Ukrainische Aktivisten fordern einen humanitären Korridor zur Evakuierung von Mariupol inmitten der russischen Belagerung. Bis Dienstagmorgen hatte nur eine Gruppe von 100 Flüchtlingen aus Mariupol die zentralukrainische Stadt Saporischschja erreicht. Russische Soldaten würden die Evakuierung behindern und hätten die Busse, deren Fahrgäste zumeist Frauen und Kinder sind, nicht passieren lassen. Das berichtet der katholische Bischof Saporischschjas, Jan Soblova.
Mario Galgano und Beata Zajączkowska - Vatikan
„Diese Menschen haben grausame Dinge erlebt. Mariupol ist heute wahrscheinlich der schrecklichste Ort der Welt“, so Bischof Jan Soblova, der die Flüchtlingshilfe in Saporischschja organisiert, gegenüber Radio Vatikan.
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Der polnische Bischof, der den gesamten Krieg in der Stadt seit seinem Ausbruch im Donbass im Jahr 2014 miterlebt hat, sagt, dass die „Bestialität der Russen fast unbeschreiblich“ sei. Massenvergewaltigungen von Kindern seien an der Tagesordnung. Die Menschen erzählten von dem ständigen Beschuss von Mariupol. Viele seien noch in Bunker, aus dem sie seit zwei Monaten nicht mehr herauskämen. Die Erwachsenen hätten den Kindern die Essensreste gegeben, die sie hatten.
Noch immer befinden sich demnach 100.000 Zivilisten in der belagerten Stadt. Viele wurden wohl zwangsweise nach Russland deportiert. „Saporischschja ist in der Lage, alle Bedürftigen nicht nur aus Mariupol, sondern auch aus anderen besetzten Städten aufzunehmen, leider machen die Russen die Evakuierung so schwierig wie möglich", sagt Bischof Soblova. Er weist darauf hin, dass die Besatzer die Evakuierung nutzten, um Informationen zu erhalten, um einen weiteren Angriff auf die ukrainischen Truppen vorzubereiten, die sich noch in Mariupol verteidigen, weshalb die Menschen an den Kontrollpunkten stundenlang verhört würden. Auf der Strecke von Mariupol nach Saporischschja seien 48 solcher Punkte zu passieren, von denen nur die letzten drei von Ukrainern kontrolliert würden.
In Mariupol ist die Situation makaber
„Wir versuchen, die ersten zu sein, die diejenigen aufnehmen, die aus dem wahrscheinlich schrecklichsten Ort der Welt, nämlich Mariupol, geflohen sind. Diejenigen, die es geschafft haben, sich zu befreien, sind in Saporischschja bereit, mit allen Mitteln zu helfen. Die ersten hundert Menschen, die uns erreichten, waren Menschen, die sich spontan zusammenfanden und einen Autokonvoi bildeten und es irgendwie schafften, durchzukommen“, berichtet Bischof Sobolev gegenüber Radio Vatikan.
„Sie haben viele Menschen begraben. Praktisch bei jedem Haus und Wohnblock in Mariupol gibt es kleine Friedhöfe“
„Sie stehen unter einem furchtbaren Schock, sie reden chaotisch, aber ich verstehe sie sehr gut, schließlich haben sie so lange in ständiger Anspannung gelebt und gedacht - ich werde sterben, ich werde nicht sterben. Sie haben viele Menschen begraben. Praktisch bei jedem Haus und Wohnblock in Mariupol gibt es kleine Friedhöfe. Sie begruben die Leichen von Angehörigen und Nachbarn, wo immer sie konnten, und kehrten dann in ihre Keller zurück. Ich glaube, dass sie Zeit und einen ruhigen Ort brauchen, um sich emotional zu erholen. Die Traumata werden wahrscheinlich ein Leben lang bleiben, denn was sie erlebt haben, ist etwas Schreckliches, das man nicht beschreiben kann. Selbst in den düstersten Kriegsszenarien, die wir in verschiedenen Dokumentationen oder sogar Spielfilmen gesehen haben, würde ein Mensch nicht erfinden, was dort gerade passiert. Sie sprachen von Kindervergewaltigungen, sie fanden ein 12-jähriges Mädchen erhängt und vergewaltigt, sogar 10-jährige Jungen und Mädchen werden massenhaft vergewaltigt. Das sind grausame Geschichten. Selbst für unsere Leute, die in die besetzten Gebiete gegangen sind, um Flüchtlinge aufzunehmen, ist es eine schreckliche Erfahrung, was sie sehen, diese armen Kinder mit ihrer zerstörten Psyche, es ist makaber.“
(vatican news)
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