Im Rahmen des Projekts „MünsterZukünfte 20 | 30 | 50“ finden regelmäßige Stadtforen statt. Bei diesen diskutiert eine breite Palette an Gästen untereinander und mit Münsteraner Bürgern über gesellschaftliche Herausforderungen wie Wohnraum und Digitalisierung. Am Donnerstagabend stand das Thema „stadtverträgliche Mobilität“ auf der Tagesordnung. Folglich waren neben externen Experten Vertreter aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Stadtgesellschaft und Verkehrsdienstleistung in den Saal der Stadtwerke geladen.
Zu Beginn begrüßte Oberbürgermeister Markus Lewe die zahlreichen Anwesenden. Er wies darauf hin, „dass Mobilität im wahrsten Sinne bewegt“. Damit behielt er recht: Wie sehr die Verkehrsdebatte von ihrem ‚Image‘ und also auch von Emotionen abhängt, sollte im Laufe des Abends mehrmals durchklingen.
Gleichzeitig nahm Lewe einige Hauptgedanken der Diskussion vorweg: Mobilität habe umweltfreundlich zu sein, jeder solle teilhaben können, innerstädtischer und zur Stadt hinführender Verkehr müssten aufeinander abgestimmt werden. Nach Lewes Rede ging das Mikrofon weiter an Frank Gäfgen, den Geschäftsführer Mobilität bei den Stadtwerken Münster. Dieser unterstrich, dass die Verkehrswende nur mithilfe eines breit gefächerten „Maßnahmen-Mix“ gedeihen könne. Zum Mix würden etwa Car Sharing, Mietmöglichkeiten für Fahrräder und die Umstellung auf E-Busse gehören.
Anstöße geben und Ausstöße verringern
Verkehrssysteme fressen Energie und sorgen für CO2-Emissionen. Daher blieben am Donnerstagabend auch Fragen zu Klimawandel und Umweltschutz nicht aus. Besonders, wenn man bedenkt, dass sich die Stadt Münster dem „Masterplan 100% Klimaschutz“ verschrieben hat.
Impulse in den Umweltfragen lieferten die eingeladenen Experten. Einer von ihnen war Dr. Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Canzler stellte einen beunruhigenden Fakt heraus: In den letzten 25 Jahren hat die Bundesrepublik zwar die CO2-Bilanz auf Gebieten wie Wohnen und Industrie merklich bessern können – nur beim Verkehr sind die Ausstoßwerte gleich hoch geblieben.
Die Fortschritte, etwa bei der Energieeffizienz, würden schlicht und einfach neutralisiert: durch zunehmenden Verkehr, durch immer mehr PKWs. Außerdem, so Canzler, lasse sich eine ‚Aufprotzung‘ der Autos beobachten. Extrabreite Modelle wie die angesagten SUVs nähmen zugleich mehr Platz weg. Damit der Stadtraum wieder Fahrradfahrern und Fußgängern gehört, müsse man Parkausweise teurer machen und Parkflächen verringern.
Ein weiterer Nachteil des Wettrüstens bei den Karosserien: Ungeheure Rohstoffmengen werden verschlungen. Dieser Punkt bereitete Merle Groneweg von PowerShift e.V. große Sorgen. Denn, so lautete Gronewegs Botschaft, der hohe Verbrauch an Ressourcen verschärfe die globale Ungerechtigkeit.
Gerade Lithium, Kobalt und Nickel – die beim Bau von Akkus für E-Autos nötig sind – seien hier unrühmliche Paradebeispiele. Wo man diese Rohstoffe abbaut, im globalen Süden, würden Arbeiter ausgebeutet und die Umwelt rücksichtslos zerstört. Groneweg appellierte daher an die Anwesenden, Verantwortung zu übernehmen und etwa zu prüfen, ob auf Lieferketten die Menschenrechte konsequent eingehalten werden.
Maßgeschneiderte Mobilität
In der weiteren Diskussion kam das Schlagwort „intermodaler Verkehr“ auf. Gemeint ist die Idee, dass verschiedene Transportmöglichkeiten nahtlos aneinander anknüpfen. Man lässt beispielsweise sein Auto außerhalb der Stadt stehen, nimmt den Bus in Richtung Ortskern und steigt später etwa auf ein Leihrad um.
Schnell wurde deutlich, was den meisten Anwesenden am Herzen lag: Alternativen zum PKW zu stärken. Als springender Punkt kristallisierten sich die Pendler heraus. Im Idealfall sollten diese ihr Auto vor den Toren der Stadt parken und mit Bussen zum Arbeitsplatz gelangen können. Oder gleich mit dem Fahrrad die neuen Velorouten nutzen.
Ebenso fiel im Laufe der Diskussion häufig das Stichwort des „On Demand“-Verkehrs, womit Transportmittel auf Abruf bezeichnet werden. In Zeiten der Digitalisierung ließe sich das am besten über eine App lösen. Aus dem Publikum kam der Wunsch nach einer zentralen Mobilitätsplattform: Das würde helfen, alle Transport-Angebote auf einen Blick zu haben.
Gleichzeitig müsse diese digitale Lösung möglichst einfach gestaltet sein. Nur so könne gewährleistest werden, dass das System für jeden zugänglich ist. Auch in anderen Hinsichten war man sich des Zugang-Problems bewusst: So kamen Forderungen auf, für einen barrierefreien Verkehr zu sorgen, damit dieser auch den Menschen mit Behinderung offensteht. Und ebenso dürfe es keine sozialen Schranken geben – wenn etwa saftige Parkgebühren und andere ‚Abschreckmittel‘ nur die Ärmeren aus der Stadt aussperren.
Wer kann etwas bewegen?
Aus den Reihen der Verkehrsträger wurde ein kritischer Punkt vorgebracht: Zwar habe der Rat der Stadt schon richtungsweisende Beschlüsse verabschiedet, und auch im die im Forum vorgebrachten Ideen klängen vielversprechend. Doch es mangele in Münster an Personen mit der erforderlichen Umsetzungskompetenz. Hier müsse dringend nachgebessert werden.
Die Frage nach der praktischen Umsetzung kam auch während des Vortrags von Prof. Stefanie Anna Bremer auf. Diese stellte den „Masterplan Mobilität Münster 2035+“ vor. Durch den Masterplan sollen bis September 2022 die geeignetsten Maßnahmen für die Verkehrswende feststehen; im September 2021 können sich hierzu außerdem die Münsteraner bei einer Ideenmeisterschaft beteiligen. Wenn ein solcher Plan entwickelt wird, schließe das aber nicht aus, dass parallel schon Maßnahmen ergriffen werden, so Bremer.
Das Schlusswort lag bei Stadtbaurat Robin Denstorff. Er verwies auf eine Vielzahl an Projekten, die bereits umgesetzt würden. Gleichzeitig sei es wichtig, diese alle in einem „integrierten Gesamtverkehrskonzept“ zu koordinieren. Denstorff hob außerdem die große Einigkeit bei den Hauptfragen hervor, die im Laufe des Abends erkennbar geworden sei. Das stimme optimistisch für die Zukunft.
Titelbild: Prof. Klaus Selle (im Bild) war neben Prof. Kunibert Wachten einer der Moderatoren, die durch den Abend führten (© Stadt Münster)