Die deutsche Wirtschaft ist im ersten Quartal knapp einer Rezession entkommen: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte trotz der schon spürbaren Auswirkungen des Ukraine-Kriegs noch um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Die Statistiker verwiesen aber zugleich auf die mit der Prognose behafteten "größeren Unsicherheiten als sonst üblich" wegen der Doppelbelastung durch die anhaltende Pandemie und den Krieg.
Die Schätzung von 0,2 Prozent galt preis-, saison- und kalenderbereinigt. Zu dem leichten Wachstum trugen laut Statistikamt vor allem höhere Investitionen bei, während der Außenbeitrag das Wirtschaftswachstum bremste. Die Wirtschaftsleistung lag damit um 0,9 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau vom vierten Quartal 2019. Im Vorjahresvergleich war das BIP preisbereinigt 4,0 Prozent höher als im ersten Quartal 2021, als die Konjunktur von den Auswirkungen der zweiten Corona-Welle getroffen worden war.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine beeinflussen nun seit Ende Februar "zunehmend" die konjunkturelle Entwicklung, wie die Statistiker erklärten. Die Schätzungen sind demnach mit größeren Unsicherheiten behaftet als sonst - ausführliche Ergebnisse für das erste Quartal gibt das Statistische Bundesamt am 25. Mai bekannt.
Belastet wird die deutsche Wirtschaft auch von den hohen Preisen, die für Importgüter gezahlt werden müssen. Sie stiegen zuletzt deutlich an und lagen im März laut Statistikamt 31,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Eine höhere Veränderung gab es demnach zuletzt 1974 bei der ersten Ölkrise. Verglichen mit Februar dieses Jahres stiegen die Importpreise um 5,7 Prozent.
Der starke Preisanstieg lag vor allem an den gestiegenen Energiepreisen, etwa am Erdgas, das zuletzt viermal so teuer war wie vor einem Jahr. Die Energieeinfuhren insgesamt waren im März um 160,5 Prozent teurer als vor einem Jahr und stiegen auch verglichen mit Februar deutlich um 19,1 Prozent. "Die aktuellen Daten spiegeln bereits erste Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine wider", lautete die Begründung des Statistikamts.
Einen deutlichen Anstieg nach oben gab es auch bei importiertem Strom: Dieser war im März 440,8 Prozent teurer als im März 2021. Verglichen mit Februar dieses Jahres verdoppelten sich die Preise hierfür. Deutlich teurer waren auch importierte Steinkohle, Düngemittel und Nahrungsmittel.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht die deutsche Wirtschaft wegen des Ukraine-Kriegs derzeit "in größter Unsicherheit". Die Lage sei "eine Belastung für alle Unternehmen, aber besonders für die energieintensive Industrie", erklärte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Nötig seien daher Impulse für mehr Stabilität, Investitionen und Wachstum. Dazu sei vor allem "Sicherheit bei der Energieversorgung" wichtig.
Die KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib mahnte, seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs schwebe "das Damokles-Schwert ausbleibender Gaslieferungen aus Russland über allem". Hierauf müsse die deutsche Wirtschaft vorbereitet sein und "schnellstmöglich von der Abhängigkeit von russischem Gas loskommen".
Für den gesamten Euroraum sahen die EU-Statistiker im ersten Quartal ebenfalls ein Wachstum von im Schnitt 0,2 Prozent, wie sie am Freitag mitteilten. Die Lage war in den einzelnen Ländern aber verschieden. In Spanien legte das BIP um 0,3 Prozent zu, in Frankreich stagnierte die Konjunktur und in Italien schrumpfte sie um 0,2 Prozent.
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