Zur Frage eines Energieembargos gegen Russland sagte Scholz, die Auswirkungen der EU-Sanktionen auf die Europäer müssten "möglichst gering" sein. "Diesen Kurs wollen wir auch weiter verfolgen", fügte er hinzu.
Neben den USA hat auch Großbritannien bereits ein Energieembargo gegen Russland verhängt. Auch in der EU gibt es Rufe nach einer solchen Strafmaßnahme, weil Russland seinen Krieg in der Ukraine zum großen Teil über seine Erdgas- und Öllieferungen an Europa finanziert. In Deutschland werden in diesem Fall aber ein weiterer massiver Anstieg der Energiepreise sowie insgesamt Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit befürchtet.
Der lettische Regierungschef Krisjanis Karins rief die EU zu furchtlosen Schritten auf: "Wir sollten Energieimporte aus Russland stoppen, um (Präsident Wladimir) Putin an den Verhandlungstisch zu bringen", sagte Karins. Die Europäer müssten alles tun, "um Putin und seinen Neo-Imperialismus zu stoppen". Er äußerte die Hoffnung auf ein Umdenken Deutschlands, denn alle Sanktionen erfordern in der EU Einstimmigkeit.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte in Versailles, die EU sei an einem "Scheidepunkt". Die Europäer müssten ihre Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern wie Erdgas, Öl und Kohle beenden und erneuerbare Energien massiv ausbauen.
Der französische Staatschef und amtierende EU-Ratspräsident Emmanuel Macron hatte vor Beginn des Gipfels für ein "stärkeres und souveräneres" Europa plädiert. "Europa muss sich darum bemühen, vom russischen Gas unabhängig zu werden, seine eigene Verteidigung zu organisieren und die eigene Versorgung sicherzustellen, weil wir entdecken, dass unsere Demokratie und unsere Werte in Gefahr sind", sagte Macron nun in Versailles.
Im Entwurf der Erklärung von Versailles heißt es dazu, die 27 Mitgliedstaaten wollten die "Abhängigkeit von russischen Gas-, Öl- und Kohleimporten schrittweise abbauen". Die EU bezieht nach Brüsseler Angaben derzeit gut 40 Prozent ihres Erdgases aus Russland, Deutschland sogar 55 Prozent.
Macron forderte angesichts der langfristigen Folgen des Ukraine-Kriegs eine "europäische Investitionsstrategie". "Wir haben das mit dem Wiederaufbauplan 2020 begonnen", betonte Macron unter Anspielung auf den Corona-Hilfsfonds im Umfang von 750 Milliarden Euro. Aus dem Elysée-Palast hieß es dazu, die EU müsse prüfen, ob sie auch die Milliardenkosten für eine verstärkte Verteidigungsbereitschaft oder die Umstellung auf erneuerbare Energien über eine gemeinsame Schuldenaufnahme finanzieren könne.
Der Corona-Hilfsfonds war aus einem deutsch-französischen Kompromiss hervorgegangen. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuvor ihren Widerstand gegen eine gemeinsame Schuldenaufnahme der EU aufgegeben.
Mehrere EU-Gründerländer erteilten zudem der Forderung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach einer EU-Schnellmitgliedschaft eine Absage. "Es gibt kein Eilverfahren für die Mitgliedschaft. Das existiert nicht", sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel betonte: "Wir dürfen nicht den Ukrainern das Gefühl geben, dass jetzt alles von heute auf morgen gehen würde."
Polen, Slowenien und andere osteuropäische EU-Länder fordern dagegen eine klare Beitrittsperspektive für die Ukraine - und ein Signal an Georgien und Moldau, die sich ebenfalls von Russland bedroht fühlen und deshalb nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine den Beitritt beantragt hatten.
Macron, der am Vormittag noch gemeinsam mit Scholz mit Putin telefoniert hatte, verteidigte sein Beharren auf dem Kontakt zum russischen Präsidenten. Er wolle weiter alles tun, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Ein weiteres Gespräch im Dreierformat sei innerhalb von 48 Stunden geplant.
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