Berlin – Der Digitalisierungsschub an den Schulen während der Corona-Pandemie hat die soziale Spaltung an den Schulen teilweise verstärkt. Das ergibt sich aus der Studie „Die Umsetzung des Digitalpakts 2022. Perspektiven der schulischen Praxis mit Blick auf zentrale Steuerungsfragen und Herausforderungen“, die die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Montag während einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt hat. Die Bildungsgewerkschaft verlangt deshalb, dass für den „Digitalpakt 2.0“ unbedingt um- und nachgesteuert werden müsse.
„Die aktuelle Umsetzungspraxis des Digitalpakts gefährdet die Chancengleichheit in den Schulen und erinnert an einen Flickenteppich. Die Bildung der Kinder darf weder von der Finanzlage einzelner Kommunen noch von einer zufälligen Digitalisierungsaffinität einzelner Lehrkräfte abhängig sein“, unterstrich Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule. „Wenn die Mittel aus dem Digitalpakt 2.0 verteilt werden, müssen diese insbesondere an die bisher benachteiligten Schulen fließen. Ungleiches muss ungleich behandelt werden. Die Länder müssen für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgen.“
„Trotz anderer Ankündigungen haben weder das Bundesbildungsministerium noch die Landesregierungen ein transparentes Monitoring zum Digitalpakt veröffentlicht“, stellte Bensinger-Stolze fest. „Ohne eine gute und transparente Datenlage ist es schwierig, Mittel gerechter zu verteilen.“ Für einen pädagogisch sinnvollen digitalen Schulentwicklungsprozess bedürfe es ausreichender zeitlicher, finanzieller und fachlicher Ressourcen. „Genau da hakt es aber“, betonte sie. „Der Fachkräftemangel in den Bereichen Pädagogik, IT und Verwaltung ist das größte Problem des schulischen Digitalisierungsprozesses.“ Lehrkräfte brauchten professionelle Support- und Wartungsstrukturen.
Bensinger-Stolze mahnte für den Digitalpakt 2.0 als Beitrag für mehr Chancengleichheit bei Bund und Ländern an:
Transparentes Monitoring, das auch soziale Indikatoren berücksichtigt.
Stärkung der digitalen Schulentwicklungsprozesse durch mehr zeitliche, finanzielle und fachliche Ressourcen.
Entwicklung von IT-Support- und Wartungsstrukturen vor Ort.
Erhöhung und Verbesserung der Ausbildungskapazitäten, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Gezielte Förderung finanzschwacher Kommunen.
Umfassende (Zwischen-)Evaluation des Digitalpakts.
„Die Untersuchung arbeitet auch einige blinde Flecken bei der Umsetzung des Digitalpakts heraus“, sagte Studienleiter Prof. Michael Wrase, Universität Hildesheim und Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Grundsätzlich seien die mit dem Digitalpakt vorgenommenen Bundesinvestitionen in die digitale Infrastruktur der Schulen der richtige Weg. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Digitalpakts hätten aber dazu geführt, dass die Mittel nicht immer bedarfsgerecht verteilt wurden. Gründe hierfür seien unter anderem fehlendes Monitoring, teilweise intransparente Abstimmungsprozesse zwischen den Verwaltungsebenen, Fachkräftemangel und bislang häufig nicht ausreichende Support- und Wartungsstrukturen an den Schulen, für die die Schulträger verantwortlich sind. „Die Folgen: Die Lernbedingungen für die Schülerinnen und Schüler sind auch mit Blick auf die Digitalisierung sehr ungleich“, hob Wrase hervor. Eine nachhaltige und sozial gerechte Digitalisierung setze voraus, dass die Schulen ihren Bedarfen entsprechend mit Mitteln ausgestattet werden. Zudem sei die Förderung in eine solide und transparente Rahmenstruktur einzubetten. Bisher seien die Schulen vor Ort nicht ausreichend unterstützt worden. In einem Digitalpakt 2.0 müssten vor allem die finanzschwächeren Kommunen als Schulträger zielgerichtet unterstützt werden.
Info: Die Studie hat mit einem qualitativen methodischen Ansatz untersucht, wie der Digitalpakt Schule im Zusammenspiel der unterschiedlichen Steuerungsebenen (Bund, Länder, kommunale Schulträger und Einzelschulen) umgesetzt wird. Grundlage der Erhebung sind 21 leitfadengestützte Interviews mit Expertinnen und Experten aus der schulischen Praxis und von kommunalen Schulträgern, die mit einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet wurden. Die Untersuchung hat allgemeinbildende öffentliche Schulen in Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen mit einbezogen. Die Ergebnisse wurden in den aktuellen Forschungsstand zur schulischen Digitalisierung eingeordnet.
GEW