Westfalen-Lippe - (lwl) - Zurzeit steht die chinesische Metropole Wuhan
wegen des Corona-Virus (Covid-19) unter Quarantäne. Um Seuchen aufzuhalten,
hatten Menschen bereits zu Zeiten der Pest schon ihre Städte abgeriegelt. Auch
wenn Corona- und Pestvirus in ihrem Gefährlichkeitsgrad nicht zu vergleichen
sind, geht der Mensch doch ähnlich mit sich rasch ausbreitenden Infektionskrankheiten
um. Stefan Leenen, Kurator der aktuellen Sonderausstellung "Pest!" im
LWL-Archäologiemuseum Herne, erklärt, wo Gemeinsamkeiten zwischen früher und
heute liegen.
Herr Leenen, welche Gegenmaßnahmen haben die Menschen denn zu Pestzeiten
ergriffen?
Um Seuchen abzuwenden, wurden die Menschen auch schon in früheren Zeiten
schnell aktiv: Sie machten die Stadttore dicht, führten Reisepässe und
Gesundheitszeugnisse ein, brachen Handelskontakte für den Zeitraum der Seuche
ab. Erkrankte wurden für längere Zeit isoliert, um sicher zu gehen, dass sie
danach nicht mehr infektiös sind. Sie kamen zum Beispiel in ein so genanntes
Pesthaus, das häufig vor den Toren der Stadt lag und manchmal sogar von einem
Wassergraben umgeben war. Radikalere Lösungen gab es in London, wo die
Infizierten in ihren Häusern eingesperrt wurden und eine Wache dafür sorgte,
dass sie das Haus erst verlassen durften, wenn sie sich als nicht infiziert
herausstellten. Die Städte hatten da viel mit Widerstand und heftigen
Beschwerden der Menschen zu kämpfen, viele flüchteten sich auch in Nachbarorte.
Spielten "Beziehungen" oder Geld auf der Flucht vor der Pest eine
Rolle?
Dass "Beziehungen" und Geld auf der Flucht vor der Pest dienlich sein
konnten, zeigt sich zum Beispiel anhand einiger Patrizierfamilien aus Nürnberg,
die bei Pestausbruch in ihrer Stadt im etwa 100 Kilometer entfernten Nördlingen
um Aufnahme baten - und sie gewährt bekamen. Später bedankten sich die
Nürnberger mit einem "Trinkstubenschild" aus Holz mit ihren Wappen,
das bei uns in der Ausstellung zu sehen ist. Einfache Handwerker hatten es da
schon schwieriger, sich eine Flucht zu leisten. Sie hatten keinen Landsitz, zu
dem sie sich aufmachen konnten, kein Geld für die Reise und ihre Werkstatt
konnten sie auch nicht einfach zurücklassen.
Wo gibt es Parallelen im Umgang mit den Infektionskrankheiten zwischen
früher und heute?
Die Quarantäne ist eine Maßnahme, die während der Pest eingeführt wurde und die
heute noch angewandt wird. Genau wie heute spielten aber zum Beispiel auch
damals medizinische Maßnahmen eine wichtige Rolle: So wird beispielsweise in
alten Rezeptbüchern eine Vielfalt an Pestpflanzen erwähnt, die zum Schutz vor
der Ansteckung oder zur Behandlung der Pestbeulen dienten. Heute ist das Niveau
einer Behandlung natürlich ein deutlich höheres als früher: Therapien und
Impfstoffe werden entwickelt, Betroffene werden unter Beachtung der
entsprechenden Hygienemaßnahmen behandelt. Das technische Niveau zeigt sich
auch in der Isoliertrage der Feuerwehr, die wir in der Ausstellung
präsentieren: Die Trage hat eine eigene Luftzufuhr für den infizierten
Patienten. Da es in Deutschland nicht viele von diesen Tragen gibt, darf sie
der Ausstellung bei akutem Notfall entnommen werden.
An der Pest starben Millionen Menschen, am Corona-Virus sind bisher mehr als tausend Menschen gestorben. Die Aufmerksamkeit, die eine neue Krankheit bekommt, ist jedoch sehr hoch. Ist das aus medizinhistorischer Sicht gerechtfertigt?
Ob das Echo in allen Medien weltweit gerechtfertigt ist, lässt sich schwer sagen. Sicher ist, dass man als neugieriger Mensch immer schnell die Ursache kennen möchte; so können auch mal Falschmeldungen oder wilde Verschwörungstheorien entstehen, die oft übertrieben sind. Sinnvoll finde ich es aber dennoch, vorsorglich für ausreichend Schutzmaßnahmen zu sorgen - besser mehr als zu wenig. Heute gibt es natürlich auch wesentlich bessere Vorsorgemaßnahmen als vor 500 Jahren: Zuverlässige Nachrichten über einen Ausbruch sind heute viel schneller weltweit unterwegs, aber natürlich auch der Erreger selbst.
Titelbild: Stefan Leenen kuratierte die Ausstellung "Pest!" (LWL/Kuhn).