In ihrem Schlussplädoyer im Prozess gegen den früheren Filmproduzenten Harvey Weinstein hat die Verteidigung einen Freispruch gefordert. Der 67-Jährige sei "unschuldig", sagte seine Anwältin Donna Rotunno am Donnerstag vor dem Gericht in Manhattan. Die Anklage habe ein "Parallel-Universium" aufgebaut, in dem der einstige Hollywood-Mogul aufstrebende Schauspielerinnen sexuell attackiert habe - aber keinerlei Beweise für eine Verurteilung geliefert. Am Freitag hält die Anklage ihr Schlussplädoyer, die Geschworenen-Jury soll ihre Beratungen am Dienstag beginnen.
Die zwölf Geschworenen müssten ungeachtet des öffentlichen Drucks eine "unpopuläre Entscheidung" treffen und Weinstein freisprechen, sagte Rotunno an die Jury gerichtet. Für eine Verurteilung müsse die Schuld des Angeklagten über jeden begründeten Zweifel hinaus feststehen. "Er war unschuldig, als er durch diese Tür gekommen ist. Er war unschuldig, als die Zeugenaussagen begonnen haben. Er ist jetzt, wo er hier sitzt, unschuldig."
Weinstein wird in dem Prozess vorgeworfen, 2013 die Schauspielerin Jessica Mann vergewaltigt und 2006 der früheren Produktionsassistentin Mimi Haleyi Oralsex aufgezwungen zu haben. Bei einer Verurteilung drohen dem Gründer des Miramax-Filmstudios lebenslange Haft. Weinstein hat alle Vorwürfe zurückgewiesen und spricht von einvernehmlichen sexuellen Begegnungen. Seine Anwältin Rotunno hat den Frauen vorgeworfen, Weinstein manipuliert zu haben, um ihre eigenen Karrieren zu fördern.
In dem von einem gewaltigen Medieninteresse verfolgten Verfahren sagten insgesamt sechs Frauen aus, sie seien von Weinstein sexuell attackiert worden. Die Staatsanwaltschaft wollte damit ein Muster sexueller Übergriffe durch den einst mächtigen Produzenten nachweisen.
Allerdings räumten sowohl Mann als auch Haleyi vor Gericht ein, dass sie nach den mutmaßlichen Angriffen mindestens ein Mal einvernehmlichen sexuellen Kontakt mit Weinstein hatten. Die 34-jährige Mann führte mit dem "Pulp Fiction"-Produzenten eine jahrelange Beziehung, die sie selbst als "erniedrigend" und "kompliziert" bezeichnete.
Weinsteins Verteidigung lud sieben Zeugen vor, um die Vorwürfe gegen den Gründer des Miramax-Filmstudios zu entkräften und die Glaubwürdigkeit der mutmaßlichen Opfer zu untergraben. So sagte eine Freundin Manns am Montag aus, die Schauspielerin habe Weinstein als "Seelenverwandten" bezeichnet und ihr gegenüber nie von einem sexuellen Angriff gesprochen. Anwältin Rotunno bezeichnete Mann als "Opfer des Staates", das von der Staatsanwaltschaft manipuliert worden sei.
Laut US-Verfassung müssen Angeklagte in einem Strafprozess nicht aussagen, um sich nicht selbst zu belasten. Nach den Worten von Weinsteins Anwalt Arthur Aidala wollte der frühere Filmproduzent vor Gericht unbedingt seine Sicht der Dinge schildern. Sein Verteidigerteam habe ihn jedoch davon überzeugt, dass seine Aussage unnötig sei, da die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beweisführung "kläglich gescheitert" sei.
Das Verfahren - ein Prüfstein für die weltweite #MeToo-Bewegung - hat gezeigt, wie schwierig die Aufarbeitung mutmaßlicher Sexualverbrechen in der Welt der Hollywood-Prominenz ist. Für eine Verurteilung müssen die zwölf Geschworenen einstimmig zu dem Schluss kommen, dass Weinstein schuldig ist.
Insgesamt werfen mehr als 80 Frauen, darunter eine Reihe bekannter Schauspielerinnen, Weinstein sexuelle Übergriffe vor. Die meisten Fälle sind aber verjährt. Das Bekanntwerden der Vorwürfe im Herbst 2017 hatte die weltweite #MeToo-Bewegung ausgelöst.
mkü/noe
© Agence France-Presse