Das Bundeskriminalamt (BKA) registriert pro Woche rund 200 Straftaten im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Die Delikte richteten sich "mehrheitlich gegen russischstämmige, aber auch gegen ukrainischstämmige Mitglieder unserer Gesellschaft", sagte BKA-Präsident Holger Münch dem Berliner "Tagesspiegel" vom Dienstag. Es handele sich "vorrangig um Delikte wie Bedrohungen, Beleidigungen oder Sachbeschädigungen". Die Zahlen seien in den vergangenen Wochen "stabil bis leicht rückläufig" gewesen.
Die weitere Entwicklung sei "schwer prognostizierbar und stark abhängig vom weiteren Verlauf des Krieges", sagte Münch weiter. Das BKA erhebe, erfasse und bewerte "sämtliche relevante Informationen aus den Ländern und den Bundesbehörden und führt diese zu einer Lagebewertung zusammen".
Mit Blick auf Hass und Hetze gegen Russen und Ukrainer im Internet sagte Münch: "In Bezug auf russisch- oder ukrainischstämmige Opfer hat der Polizeiliche Staatsschutz des BKA bislang nur vereinzelt Hasspostings festgestellt." Auch in der beim BKA angesiedelten Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) seien bislang nur wenige Meldungen mit Bezug zum Krieg in der Ukraine eingegangen.
"Allerdings sind die Eingänge in der ZMI aktuell kein geeigneter Indikator", schränkte Münch ein. "Die nach dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichteten Plattform-Anbieter übermitteln momentan wegen ihrer andauernden Klageverfahren keine Verdachtsmeldungen strafbarer Inhalte an das BKA." Online-Konzerne wie Facebook und Google klagen entsprechende Vorschriften im Netzwerkdurchsetzungsgesetz.
Das BKA nutze deshalb dezentrale Meldestrukturen, "die in den Ländern zur Bekämpfung von Hass und Hetze im Internet bereits bestehen", sagte Münch. Die Zahl der bearbeiteten Meldungen liege aktuell monatlich im mittleren dreistelligen Bereich. "Das reicht natürlich noch nicht, um dem Problem angemessen zu begegnen", sagte der BKA-Präsident. Er hofft nun auf eine EU-weite Lösung.
"Ein Europäischer Rechtsakt, der Digital Services Act, ist in Vorbereitung, der dann europaweit entsprechende Meldeverpflichtungen regeln wird", sagte Münch. "Hierauf bereiten wir uns gemeinsam mit den Polizeien der Länder und der Justiz vor und nutzen die Zeit, um die Arbeitsabläufe weiter zu optimieren."
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