Während Macron am Mittwochmorgen noch eine Kabinettsitzung leitete - vermutlich die letzte in dieser Zusammenstellung - hatte sich Le Pen zurückgezogen, um die Debatte vorzubereiten. Vor fünf Jahren war sie sichtlich schlecht vorbereitet und übermüdet in das Duell gegangen; Macron hatte sie mehrfach auflaufen lassen.
Dieses Mal dürfte sie sich bemühen, Regierungskompetenz auszustrahlen und nicht allzu aggressiv zu wirken. Sie wird Macron vermutlich wegen seiner von vielen als kaltherzig empfundenen Haltung während der sozialen Proteste der Gelbwesten angreifen. "Macron setzt auf Schimpftiraden und spielt mit der Angst der Menschen", sagte Le Pen in einem am Dienstag veröffentlichten Video.
Macron dürfte seinerseits versuchen, weniger abgehoben zu erscheinen als in der Debatte 2017. Er wird Le Pen voraussichtlich ihre Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin und ihre europafeindliche Haltung vorwerfen. "Das Programm von Le Pen ist schlecht zu verstehen, es ändert sich ständig", sagte Macrons Premierminister Jean Castex am Dienstag dem Sender France Inter.
Beide Kandidaten werben um die Wähler des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der in der ersten Runde mit 22 Prozent auf den dritten Platz gekommen war. Er ruft dazu auf, "keine Stimme für Le Pen" abzugeben, aber verzichtet darauf, Macron zu unterstützen. Mélenchon hofft auf ein gutes Ergebnis seiner Partei bei der Parlamentswahl im Juni und hat sich bereits als Premierminister ins Gespräch gebracht.
Für die letzten beiden Tage des Wahlkampfs plant Le Pen noch mehrere Treffen im Norden des Landes, wo sie in der ersten Runde gut abgeschnitten hat. Macron hingegen wird seinen Wahlkampf im südfranzösischen Nizza beschließen.
Am Freitag um Mitternacht beginnt die politische Funkstille, in der weder Umfragen noch Interviews erlaubt sind. Die Wahllokale sind am Sonntag von 8.00 bis 19.00 Uhr geöffnet, in Großstädten auch bis 20.00 Uhr. Erste Hochrechnungen werden um 20.00 Uhr veröffentlicht.
kol/ju
© Agence France-Presse