Nach dem Bekanntwerden der Übernahme von Twitter durch Elon Musk mahnen die EU und die Zivilgesellschaft den Milliardär zum entschlossenen Kampf gegen Hass und Hetze. Twitter müsse sich unter dem neuen Eigentümer "vollständig an die europäischen Regeln anpassen", sagte EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton am Dienstag gegenüber AFP. Dies gelte etwa beim Kampf gegen Online-Mobbing, Kinderpornographie oder Aufrufen zu Anschlägen. Aktivisten gegen Rechtsextremismus forderten von Musk ein konsequentes Vorgehen gegen Hassbotschaften.
Musk hatte am Montag erklärt, er wolle Twitter "besser machen als jemals zuvor". Dazu wolle er neue Funktionen anbieten, die Algorithmen des Kurzbotschaftendienstes öffentlich machen, um "Vertrauen zu vergrößern", sogenannte Spam-Bots "besiegen" und "alle Menschen authentifizieren". "Die freie Meinungsäußerung ist das Fundament einer funktionierenden Demokratie", erklärte der Unternehmer, der Twitter immer wieder vorgeworfen hatte, die Meinungsfreiheit einzuschränken.
Kritiker befürchten, dass er nun die Moderation von Inhalten - etwa im Kampf gegen Hassbotschaften und die Verbreitung von Falschinformationen - einschränken könnte. Am Wochenende hatten sich die EU-Institutionen auf den sogenannten Digital Services Act (DSA) geeinigt, der Onlineplattformen stärker in die Pflicht nimmt. Breton betonte, bisher gebe es keine vergleichbaren Regeln in den USA. In Europa sei dies aber bald die "neue Realität", der sich auch Musk unterwerfen müsse.
Die neue Verordnung verpflichtet große Internetkonzerne, illegale Inhalte "unverzüglich" zu entfernen, sobald eine Plattform davon Kenntnis erhält. Die neuen Regeln sollen kommendes Jahr in der EU in Kraft treten, wenn das Europaparlament und die EU-Staaten sie förmlich besiegelt haben.
Der Sprecher des britischen Premierminister Boris Johnson erinnerte Twitter an die Verantwortung, seine Nutzerinnen und Nutzer vor Hass im Netz zu beschützen, "egal, wer der Eigentümer ist". Zwar sei es noch zu früh, um etwaige Veränderungen bei dem Unternehmen einzuschätzen. Twitter bleibe aber ein "vielgenutztes Instrument" der Politik weltweit.
Die gegen Rechtsextremismus engagierte Amadeu-Antonio-Stiftung forderte ebenfalls ein konsequentes Handeln gegen Hetze. "Rechtsextreme Hatespeech ist nach wie vor ein Riesenproblem auf Twitter", sagte ein Sprecher der Stiftung den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Wenn Herr Musk dem etwas entgegensetzen will, muss er die Transparenz und Zugänglichkeit der Meldewege verbessern und insgesamt einfach viel restriktiver gegen alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vorgehen."
Die Gewerkschaft Verdi nannte die anstehende Übernahme von Twitter durch Musk "sehr besorgniserregend"; sie fürchtet "Hass und Desinformation unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit". Nutzerinnen und Nutzer, die besonders häufig Ziel von Hass und Hetze würden, "könnten sich von Twitter zurückziehen", warnte Verdi. Die Regulierung "eines der bedeutendsten weltweiten Diskursräume" dürfe nicht den "kapitalistischen und möglicherweise grundrechtsfeindlichen Partikularinteressen eines Einzelnen überlassen werden".
Musk kauft Twitter für rund 44 Milliarden Dollar (knapp 41 Milliarden Euro) auf. Der Gründer des Elektroautobauers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX wird 54,20 Dollar pro Twitter-Aktie zahlen. In der Folge soll das Unternehmen von der Börse genommen werden, dort ist es seit Ende 2013 gelistet. Vergangene Woche hatte der Verwaltungsrat von Twitter noch versucht, eine Übernahme zu verhindern. Er gab seinen Widerstand auf und gab eine "endgültige Vereinbarung" für eine Übernahme bekannt. Dies sei "der beste Weg nach vorne für die Aktionäre von Twitter".
Anleger hegen die Hoffnung, dass Musk Twitter zu einem profitablen Wachstum verhelfen kann. In den vergangenen Jahren enttäuschte das Unternehmen immer wieder mit seinen Nutzer- und Umsatzahlen, vergangenes Jahr vermeldete es einen Verlust von 221 Millionen Dollar.
hcy/ilo
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