Die Ernennung von Elisabeth Borne zur neuen Premierministerin hat in Frankreich gemischte Reaktionen ausgelöst. "Ihr Profil einer Technokratin erinnert an das ihres Vorgängers Jean Castex", schrieb die Zeitung "Les Echos" (Dienstagsausgabe). Es laufe darauf hinaus, dass es "weiterhin eine starke Machtkonzentration im Élysée" gebe. Präsident Emmanuel Macron habe sich für Borne entschieden, "weil er letztlich alles selber bestimmen will", sagte der rechtsextreme Politiker Eric Zemmour dem Sender RTL.
Für die Zeitung "La Croix" war es eine "Wahl der Vernunft", die zeige, dass Macron seinen Regierungsstil nicht ändern wolle. "Le Figaro" zeigte sich skeptisch: "Sie wird schwierige Reformen umsetzen müssen, vor allem die Rentenreform, und darf nicht riskieren, dass neue Wut ausbricht", schrieb das Blatt.
Der Generalsekretär der Grünen, Julien Bayou, kritisierte Borne für ihre Bilanz als Umweltministerin. Ihre Ernennung als Premierministerin sei "die Fortsetzung einer Amtszeit der Klima-Passivität", sagte er dem Sender France Inter.
Es ist das zweite Mal, dass Frankreich eine Frau als Regierungschefin hat, und das erste Mal, dass sie Premierministerin genannt wird. Ihre Vorgängerin Edith Cresson, die 1991 für weniger als ein Jahr das Amt übernommen hatte, wurde noch als "Frau Premierminister" angesprochen.
Borne widmete ihre Ernennung "allen kleinen Mädchen" und ermunterte sie, ihre Träume zu verwirklichen. "Nichts soll uns hindern, den Kampf für den Platz der Frauen in unserer Gesellschaft aufzugeben", sagte sie nach der Übernahme der Amtsgeschäfte.
Die links orientierte Politikerin zählt zu den wenigen, die von Beginn an in Macrons Regierungsmannschaft waren. Das neue Kabinett soll in den kommenden Tagen vorgestellt werden.
Der Regierungswechsel ist nicht an die Präsidentschaftswahl gebunden. Macron wollte jedoch vor den Wahlen zur Nationalversammlung im Juni ein Zeichen des politischen Aufbruchs setzen.
Die erste Kabinettssitzung der neuen Regierung soll gegen Ende der Woche stattfinden. Es wird damit gerechnet, dass es eine eher kleine und paritätisch besetzte Regierungsmannschaft wird, die nach den Parlamentswahlen noch aufgestockt werden könnte.
Borne soll zunächst dafür sorgen, dass das Regierungslager bei der Parlamentswahl im Juni gut abschneidet. Sie selber will in einem Wahlkreis in der Normandie antreten. Offen ist, was passiert, wenn sie die Wahl dort verliert. Nach einer ungeschriebenen Regel sollen Minister, die bei der Parlamentswahl scheitern, ihr Amt räumen.
Anschließend steht die Rentenreform an, für die sie in ihrer Zeit als Arbeitsministerin schon einmal zuständig war. Macron will das Rentenalter von 62 auf 64 oder 65 Jahre hinaufsetzen.
Macron hatte zudem angekündigt, dass die großen Linien der Umweltpolitik künftig von der Regierungschefin bestimmt werden sollen. Borne kann dabei auf ihre Erfahrung als Umweltministerin zurückgreifen.
kol/ju
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