Es
ist halb vier als wir von einer Sirene geweckt werden: Luftalarm in
Lwiw. Das Team von Ärzte ohne Grenzen geht schnell in den Keller,
breitet Matratzen und Schlafsäcke aus. Ich versuche Ruhe zu finden – und
denke über diesen Text nach.
In meinem Kopf pocht ein Bild:
Am Abend bereiten sich drei Kolleg*innen auf die Weiterreise vor. Sie
fahren an einen anderen Ort in der Ukraine, weil sie dort dringender
gebraucht werden. Während sie letzte Vorbereitungen treffen, ist die
Stimmung weder angespannt noch hektisch. Ich erkenne Professionalität,
die sich aus viel Erfahrung ergibt.
Aber da ist noch etwas Anderes. Etwas,
das ich immer wieder in dieser Organisation erleben durfte:
Herzlichkeit und Zusammenhalt. Jeder und jede hier möchte, dass wir uns
alle gesund wiedersehen. Der erfahrene Chirurg, ein Notfallmediziner und
die Projektkoordinatorin werden umarmt und verabschiedet, in Gedanken
begleiten wir sie.
Kein Schlaf mehr in dieser Nacht: Denn mehr Bilder kommen auf. Ich denke an Tom, einen Logistiker aus einem anderen Team. Vor ein paar Tagen haben mein Freund und Kameramann Peter und ich ihn dabei begleitet, wie er eine mobile Klinik von Polen in die Ukraine brachte. Was Tom jetzt wohl macht? Meine Gedanken wandern zu meinen Kolleg*innen in Mariupol und den Menschen, denen sie in der schwer umkämpften Stadt medizinisch beistehen. Mir wird wieder einmal klar, wie wichtig es ist, dass Zivilist*innen zu jeder Zeit geschützt werden. Diejenigen, die gehen wollen, brauchen sichere Fluchtwege. Ebenso müssen die geschützt werden, die bleiben möchten oder nicht gehen können. Ihretwegen sind wir hier, ihretwegen bleiben wir.
Oliver Barth
Redakteur in der Ukraine
Ärzte ohne Grenzen
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