Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei ein "grausamer Krieg mit schlimmen Zerstörungen", dem viele Ukrainerinnen und Ukrainer zum Opfer fielen, fügte der Kanzler hinzu. "Die Tötungen von Zivilisten sind Kriegsverbrechen, und die Verantwortung für diese Verbrechen trägt der russische Präsident", sagte Scholz.
Der Bahnhof von Kramatorsk im Donbass war am Freitagvormittag bombardiert worden, als sich zahlreiche ukrainische Flüchtende dort aufhielten. Mindestens 50 Menschen wurden dabei getötet. Der Bahnhof wird seit Tagen von tausenden Menschen für die Flucht Richtung Westen genutzt. Russland wies jegliche Verantwortung zurück und beschuldigte die Ukraine, den Angriff verübt zu haben.
Die Attacke auf Kramatorsk zeige, "wie tief die einst gepriesene Armee von (Präsident Wladimir) Putin gesunken ist", sagte Premierminister Johnson. Er kündigte die Lieferung weiterer Waffen im Umfang von 100 Millionen Pfund (120 Millionen Euro) an die Ukraine an. Großbritannien werde Starstreak-Flugabwehrraketen und 800 Panzerabwehrraketen liefern.
Die bislang beschlossenen Sanktionen gegen Russland bezeichnete Scholz als "hochwirksam". Die Sanktionen gegen die russische Finanzindustrie und Wirtschaft seien "ein außerordentlicher Vorgang, der in dieser Art und Weise gegen ein so großes Land bisher noch nicht unternommen worden ist".
Die EU hatte am Donnerstag ein fünftes Sanktionspaket auf den Weg gebracht, das auch ein Kohle-Embargo gegen Russland vorsieht. Ein Gas-Embargo lehnen innerhalb der EU besonders Deutschland und Österreich bislang ab und verweisen auf ihre Abhängigkeit von russischen Importen.
"Deutschland ist längst dabei, sich aus seinen Abhängigkeiten von diesen Importen zu befreien", sagte Scholz am Freitag. Es werde alles dafür getan, andere Lieferanten zu finden, und in die notwendige Infrastruktur etwa für Gas-Importe über die norddeutschen Küsten investiert. Die Bundesregierung werde mit "speziellen rechtlichen Maßnahmen" dafür sorgen, dass die Baumaßnahmen nicht an "rechtlichen Schwierigkeiten scheitern", kündigte Scholz an.
Die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge bezeichnete Scholz als "große Aufgabe" für alle Länder. Deutschland habe bislang "weit über 300.000" Menschen aufgenommen. "Wir alle wissen nicht, wie die Fluchtbewegung sich weiterentwickeln wird", sagte der Kanzler. Es sei unklar, ob die Familien wieder in die Ukraine zurückkehren oder die Männer, die derzeit noch dort kämpfen, ihnen folgen würden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell waren am Freitag in den Kiewer Vorort Butscha gereist. Dort waren nach ukrainischen Angaben nach dem Rückzug der russischen Armee zahlreiche Leichen von Zivilisten gefunden worden. Auf die Frage, ob auch Scholz nach Kiew reisen werde, antwortete der Kanzler, die Bundesregierung teile Reisepläne mit, "wenn wir losfahren".
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