Bulletin 51-3
"Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Der russische Präsident Putin hat mit seinem Überfall auf die Ukraine die Friedensordnung in Europa zertrümmert. Gewissheiten und Vereinbarungen, auf denen das freie und friedliche Leben von Millionen Menschen in Europa aufgebaut war, sind zerstört. Heute kämpfen 40 Millionen Ukrainer um ihr Leben. Dieses Land kämpft um die Existenz.
Gefallene und Ermordete zeigen uns, was auf dem Spiel steht, sollte Putin diesen Krieg gewinnen. Niemand weiß, was dann das nächste Ziel wäre. Und wer mit Menschen an der Ostflanke der Nato spricht, der kann spüren, welche Sorgen da bestehen, dass sie die Nächsten wären, die überfallen werden und die dann nicht standhalten können. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir sind dazu aufgefordert, sowohl unseren Verbündeten, unseren Alliierten, beizustehen, aber auch dafür zu sorgen, dass wir hier in Deutschland sicher leben können.
Auf diesen brutalen Angriffskrieg hat die Bundesregierung mit großer Entschlossenheit, aber eben auch mit Besonnenheit reagiert. Und es ist das Gebot der Stunde, entschlossen, aber eben auch besonnen zu sein, damit diese furchtbare Situation, dieser furchtbare Krieg nicht eskaliert. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes schuldig. Und wer sich ernsthaft umhört, der bekommt genau das gesagt: Bitte achtet darauf, dass dieser Krieg kein dritter Weltkrieg wird. Bitte sorgt dafür, dass es nicht zu einer Eskalation kommt. Genauso werden wir auch in Zukunft in der Bundesregierung handeln.
Auf diese veränderte Situation haben wir durch Waffenlieferungen in die Ukraine reagiert; aber wir müssen auch hier in Deutschland darauf reagieren, und zwar indem wir unsere eigene Wehrhaftigkeit stärken. Diese Zeitenwende, die mittlerweile international ein Begriff ist, muss mit Leben gefüllt werden. Sie darf nicht nur ein Begriff sein, und deswegen ist es so wichtig, dass mit diesem von Olaf Scholz, vom Bundeskanzler angekündigten Sondervermögen unsere Bundeswehr endlich so ausgestattet wird, dass sie ihre Aufgabe erfüllen kann, die Landes- und Bündnisverteidigung auch zu gewährleisten. Das ist über Jahre hinweg zusammengespart worden, sodass Inspekteure der Bundeswehr darüber reden, dass wir blank sind – das mag zugespitzt sein; aber den Kern trifft das. Und damit muss endlich Schluss sein!
Diese 100 Milliarden werden dringend gebraucht, und sie werden nicht alleine für Aufrüstung gebraucht. Nein, sie werden auch für andere Dinge gebraucht: dafür, dass wir endlich dafür sorgen können, dass unsere Soldatinnen und Soldaten die Schutzausrüstung haben, die sie brauchen. Gehen Sie doch mal hin zu der Truppe! Sprechen Sie doch mal mit Soldatinnen und Soldaten! Dann bekommen Sie erzählt, was alles fehlt. Deswegen: Es geht nicht nur um Aufrüstung; es geht auch um Ausrüstung. Es geht darum, dass dieses geschehen kann, dass in langfristigen Großprojekten gekauft und angeschafft wird, genauso wie Munition und vieles andere mehr.
Ich will Ihnen mal einige Beispiele nennen, woran man diese riesige Lücke erkennen kann zwischen dem, was auf dem Papier für die Bundeswehr steht, und dem, was wir tatsächlich zur Verfügung haben. Wir haben zum Beispiel auf dem Papier 350 Schützenpanzer Puma. Davon sind 150 tatsächlich einsatzbereit. 150 sind nur einsatzbereit, weil die entsprechenden Möglichkeiten nicht gegeben sind, um sie beispielsweise instand zu setzen, wenn das erforderlich ist. Beim Kampfhubschrauber Tiger sieht es nicht anders aus:
Und bei der Munition, die wir dringend brauchen, um unserer Verantwortung in der Nato nachkommen zu können, müssen 20 Milliarden eingesetzt werden. Das ist erforderlich, und das können wir über dieses Sondervermögen gewährleisten. Dann werden wir auch die Zwei-Prozent-Quote der Nato erfüllen können.
Davon wird einiges aus dem Haushalt erfüllt. Ich habe aber auch die Möglichkeit, über dieses Sondervermögen dringend notwendige Anschaffungen vorzunehmen und das Geld, das im Haushalt vorgesehen ist, dann beispielsweise für diese Ausrüstung einzusetzen, so wie wir es jetzt auch ganz aktuell gemacht haben.
Da will ich recht herzlich Danke denjenigen sagen, die im Haushaltsausschuss und im Verteidigungsausschuss so flexibel waren, obwohl wir ja noch immer in einer vorläufigen Haushaltsführung sind, dass es schnell gelungen ist, 2,4 Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, um den Kauf dieser Schutzausrüstung endlich möglich zu machen. Das war geplant für 2031, weil man nicht das Geld zur Verfügung hatte – 2031! So lange sollten die Soldatinnen und Soldaten darauf warten, endlich diese Schutzausrüstung zu haben. Jetzt ist es gelungen, auch weil wir diese Perspektive haben, schnell zuzugreifen und dafür zu sorgen, dass das gewährleistet ist.
Diese Zeitenwende, über die mit diesem großen Anspruch auch zu Recht so geredet wird, hat auch dazu geführt, dass wir viel ernsthafter endlich über Militär, endlich über Verteidigung, endlich über Sicherheitsfragen sprechen. Genau diese Ernsthaftigkeit brauchen wir auch, wenn es jetzt um das Sondervermögen von 100 Milliarden geht.
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie genau diese Ernsthaftigkeit in dieser Woche an den Tag legen und dem gemeinsamen Antrag der Ampelkoalition jetzt doch zustimmen. Genau diese Ernsthaftigkeit brauchen wir jetzt auch bei den Beratungen, wenn es um das Sondervermögen geht. Es geht nicht, einfach aus parteitaktischen Spielchen zu sagen: Es dürfen da nur fünf oder nur sieben zustimmen. Ich weiß doch, dass bei Ihnen, in den Reihen der Union, fast alle Abgeordneten ohne Wenn und Aber hinter der Bundeswehr stehen. Zeigen Sie das auch, indem Sie dieser Möglichkeit über das Sondervermögen zustimmen! Vielen Dank."
Die Bundesregierung
Bild: Christine Lambrecht/Thomas Koehler/Photothek