Trotz vehementer Forderungen aus der Bundespolitik hat Thüringens Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) am Donnerstag eine Neuwahl weiter abgelehnt. "Neuwahlen in dieser Situation würden nur zu einer Stärkung der Ränder weiter führen - das können Demokraten nicht wollen", sagte Kemmerich im ARD-"Morgenmagazin". Zugleich forderte er alle "demokratischen Parteien" im Erfurter Landtag auf, "die aufgepeitschte Lage" zu beruhigen.
Mit seiner Wahl zum Regierungschef habe er eine "sehr große Aufgabe übernommen", ergänzte Kemmerich. Er nehme die Spaltung wahr, die seine Wahl in der Gesellschaft auslöse und habe daher "durchaus unruhig" geschlafen. Er hoffe jetzt auf "Mitarbeit" aller demokratischen Parteien im Sinne "staatspolitischer Verantwortung".
Kemmerich betonte zugleich erneut, er wolle sich bei der Ausübung seines Amts nicht auf die AfD stützen. "Wir werden keine Regierungspolitik an der AfD ausrichten". Es werde mit dieser Partei "keinerlei Zusammenarbeit" geben. Die AfD habe "ihre Spielchen gemacht", sagte er mit Blick auf die Wahl vom Mittwoch.
Im Erfurter Landtag hatte sich Kemmerich überraschend im dritten Wahlgang gegen den bisherigen Amtsinhaber Bodo Ramelow von der Linken durchgesetzt. Unterstützt wurde er von CDU und AfD und erhielt bei der Abstimmung eine Stimme mehr als Ramelow. Damit kam in Deutschland erstmals ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD ins Amt. Zugleich scheiterte damit eine von Ramelow über Wochen vorbereitete rot-rot-grüne Minderheitsregierung.
Die Erfurter Vorgänge lösten bundesweit ein politisches Erdbeben aus. SPD, Linkspartei und Grüne kritisierten diese als historischen Tabubruch. CDU und CSU sprachen von einem schweren Fehler und forderten eine sofortige Neuwahl. Auch die große Koalition in Berlin wird davon belastet. Die SPD forderte einen Koalitionsausschuss, der am Samstag zusammenkommen soll.
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