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„Wir können unsere Lebensqualität nur halten, wenn sich ganz viel verändert!“

Der Grünen-Direktkandidat Dr. Robin Korte für die Landtagswahl in NRW 2022 im Gespräch mit dem stadt40-Reporter Fabian Ollmert.

Klimafrage/ Bürokratisierung/ Ahrtal 

stadt 4.0: Ihr “Vorgänger” Armin Laschet sagte “…kein Land tut so viel für den Klimaschutz wie NRW…”

Korte: Ja, das hat Armin Laschet im Bundestagswahlkampf gesagt. Und aus meiner Sicht ist das eine Aussage, die an den Haaren herbeigezogen ist.   Nordrhein-Westfalen ist eher ein Schlusslicht im Klimaschutz. Die aktuelle schwarzgelbe Landesregierung hat jetzt im letzten Jahr ein neues Klimaschutzgesetz verabschiedet, was im Grunde so weich ist, wie es nur sein kann. Was lediglich Klimaziele festsetzt und jegliche Maßnahmen herausstreicht. Wenn man das vergleicht mit den Klimaschutzgesetzen anderer Bundesländer, zum Beispiel Baden-Württemberg oder Schleswig-Holstein, die ganz konkret auch Klimaschutzmaßnahmen enthalten, die auch Kommunen in die Pflicht nehmen, Klimaschutz umzusetzen, die konkrete Umsetzungsschritte für eine klimaneutrale Landesverwaltung enthalten. 

Das findet sich alles in Nordrhein-Westfalens Klimaschutzgesetz nicht.                

Nicht ansatzweise, sondern es wird nur mit Hausnummern jongliert von Klimazielen, die im Grunde den Mindestkonsens darstellen, den das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat und für deren Erreichung jede Grundlage fehlt. Der entscheidende Weg zu einem klimaneutralen Industrieland Deutschland und vor allem auch Nordrhein-Westfalen ist die Energiewende. Sprich der Ausbau der erneuerbaren Energien, um einerseits fossile Energieträger aus dem Energiemix zu verdrängen im Bereich Strom, als auch Wärme, als auch Mobilität und natürlich Energieeffizienzmaßnahmen und auch die Senkung unseres Energieverbrauchs und Veränderung unseres Lebensstils. 

In diesen Bereichen hat die aktuelle Landesregierung, der ja Armin Laschet die meiste Zeit als Ministerpräsident vorstand, nichts getan, außer das zu blockieren, was möglich gewesen wäre, und das zeigt sich am meisten in der Energiepolitik. 

Der Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen ist seit 2017 um zwei Drittel eingebrochen. 

Das ist auch von der aktuellen Landesregierung politisch so gewollt, ansonsten hätte man nicht diese rigiden Mindestabstände festgesetzt, was de facto dazu führt, dass in fast ganz Nordrhein-Westfalen keine Flächen mehr verfügbar sind für den Windkraftausbau. Insbesondere im Münsterland und in Münster selbst sind alle verfügbaren Flächen damit weggefallen. Wir haben uns gestern eine Fläche angesehen am Autobahnkreuz Münster-Süd, dass durch das Gesetz nicht mehr realisierbar ist für den Landwirt und den Investor, weil auf der anderen Seite der Autobahn ein Einzelwohnhaus im Wald diesen Mindestabstand unterschreitet. Daran sieht man, wie unsinnig diese Pauschalregelung letztendlich ist. Auch in der Solarenergie wurde immer gesagt, man wolle viel tun, Wirtschaftsminister Pinkwart sagte dazu, man könne ja die Solarenergie ausbauen, dann bräuchte man die Windenergie gar nicht. Das sehen wir anders als Grüne. Wir glauben, wir müssen alle großen Bereiche der erneuerbaren Energien ausbauen, um die Energiewende zu schaffen und die Klimaziele zu erreichen.                                                                    

Im Bereich der Solarenergie ist in Nordrhein-Westfalen nichts Besonderes passiert, während andere Bundesländer eben insbesondere Baden-Württemberg eine Solarenergiepflicht auf Neubauten haben und bei Dachsanierungen. Etwas Vergleichbares haben wir nicht in Nordrhein-Westfalen. Das wollen wir in der nächsten Landesregierung angehen, weil Klimaschutz, eines der ganz zentralen Ziele der Landesregierung sein muss, weil sich jetzt in diesem Jahrzehnt, in den 20er Jahren entscheidet, ob wir in Deutschland, in NRW und weltweit es noch schaffen, den Klimawandel so einzudämmen, dass die katastrophalsten Auswirkungen verhindert werden können. Das muss im Grunde die Leitorientierung der Politik der nächsten fünf Jahre in Nordrhein-Westfalen sein. Und dafür trete ich an, und dafür treten wir Grünen insgesamt an.   

 

stadt4.0: Was planen Sie konkret, um aktiv den Klimaschutz im Land NRW zu fördern?

Korte: Nordrhein-Westfalen soll bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden und beim Strom bereits bis 2035, das deckt sich mit dem, was die Grünen in der Bundesregierung momentan vorantreiben. Wie setzt man das konkret um? Für die Windenergie wollen wir natürlich das 1000m Abstandgesetz abschaffen und dann eben auf der planerischen Ebene dafür sorgen, dass zwei Prozent der Landesfläche, was man nach Energiewendeforschungsinstituten deutschlandweit für die Klimaneutralität im Strombereich bräuchte, gesichert werden. Wichtig ist festzustellen, wo gute Voraussetzungen dafür sind, dementsprechend aber auch welche Bereiche freibleiben müssen, um die Belange des Artenschutzes von vornherein zu berücksichtigen.Bei der Solarenergie brauchen wir eine Ausbauoffensive. Bei Neubauten zum Beispiel klarstellen, dass es in allen zumutbaren Fällen, in denen es kein wirtschaftlicher Unsinn ist, Solarenergieanlagen verpflichtend installiert werden müssen und auch bei allen größeren Dachsanierungen. Nur wenn wir jetzt damit anfangen, schaffen wir es bis 2035/2040 auch wirklich, auf einem maßgeblichen Anteil der Dächer und auf Freiflächen Solarenergie zu installieren. 

Ich lasse jetzt mal andere Energieträger wie Wasserkraft oder Geothermie außen vor.

Natürlich müssen wir auch Energie einsparen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir werden als Gesellschaft insgesamt unseren Konsum und unseren Energieverbrauch senken müssen. Es ist aber auch etwas, wo die Landesregierung technisch sehr viele wichtige Ansätze geben kann und muss. Wir müssen den Schwerpunkt auf die energetische Gebäudesanierung setzen. Das ist der Bereich, der am schwierigsten klimaneutral zu gestalten sein wird. Erstmal muss die Landesregierung mit ihren eigenen Gebäuden vorrangehen. Aber dann müssen auch für Private die richtigen Anreize gesetzt werden, dass Sanierungsaktivität stattfindet. Ich bin da aber auch zuversichtlich, dass der Bund die richtigen Anreize jetzt setzen wird mit einer weiter ansteigenden CO2-Steuer und entsprechender Unterstützung für Sanierungsmaßnahmen über die KFW-Förderbank. Das muss die Landesregierung Nordrhein-Westfalens auch als ihre Aufgabe begreifen und unterstützen. Ganz wichtig ist, dass wir bis zum Jahr 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen. Die jetzige Landesregierung unter Hendrik Wüst spricht sich mittlerweile auch dafür aus, tut aber nichts, um das einerseits im Landesentwicklungsplan abzusichern oder überhaupt einmal festzulegen. Und es passiert auch nichts, um entsprechende alternative Energieträger zu schaffen. Damit das gelingt, müssen wir damit jetzt beginnen. Es sind noch acht Jahre Zeit bis 2030. NRW muss als größtes und stärkstes Industrieland zeigen, wie es klimagerecht werden und auf die Herausforderungen des 20 Jahrhunderts eingehen kann.

stadt4.0: Welche konkreten Pläne haben Sie, um den Geschädigten im Ahrtal unbürokratische Hilfe zur Verfügung zu stellen?

Korte: Natürlich müssen die Hilfszusagen, die gemacht wurden, auch eingehalten werden. Die Menschen, die alles verloren haben und auch die betroffenen Kommunen brauchen massive Unterstützungsleistungen. Da stehen wir auch voll hinter, auch wenn es kein Thema aus dem Münsterland ist. Man sieht dort die Auswirkungen des Klimawandels, und man erkennt, warum es so wichtig ist, dass wir spätestens jetzt mit dem höchsten Einsatz, den wir geben können, Klimaschutz betreiben hier in Nordrhein-Westfalen.

Man sieht aber auch, wie wichtig es ist, dass wir bei der Entwicklung unserer Städte bei Klimaanpassungen mitdenken. Man kann im Ahrtal einige Beispiele erkennen, wo die Klimavorsorge nicht mitgedacht wurde bei der Gestaltung dieser Städte. Zukünftige Starkregen und Hochwasserereignisse müssen im Vorhinein bei der Planung mitbeachtet werden. Auch in Städten wie Münster. Wenn neue Stadtgebiete erschlossen werden, muss die Anpassung unserer Infrastruktur an den Klimawandel geschehen.

Das reicht von ganz banalen Dingen, wie die hydraulische Ertüchtigung von Kanalisationssystemen, das ist aber auch die Stärkung von Grünflächen und Retentionsräumen in den Städten. Bei uns fällt das unter den Begriff „Schwammstadt“. Also eine Stadt, die so naturnah gestaltet ist, dass sie Wasser auch aufsaugen kann und sie nicht überflutet wird. Da wird auch die nächste Landesregierung viel Geld in die Hand nehmen müssen, um die Kommunen zu unterstützen.

 

stadt4.0: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat gerade eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen gegen die Einwände von Anwohner*Innen in Lützerath, Braunkohle an ihrem Standort abzubauen, bestätigt. Nach der Einschätzung der Gerichte sei die Braunkohle mit den Klimaschutzzielen der Verfassung vereinbar.  

Wie stehen Sie zu dieser Entscheidung? Muss sich die Gesetzgebung ändern? Wie passt dies in die heutige Zeit, nachdem wir im vergangenen Jahr die Folgen des Klimawandels auch vor Ort spüren konnten?

Korte: Das ist erstmal schwer zu schlucken. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts müssen wir aber akzeptieren. Die Entscheidung bezieht sich aber auch nur auf den Ort Lützerath, der seit Jahren kurz vor der Abbaggerung und Zerstörung steht und es ist keinesfalls eine grundsätzliche Entscheidung. Es ist keinesfalls mit den Klimazielen vereinbar, weiterhin unbegrenzt Braunkohletagebau zu betreiben und Braunkohle zu verstromen und zu verbrennen, da hierdurch immense Mengen an CO2 freigesetzt werden. Das ist eine eindeutige Aussage der Wissenschaft und auch die Position unserer Partei und sicherlich auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts. Wichtig ist, dass keine weiteren Dörfer mehr dieses Schicksal erleiden.

Ich war im letzten Jahr selbst in Lützerath. Im Grunde war es schon ein verlassenes Dorf, das schon lange auf dieses Schicksal vorbereitet war.

 

Haltung zum Ukrainekrieg/ Krieg als Zeitenwende?

 

stadt4.0: Außenpolitik ist keine Landespolitik, aber was ist Ihrer Meinung nach der beste Umgang mit dem Krieg in der Ukraine? Was verlangen Sie dahingehend von der Bundesregierung?

Korte: Ich habe lange nicht mehr die Nachrichten so regelmäßig verfolgt, wie seit Beginn dieses Krieges. Man muss dort jeden Tag neue Grausamkeiten ansehen, die man gar nicht mehr für möglich gehalten hätte.

Es ist eine schockierende Aggression aus Russland, die wir aus der Politik insgesamt in Deutschland nicht vorhergesehen hätten. 

Die Bundesregierung muss die Ukraine bei ihrer Landesverteidigung nach ihren Möglichkeiten, ohne unmittelbar selbst Kriegspartei zu werden, unterstützen. 

Was wir Deutschlandweit und insbesondere in NRW tun müssen, ist die ukrainischen Geflüchteten und die Nachbarländer der Ukraine bei der Aufnahme von Geflüchteten, und auch die deutschen Städte, die besonders betroffen sind, das sind insbesondere die Großstädte im Osten Deutschlands unterstützen. Jetzt ist es eine Aufgabe der Landesregierung und auch noch der kommenden, die Geflüchteten auf die Gemeinden zu verteilen und dafür zu sorgen, dass dort Integration betrieben wird. Glücklicherweise ist die Bereitschaft in der Politik und der Gesellschaft da momentan recht groß. Außerdem merken wir durch diesen Krieg, wie abhängig wir uns in den letzten Jahrzehnten von einem autokraten Staat, der Menschenrechte verletzt und Kriegsverbrechen begeht, gemacht haben. Wir müssen so schnell wie möglich aus allen Energieträgern, die wir aus Russland beziehen aussteigen. Hier ist dann die Landesregierung gefragt, wie ich bereits erläutert habe, die Energiewende voranzutreiben. Wir dürfen Putin und damit seinen Krieg nicht weiter finanzieren.

 

stadt4.0: Es werden Stimmen laut, dass People of Colour in manchen Ländern nicht aufgenommen wurden, oder dass Geflüchtete mit arabischer Herkunft ihren Platz in Deutschkursen zu Gunsten von ukrainischen Flüchtlingen verloren haben. Sehen Sie da auch hier eine Problematik, dass Flüchtlinge unterschiedlicher Hautfarbe unterschiedlich behandelt werden von den Behörden? Wie möchten Sie die Rechte aller Geflüchteten sicherstellen? 

Korte: Ich freue mich, dass Sie das Thema hier aufgreifen, denn das wird von Menschen, die lange in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, kritisiert. Zunächst ist es natürlich toll, dass die deutsche Bevölkerung und Kommunen so offen und hilfsbereit bei der Aufnahme der ukrainischen Geflüchteten sind. Leider wurde mir aber auch von Mitarbeitenden von Sozialverbänden gespiegelt, dass Geflüchtete aus mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern die Erfahrung machen müssen, ungleich behandelt zu werden durch den Staat. Das muss politisch gelöst werden. Geflüchtete dürfen nicht mehr so lange in zentralen Unterbringungs-Einrichtungen leben müssen, wie in der York-Kaserne in Gremmendorf. Dort leben sie abgeschlossen in einem Raum, nur für sich und dürfen nicht arbeiten gehen. Das ist das große Problem, denn das verhindert Integration. Das ist nicht erst ein Problem seit die Geflüchteten aus der Ukraine hier sind, das sind Probleme, die lange hier vorherrschen, die aber nun ersichtlich werden. 

Gas-Ölpreise

 

stadt4.0: Die Gas-/Ölpreise explodieren momentan, wie möchten Sie erreichen, dass diese bezahlbar für alle Bürger*innen bleiben?

Korte: Energie wird teurer, daran geht kein Weg vorbei, und etwa die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland steht nun vor massiven wirtschaftlichen Problemen. Für diese Haushalte brauchen wir kurzfristige Entlastung. Und da begrüße ich, dass die Bundesregierung inzwischen zwei Entlastungspakete abgesegnet hat, wenn ich auch die Teile kritisiere, die die Besserverdienenden unterstützen. Besonders kinderreiche und einkommensschwache Familien müssen jetzt gestärkt werden und Transferleistung muss der Staat hier leisten. 

 

stadt4.0: Wäre das nicht DIE Gelegenheit erneuerbare Energien voranzutreiben? Haben Sie dahingehend Ambitionen? 

Korte: Da habe ich mich ja bereits ausführlich zu ausgelassen. Wir dürfen einfach keine Zeit verlieren. 

 

Autofreie Innenstädte/ ÖPNV/ Anliegergebühren?

 

stadt4.0: Der ÖPNV ist gerade in Münster nicht besonders Bürger*innen freundlich, wie sehen Ihre Pläne hinsichtlich einer Verkehrswende aus? 

Korte: Wir müssen den Autoverkehr deutlich reduzieren. Damit die Lebensqualität deutlich steigt in den Städten. Das heißt, wir müssen natürlich Alternativen schaffen, sprich wir brauchen ein Radverkehrsgesetz und müssen Radschnellwege von Landesseite mehr fördern. Natürlich ebenso wie den öffentlichen Nahverkehr. Der muss in den Städten künftig die Hauptlast übernehmen. Dafür muss er schneller, günstiger und attraktiver werden. Heißt, die Investitionen des Landes in den ÖPNV müssen wir verdoppeln. Dann können Strecken schneller reaktiviert und Haltestellen ausgebaut werden. Außerdem würde der Schnellbusverkehr gestärkt werden. Wichtig hierfür ist, dass die Tarife sich ändern, der ÖPNV muss immer billiger sein als das Auto. Wir streben einen landesweiten NRW-Tarif an. Dafür muss man den Städten und Gemeinden neue Finanzierungsmöglichkeiten geben, wie eine „citymaut“ durch Parkraumbewirtschaftung. 

 

stadt4.0: Wie sieht das mit Autos in den Innenstädten aus? Werden diese weiterhin da durchfahren dürfen, oder verfolgen Sie Pläne hinsichtlich autofreier Innenstädte?

Korte: Die autofreie Altstadt ist schon lange eine Vision der Grünen in Münster. Es gibt gute Gründe dafür, dass Autos in die Stadt fahren können, wie den Lieferverkehr oder für Bürger*innen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Aber was wir nicht mehr brauchen ist, dass man mit dem Auto auf den Domplatz vorfährt zum Markt oder in die Parkhäuser zum Shoppen.

 

stadt4.0: Wie stehen Sie zu Anliegergebühren? Sollten diese wieder eingeführt werden, oder sehen Sie es als sozial gerechtfertigt an, diese für unsere Region abzuschaffen?

Korte: Diese sollten nicht wieder eingeführt werden. Man könnte darüber nachdenken Beiträge für den ÖPNV einzuführen, da sich durch eine gute ÖPNV-Anbindung auch der Immobilienwert steigert. 

 

Bezahlbarer Wohnraum 

 

stadt4.0: Besonders hier in Münster kennt jeder das Problem: Es gibt viel zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Was sind Ihre konkreten Pläne diesen zu gewährleisten?

Korte: Die steigenden Mieten sind inzwischen soziale Probleme geworden. Menschen müssen die Städte verlassen, weil sie die Miete nicht zahlen können, was dafür sorgt, dass eine ungleiche soziale Verteilung in den Städten entsteht. Wir müssen neu bauen an richtigen Stellen und im richtigen Umfang, sodass landschaftlich wertvolle Orte erhalten bleiben. Wichtig ist, dass der Wohnraum an die Bedürfnisse angepasst wird, das heißt, dass Wohnraum für alte Menschen, für beeinträchtigte Menschen, für alleinstehende Menschen und auch für kinderreiche Familien entstehen. Hierfür sollte sich Grund und Boden in öffentlicher Hand befinden, da sind die Städte und Gemeinden gefragt. Es muss einen besseren Mieter*innen Schutz geben und die Mietpreisbremse sollte auf Bundesebene verschärft werden. Wovon Münster konkret profitieren würde, wäre die Wiedereinführung der Umwandlungsverordnung, wo Städte und Gemeinden die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnung verhindern können. 

  

Bildungspolitik/ Musikcampus

 

stadt4.0: Wie ist Ihre Haltung hinsichtlich des Musikcampus?

Korte: Der Musikcampus ist eine Chance, um die drängenden Probleme im Bereich der Kulturpolitik zu lösen und verbindet stadtfreie Szene und Uni, was ich als sehr belebend empfinden würde. Leider sind aber zu viele Fragen noch ungeklärt, insbesondere die Fragen der Finanzierung. Das betrifft sowohl die Stadt als auch die Uni, als auch das Land. Diese müssen schnell geklärt werden, damit die Stadt sich nicht mit der Anschlussfinanzierung in die Binsen setzt. 

 

stadt4.0: Haben Sie Pläne bezüglich der Bildungspolitik? Was möchten Sie da verbessern?

Korte: Vorab: Ich bin kein Bildungspolitiker und werde in diesem Bereich auch in nächster Zeit nicht mitwirken, aber was wir in NRW erleben, ist, dass wir eine sehr starke Abhängigkeit haben, des beruflichen und Bildungserfolg von der sozialen Herkunft. Wir müssen dafür sorgen, dass Bildung unabhängig wird vom Geldbeutel. Allen Schüler*innen muss ein Zugang zu Bildungsmaterialien gewährleistet werden, das heißt auch zu digitalen Endgeräten und einen Internetanschluss zu Hause. Außerdem ist eine der größten Barrieren im deutschen Bildungssystem das dreigliedrige Schulsystem. Das Aussortieren von Schüler*innen nach der vierten Klasse ist nicht zukunftsgerecht. Wir müssen das gemeinsame Lernen, besonders in Gesamtschulen stärken, weil das dazu führt, dass Kinder aller Herkunft gemeinsam voneinander profitieren können, sowohl inhaltlich als auch sozial und wir bekommen zurückgespiegelt, dass solche Schulen einfach resilienter sind in Krisensituationen und auch besser in der Lage sind, Menschen mit Behinderung oder mit Migrationshintergrund zu inkludieren und zu integrieren, weil Vielfalt zu deren Konzept gehört. 

 

Gesundheitsschutz/ Infektionsschutz/ Corona

  

stadt4.0: Es werden nun fast alle Coronaschutz-Maßnahmen abgeschafft, halten Sie das für angebracht? Wie sähe Ihrer Meinung nach eine angemessene, das Leben der Bürger*innen schützende Corona-Politik aus? 

Korte: Ich finde es ist falsch gewesen, dass die Bundesregierung so vorschnell die Schutzmaßnahmen fallengelassen hat. Zum nächsten Herbst müssen wir wieder die Schutzmaßnahmen ergreifen, das heißt vor allem, dass die Maskenpflicht im öffentlichen Leben wieder eingeführt werden muss. Das Einzige, was uns aber langfristig aus der Pandemie holen wird ist eine Impfpflicht, sprich eine besonders hohe Impfquote in der Gesellschaft. In den einzelnen Ländern ist es besonders wichtig, die Gesundheitsdienste und -ämter zu stärken. 

 

Soziale Gerechtigkeit

 

stadt4.0: Wie möchten Sie allen Bürger*innen einen Zugang zur Gesellschaft ermöglichen?

Korte: Menschen sollten nicht zum Versorgungsempfänger*innen gemacht werden. Der Leitgedanke muss sein, den Menschen zu ermöglichen, ihren Lebensunterhalt selbst zu erreichen. Es muss besonders auf die verschiedenen Aspekte eingegangen werden. Besonders wichtig ist, dass die Kinderarmut bekämpft werden muss. Da können das Land und die Kommunen eine Taskforce bilden, sodass Kinder aus armen Familien nicht mehr aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Auch den Wohnungslosen muss mehr geholfen werden. Das sollten die Städte bei der Neuentwicklung von Wohngebieten berücksichtigen, dass man Unterbringungen für Wohnungslose schafft, die den Menschen würdig sind. Auch Alleinerziehende geraten häufiger in Armut, da sie es neben der Betreuung der Kinder nicht mehr schaffen, arbeiten zu gehen, diese müssen wir mehr stärken, und da brauchen wir eine Absicherung in der Kita-Versorgung.

 

Innere Sicherheit

 

stadt4.0: Haben Sie Pläne hinsichtlich einer Veränderung der inneren Landespolitik?

Korte: Ich bin kein Experte für Innenpolitik oder innere Sicherheit, aber was für uns Grüne wichtig ist, ist, dass wir die Arbeit der Polizei in Nordrhein-Westfalen finanziell, personell und von der Ausstattung und ihrer Ausbildung her auf einer soliden Grundlage sehen wollen. Dazu gehört auch, dass die Polizeiarbeit gesellschaftlich mehr wertgeschätzt, werden sollte. Was uns außerdem gespiegelt wird, ist, dass die Präsenz und Ansprechbarkeit der Polizei in den einzelnen Stadtteilen erhöht werden muss und, dass diese ansprechbar sind vor Ort. Die Polizei der Zukunft muss die Vielfalt der Gesellschaft besser widerspiegeln. Menschen mit Migrationshintergrund sollten stärker sichtbar sein, denn das würde die Arbeitsfähigkeit und auch die Akzeptanz der Polizei stärken.

 

stadt4.0: Vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen alles Gute für den Wahlkampf!