Ein Krieg in Europa ist derzeit die größte Sorge junger Menschen in Deutschland. Mit 68 Prozent befürchten gut zwei Drittel die Folgen des Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine, wie aus der am Dienstag in Berlin veröffentlichten Trendstudie "Jugend in Deutschland" hervorgeht. Die Kriegsangst verdrängte damit die bisher dominierende Sorge vor dem Klimawandel. Die Studienautoren Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann sehen Deutschlands Jugend im "Dauerkrisenmodus".
Die Sorge vor einem Krieg in Europa sei "sprunghaft" an die erste Stelle aller Ängste sowie Befürchtungen getreten und habe geradezu "einen Schock" ausgelöst, weil dies laut Studie alle Zukunftsaussichten der Jugend infrage stellt und ihr bisheriges Sicherheitsgefühl zerstört. Die Sorgen wegen des Klimawandels (55 Prozent), der Inflation (46 Prozent), der Spaltung der Gesellschaft (40 Prozent) sowie die Belastungen durch die Coronapandemie seien dadurch nicht weniger geworden - die Werte seien im Vergleich zur vorangegangenen Befragung vor sechs Monaten konstant hoch.
"Die dichte Aufeinanderfolge von tief in das Leben eingreifenden Krisen setzt der Jugend zu", erklärte der Jugendforscher Hurrelmann. Nach zwei Jahren Einschränkungen ihres privaten und schulisch-beruflichen Alltags durch die Pandemie seien viele junge Menschen psychisch angespannt. Die Bedrohung durch einen Krieg in Europa drücke als eine weitere schwere emotionale Last auf ihre Stimmung. "Viele machen sich große Sorgen um ihre berufliche, finanzielle und wirtschaftliche Zukunft."
Laut der Studie ist die Grundstimmung in der jungen Generation dennoch positiv. Die meisten Befragten erwarten für sich persönlich trotz aller Belastungen eine gute Zukunft. Allerdings ist die Zufriedenheit mit der eigenen psychischen Gesundheit vergleichsweise niedrig, auch bei der finanziellen Lage schlagen pessimistische Töne durch. Die Studienautoren werten diese negativen Ausschläge "als Anzeichen dafür, dass die bisher grundsätzlich gute Stimmung unter dem Druck der sich überlagernden Krisensituationen zu bröckeln beginnt".
Trotz der großen Kriegsangst gibt es demnach eine eher zurückhaltende Zustimmung zu politischen Maßnahmen, um Russland zu sanktionieren und die Abwehrkräfte zu stärken. So befürworten nur 58 Prozent der Befragten umfassende Sanktionen gegen Russland und 43 Prozent die Erhöhung von Militärausgaben der Bundesregierung. 37 Prozent unterstützen Waffenlieferungen an die Ukraine. Für die halbjährlich erscheinende Studie wurden vom 9. bis zum 21. März 1021 14- bis 29-Jährige befragt.
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