sind bedeutende Schritte, die nicht sofort zu klären sind. Ganz wichtig: Die Unterbringung ist der Folgeschritt. Wir können wie angekündigt 500 Menschen unterbringen – nach der Aufnahme. Dies erfolgt zeitnah.
Das heißt: Unterkünfte stehen aktuell noch ausreichend zur Verfügung, einzig die akute Verteilung ist ein Problem?
Arnkens-Homann: Richtig, mit heutigem Stand haben wir noch freie Unterkünfte. Das kann und wird sich natürlich schnell ändern und ist abhängig von der Größe der Gruppen, die zu ungeklärten Zeiten an den unterschiedlichen Orten täglich ankommen. Die Reinigung aller zur Verfügung stehenden Unterkünfte erfolgt parallel oder ist bereits erfolgt. Von uns wird maximale Flexibilität gefordert – das leisten wir auch gerne, aber es können nicht alle Mitarbeitenden spontan und zeitgleich überall sein. Grundsätzlich gilt, und das bitte ich zu beachten: Wohnraum ist natürlich nicht unbegrenzt vorhanden. Wir kommen Schritt für Schritt voran. Wenn die Vollbelegung aber erreicht ist, sind im Notfall und im letzten Schritt möglicherweise auch unkonventionelle Lösungen wie 2015 erforderlich. Das gilt es zu vermeiden. Wir befinden uns daher mit verschiedenen Ämtern, Organisationen und der Bundeswehr über die Bereitstellung und Anmietung von Gebäuden im Austausch. Das trifft übrigens auch auf Anbieter von privatem Wohnraum zu, in den wir ja schon erfolgreich vermitteln konnten. Wir beobachten die Entwicklung ganz genau und versuchen, schnellstmöglich weitere Räume zur Unterbringung zu finden.
Wie kommen die Menschen denn nach Münster – und wie werden sie hier empfangen?
Arnkens-Homann: Sie kommen derzeit, wie schon erläutert, zumeist über private Transferdienste ohne vorherige Ankündigung nach Münster. Wenn jemand aus der Heimat flüchtet, gibt es keine vorgeschriebenen Zeiten und Wege, dann muss ohne Wenn und Aber Hilfe geleistet werden. In der akuten Situation wünschen wir uns aber dennoch von den Menschen, die selbstlos helfen und einfach losfahren, um Geflüchtete von einer Reise nach Münster zu überzeugen, eine frühzeitige Information. Also: Wer bringt wann wieviele Menschen in welcher familiären Situation und für welchen Zeitraum mit? Vieles ließe sich im Vorfeld schon klären, geschieht aber nicht. Dadurch - und durch plötzliche Absagen - entstehen Aufwände, die dann an anderer Stelle akut nicht geleistet werden können.
Nicht nur Menschen aus der Ukraine sind in dieser Woche in Münster untergebracht worden, auch Flüchtlinge anderer Nationalitäten. Können Sie die Situation einmal erläutern?
Arnkens-Homann: Wir nehmen keine Unterscheidung von Flüchtlingen vor, das heißt: Wir nehmen auch Personen ohne ukrainische Staatsbürgerschaft unabhängig von ihrer Nationalität auf, die sich vorher rechtmäßig in der Ukraine aufgehalten haben und die nicht in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückzukehren.
Die Stadt Münster erhält zahlreiche Hilfsangebote. Was davon können Sie wie nutzen?
Arnkens-Homann: Zu allererst: Wir benötigen keine Sachspenden, auch wenn dies von privater Initiative immer wieder gestreut wird und in der Folge gefüllte Kleidersäcke vor das Sozialamt oder die Einrichtungen gestellt werden. Dies bereitet uns aktuell jedoch mehr Probleme als dass es hilft. Sollte die Stadt wirklich an den Punkt kommen, dass sie Kleidung, Spielzeug oder Lebensmittel und andere Hilfsgüter benötigt, würden wir dazu informieren. Es ist fraglos immer wieder beeindruckend, wie sehr die Menschen auf die Hilfe der Münsteranerinnen und Münsteraner bauen können. Das macht uns stolz und beruhigt für den Fall des Falles, der hoffentlich nicht eintreten wird. Was jedoch auch immer wieder vorkommt: Anrufende teilen uns mit, dass sie Geflüchtete aus der Grenzregion abholen könnten – und fragen, wie wir das als Stadt entlohnen würden. Solche Angebote lehnen wir grundsätzlich ab.
Auch Corona ist ein Thema – wie begegnet die Stadt diesem Risiko?
Arnkens-Homann: Dazu muss man zunächst wissen, dass in der Ukraine nur rund ein Drittel der Bevölkerung als vollständig geimpft gilt. Wir versuchen also einerseits die nötigen Schutzmaßnahmen zu vermitteln, bieten andererseits aber auch die Möglichkeit zur Impfung an. Die Koordinierende Covid-Impfeinheit (KoCI) des Gesundheitsamtes fährt ohnehin regelmäßig verschiedene Flüchtlingsunterkünfte an. Kurzfristig wurde ein russischsprachiger Arzt gefunden, der uns hier unterstützt. Bei Infektionsfällen versuchen wir schnellstmöglich eine gesonderte Unterbringung zur Verfügung zu stellen, Testungen und Masken bieten wir ebenfalls an.
Was berichten die Flüchtlinge von ihrer Anreise?
Arnkens-Homann: Die meisten sind völlig erschöpft und wahnsinnig traurig, wollen auch nicht reden. Sie sind in Münster fern der Heimat, fern von ihren Angehörigen – oftmals auch sehr viel weiter entfernt, als sie es selbst erwartet hatten. Die meisten kannten Münster zuvor ja nicht einmal. Wir wollen die Geflüchteten nun erst einmal zur Ruhe kommen lassen. In den Unterkünften stehen ihnen Dolmetschende und ausgebildete Sozialkräfte zur Seite.
Stadt Münster
Titelbild: Die städtische Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete auf dem Gelände der ehemaligen Oxford-Kasernengelände. Foto: Stadt Münster.