Münster - (SMS) - Kann man die Depression sichtbar machen? Eine psychische Erkrankung in Bildern zeigen? Nora Klein (Erfurt) gelingt genau das. Ihr fotografisches Langzeitprojekt "Mal gut, mehr schlecht" präsentiert die Friedrich-Hundt-Gesellschaft (FHG) zur Förderung der künstlerischen Fotografie in Kooperation mit dem Stadtmuseum Münster – und zwar vom 22. März bis zum 11. September 2022 im Museum an der Salzstraße. Nora Kleins Aufnahmen geben sensible Einsichten in die Innenwelten der Depression. Und sie wirken gegen die Sprachlosigkeit, mit der die Gesellschaft dem Thema Depression noch immer begegnet.
"Du sitzt in deiner Wohnung, siehst die Dinge um dich
herum, dann wird das Licht immer weiter heruntergedimmt, du siehst immer
weniger, bis nichts mehr da ist: So ist die Depression." Das sagt eine an
Depression erkrankte Frau – eine von mehreren Betroffenen, die die
Dokumentarfotografin Nora Klein anderthalb Jahre lang vertrauensvoll begleitet hat.
Eine wachsende Anzahl von Menschen leidet unter der psychischen Erkrankung.
Laut Deutschland-Barometer Depression 2021 der Stiftung Deutsche
Depressionshilfe ist jeder fünfte Beschäftigte an Depression erkrankt, die
Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Situation nochmals verschärft. Die
unterschiedlich stark ausgeprägten Symptome bleiben für die Umwelt nicht selten
schwer begreifbar und rätselhaft.
Nora Klein fasziniert es, das kaum thematisierte, gesellschaftlich Versteckte, Abstrakte, Unaussprechliche und vermeintlich Schwere der Volkskrankheit Depression sichtbar zu machen. In ihrem fotografischen Langzeitprojekt "Mal gut, mehr schlecht." findet sie durch sensible Herangehensweise und nahen Kontakt zu ihren Protagonisten eine visuelle Ausdrucksform für die Gefühlswelt depressiver Menschen und macht eine unsichtbare Krankheit greifbar. Jenseits der Worte vermittelt sie, wie depressive Menschen die Erkrankung erleben. Entstanden sind feinsinnige Porträts wie auch abstrakte Bildwelten, die mit ihrer unmittelbaren und eindringlichen Qualität Einsichten in das Erleben der Depression geben.
Die Arbeiten des Projektes "Mal gut, mehr
schlecht" waren bereits im In- und Ausland in mehreren Einzel- und
Gruppenausstellungen zu sehen und wurden unter anderem in der Süddeutschen
Zeitung, in der ARD-Kultursendung "titel thesen temperamente" und im
Deutschlandfunk Kultur besprochen. Für die Präsentation im Stadtmuseum wurde
die Ausstellung, die Nora Klein gemeinsam mit dem Kunsthaus Erfurt konzipiert
hat, erweitert. Sie integriert neben zahlreichen gerahmten Fotografien auch
zwei meterhohe Wandbilder.
In einem eigenen Raum sehen Besucherinnen und Besucher auf großen Stellwänden Notizen und Zeichnungen von depressionserfahrenen Menschen. Eine besondere Bedeutung kommt der Farbgebung zu - insbesondere den Hell-Dunkel-Kontrasten. Die Betrachtenden sollen beim Gang durch die Ausstellung die Gemütsverfassungen von Depressionserkrankten ansatzweise nachvollziehen können.
Die FHG möchte mit der Ausstellung gerade in diesen Zeiten
die Aufmerksamkeit sowohl auf die Volkskrankrankheit Depression als auch auf
die künstlerische Auseinandersetzung damit lenken. Dies geschieht im Nachgang
zum 30-jährigen Bestehen der Gesellschaft, die 2021 aufgrund der Pandemie ihr
Ausstellungsprogramm nicht wie geplant verwirklichen konnte. 2021 verstarb nach
schwerer Krankheit der Fotograf, Mitbegründer und langjährige Vorsitzende der
FHG, Berthold Socha. Spenden im Gedenken an die Verdienste von Socha sind in
die Realisierung dieser großen Ausstellung eingeflossen.
Der renommierte Fachverlag für Kunst, Architektur und Fotografie Hatje Cantz hat das anspruchsvolle Fotoprojekt publiziert. Der umfangreiche Begleitband kann nur im Museumsshop erworben werden. Die Friedrich-Hundt-Gesellschaft e.V. bietet ein umfassendes Begleitprogramm zur Ausstellung.
Informationen zur Künstlerin: Nora Klein (geb. 1984) studierte Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover und der Danish School of Media and Journalism in Aarhus. Essayistische Langzeitprojekte, Portraits und Reportagen zu gesellschaftsrelevanten Themen bilden einen Schwerpunkt ihrer Arbeit.
Stadt Münster
Foto: Künstlerin Nora Klein im Ausstellungsraum. / Stadtmuseum Münster.