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Rede des Bundesministers Hubertus Heil

Wiedergabe der Rede zum Haushaltsgesetz 2022 vor dem Deutschen Bundestag am 25. März 2022 in Berlin

Frau Präsidentin, schön, dass Sie wieder da sind!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Putins Überfall auf die Ukraine zwingt uns in vielerlei Hinsicht zur Neuausrichtung unserer Politik. In den letzten vier Wochen haben wir als Bundesregierung schnell und entschlossen notwendige Entscheidungen getroffen. Aber ich sage auch: Putins Krieg kann und wird nicht dafür sorgen, dass wir unsere Haltung und unsere Werte aufgeben.

Die neue Bundesregierung steht dafür ein, dass wir eine starke und solidarische Gesellschaft sind und bleiben – nach innen und nach außen. Gerade jetzt kommt es darauf an, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu festigen. Gerade jetzt geht es darum, dass sich alle auf soziale Sicherheit in unserem Land verlassen können. Gerade jetzt geht es darum, dass wir besonders diejenigen nicht aus dem Blick verlieren, die es auch sonst, in anderen Zeiten nicht leicht haben. Wir werden in diesen schweren Zeiten die Werte unserer sozialen Demokratie nicht preisgeben. Das ist unsere feste Überzeugung.

Mit dieser Haltung müssen wir jetzt diese Krise meistern. Und das bedeutet: Wir müssen klare Prioritäten setzen. Ich sehe es als meine Aufgabe als Arbeits- und Sozialminister an, vor allen Dingen dafür zu sorgen, dass bei all dem, was wir tun, sozialer Ausgleich herrscht. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wo notwendig, werde ich für soziale Gerechtigkeit in meinem Amt auch streiten.

Drei Dinge gilt es jetzt anzupacken:

Erstens: Wir müssen dafür sorgen, dass auch in dieser neuen Wirtschaftskrise durch sichere Arbeitsplätze soziale Stabilität entsteht. Wir haben in der Pandemie den Arbeitsmarkt robust durch die Krise gebracht. Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Ich bin diesem Bundestag dankbar, dass wir es in den letzten Tagen geschafft haben, Kurzarbeitsregeln noch einmal anzupassen. Mein Ziel ist, den deutschen Arbeitsmarkt auch durch diese Krise robust zu bringen. Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen.

Zweitens: Es geht darum, die sozialen und die wirtschaftlichen Folgen abzufedern. Wir sehen heute massive Preissteigerungen. Nicht nur an der Zapfsäule, sondern bei Heizkosten, bei Stromkosten und auch bei Lebensmitteln. Wenn wir jetzt denen, die in Not sind, nicht helfen, dann verpassen wir unsere Aufgabe, dann wird es schnell kalt in unserem Land. Deshalb haben wir in den letzten Wochen Entlastungspakete auf den Weg gebracht, um Härten abzufedern – nicht mit der Gießkanne, sondern sozial ausgewogen: mit dem Heizkostenzuschuss, dem Kindersofortzuschlag, dem Zuschlag für Menschen in der Grundsicherung, der Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrages, mit der Abschaffung der EEG-Umlage. Vorgestern Nacht hat die Koalition noch einmal eine große Schippe draufgelegt: mit weiteren Entlastungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Selbstständige, mit einer Energiekostenpauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt beziehungsweise für Selbstständige als Abzug von der Steuer, mit dem Familienzuschuss in Höhe von 100 Euro für jedes Kind in Deutschland, mit der Verdoppelung der Einmalzahlung auf 200 Euro für erwachsene Leistungsberechtigte in den sozialen Grundsicherungssystemen und mit weiteren Maßnahmen zur Mobilität.

Ich sage, weil auch das ein Thema ist: Von vielen dieser Maßnahmen werden übrigens auch Rentnerinnen und Rentner profitieren. Der Zuschlag für Menschen in der Grundsicherung wird auch für Rentnerinnen und Rentner gezahlt, die in der Grundsicherung sind. Beim Heizkostenzuschuss sind 46 Prozent derjenigen, die davon profitieren werden, Rentnerinnen und Rentner. Von vielen anderen Dingen auch werden sie profitieren. Wir kümmern uns um die, die es schwer haben in dieser Zeit, und darauf kann sich jeder verlassen.

Diese Solidarität brauchen aber auch jene – und das ist mein dritter Punkt –, die jetzt als Geflüchtete bei uns Schutz suchen. Da geht es erst einmal um die akute Versorgung der Menschen. Hier leisten viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land Großartiges, als Ehrenamtliche und Hauptamtliche. Ich glaube, ich spreche im Namen des gesamten Hauses, wenn ich ihnen dafür einen herzlichen Dank sage.

Die Menschen, die vor Putins Krieg aus der Ukraine fliehen, brauchen sofortige humanitäre Hilfe, aber viele von ihnen brauchen auch eine dauerhafte Bleibeperspektive. Dafür müssen wir und werden wir einen schnellen Zugang zum Arbeitsmarkt schaffen. Sprach- und Integrationskurse haben wir geöffnet. Aber wir brauchen auch Schul- und Kitaplätze. Wir müssen einen Weg finden, um die Qualifikationen, die viele Menschen mit sich bringen, schnell anzuerkennen. Ich werde deshalb in der kommenden Woche Wirtschaft, Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, Bund und Länder an einen Tisch holen, um über Arbeitsmarktintegration zu sprechen. Alle müssen jetzt an einen Tisch, alle müssen jetzt an einem Strang ziehen. Ich will es noch einmal sagen: Es geht in erster Linie um humanitäre Hilfe, aber es geht auch darum, für die Menschen, die die Chance haben wollen, zu arbeiten, diese Möglichkeit auch zu schaffen.

Ich sage an dieser Stelle aber auch sehr deutlich: Wir dürfen es als Gesellschaft nicht zulassen, dass in dieser Situation die Not von Geflüchteten ausgenutzt wird und sie von Scharlatanen ausgebeutet werden. Deshalb die klare Ansage: Wir müssen und werden dafür sorgen, dass die Menschen, die so viel durchlitten haben, jetzt nicht Opfer von Abzocke oder Ausbeutung – auch nicht in der Arbeitswelt – werden.

Wir haben es in der Pandemie gesehen und erlebt: Unser Sozialstaat ist die tragende Säule für sozialen Zusammenhalt in unserem Land, für eine starke und widerstandsfähige Gesellschaft nach innen und nach außen. Deswegen sage ich ganz klar: Wir werden es nicht zulassen, dass diese Krise missbraucht wird, um den Sozialstaat zu schwächen. Ja, es ist richtig: Wir müssen und wir werden mehr in die Ausrüstung der Bundeswehr und in die äußere Sicherheit investieren – ich unterstütze das ausdrücklich –, aber wir müssen auch in die Menschen und in die soziale Sicherheit investieren. Es darf kein Entweder-oder geben. Wir brauchen beides: äußere Sicherheit sowie inneren und sozialen Frieden. Wir dürfen nicht Rente gegen Rüstung ausspielen in dieser Gesellschaft, und übrigens auch nicht Geflüchtete gegen Einheimische. Das ist das, was wir als widerstandsfähige Gesellschaft brauchen.

Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir andere Aufgaben nicht vernachlässigen. Wir werden den Mindestlohn zum 1. Oktober auf zwölf Euro erhöhen, damit diejenigen, die den Laden am Laufen halten, die hart arbeiten in dieser Gesellschaft, tatsächlich den Lohn bekommen, der ihnen auch zusteht. Deshalb ist es richtig, dass wir die Renten stabil halten, und zwar für alle Generationen. Deshalb ist es richtig, dass wir uns um das Thema Fachkräfte, um die Frage von Ausbildung und Qualifizierung kümmern, damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von heute auch die Chance haben, in Zeiten des Wandels die Arbeit von morgen zu machen. Deshalb ist es richtig, dass wir für mehr Respekt und mehr soziale Sicherheit sorgen, beispielsweise mit der Einführung der Kindergrundsicherung und des neuen Bürgergeldes.

Die Krise zu meistern und für sozialen Fortschritt zu sorgen, das ist der gemeinsame Anspruch von FDP, SPD, Bündnis 90 und den Grünen in der Ampelkoalition.

Ich kann Ihnen das auch ernsthaft nachweisen. Ich bin Bundesfinanzminister Christian Lindner sehr, sehr dankbar, dass er schon vor dem Koalitionsausschuss deutlich gemacht hat, dass wir beispielsweise weitere Zuschläge auf die Grundsicherung brauchen. Diese Koalition findet zusammen und tut das Richtige, und dafür bin ich Ihnen als FDP besonders dankbar. – Damit habe ich diesen Fehler nun ausgebügelt.

Ich will noch mal unterstreichen: Wir sind in ernsthaften Zeiten. Wir stehen vor sehr, sehr großen Herausforderungen. Wir müssen darauf achten, dass unsere Gesellschaft diese Krise widerstandsfähig übersteht. Übrigens müssen wir auch hinsichtlich der vielen Veränderungen, die nach dieser Krise stattfinden werden, Halt und Stabilität geben. Deshalb darf man wirtschaftlichen Erfolg, ökologische Vernunft und soziale Gerechtigkeit nicht gegeneinander ausspielen. Wir setzen auf digitalen Fortschritt. Wir setzen auf ökologischen Fortschritt. Aber das geht nur mit sozialem Fortschritt in Deutschland.

Dafür arbeiten wir. Herzlichen Dank.


Bulletin 39-1


Foto: Hubertus Heil_BMAS_Dominik Butzmann