Drei Tage nach Hanau und zweieinhalb Wochen nach dem von der AfD mitverursachten Chaos in Thüringen hatten sich die Verluste angedeutet. "Mediale Hetze und Hass gegen die AfD" beklagte der Hamburger AfD-Spitzenkandidat Dirk Nockemann bereits vor der Wahl. Das schlechte Abschneiden sei das "Ergebnis einer maximalen Ausgrenzungskampagne", sagte er am Wahlabend.
Die AfD habe bis zum Eklat bei der Ministerpräsidentenwahl in Erfurt konstant bei sieben bis acht Prozent gelegen, "nach Thüringen ging es dann runter", sagte Nockemann. Doch vor allem der Anschlag von Hanau am Donnerstag brachte die AfD-Wahlkämpfer in Hamburg in die Defensive. Man habe "so getan, als hätte die AfD den Finger am Abzug gehabt", sagte er. Das habe "die wesentlichen Prozentpunkte gekostet".
Die AfD habe das gesellschaftliche Klima in Deutschland vergiftet, Anschlägen wie in Hanau werde so der Boden bereitet - solche und ähnliche Äußerungen gab es von vielen quer durch die Parteien nach der schrecklichen Tat. In einer aktuellen Umfrage halten 60 Prozent der Befragten die AfD mitverantwortlich für den offenbar rassistisch motivierten Anschlag.
Der Berliner AfD-Fraktionschef Georg Pazderski wertet Hamburg als Quittung für die offene rechte Flanke der Partei: Die AfD müsse "ihr bürgerlich-konservatives Image schärfen und eine noch klarere Grenze nach Rechtsaußen ziehen". Gefordert sei hier auch der rechtsnationale "Flügel" des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke. Pazderski war wie andere eher gemäßigte AfD-Politiker Ende 2019 aus der Bundesspitze abgewählt worden, stattdessen wächst dort der Einfluss von "Flügel"-Leuten.
Von der AfD-Bundesspitze war am Wahlabend nicht viel zu hören. "Es ist kein leichtes Pflaster in Hamburg", sagte Koparteichef Tino Chrupalla. Auch Bundestagsfraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann bemühte das "Hamburger Pflaster" und bezichtigte einen "linksgrünen gewalttätigen Mob", den Wahlkampf der Partei massiv behindert zu haben.
Für den Wahlkampfabschluss hatte die AfD in Hamburg keine Räume bekommen, er wurde ins schleswig-holsteinische Henstedt-Ulzburg verlegt und am Freitag schließlich abgesagt. So fand auch der einzige im Wahlkampf geplante Auftritt eines AfD-Bundespolitikers - Parteichef Jörg Meuthen - nicht statt.
Vor fünf Jahren hatte die AfD in Hamburg das erste westdeutsche Landesparlament erobert. Mit 6,1 Prozent blieb das Ergebnis aber für AfD-Verhältnisse bescheiden, ebenso wie insgesamt im Norden Deutschlands. Auch bei den Wahlen in Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen lagen die Resultate nur um die sechs Prozent - weit entfernt von den Werten im Osten Deutschlands, wo die Rechtspopulisten um den Spitzenplatz im Parteienspektrum konkurrieren.
Seit August 2014, als die AfD in Sachsen erstmals in ein Landesparlament einzog, konnte sie bei jeder Landtagswahl punkten. Seit der Wahl in Hessen im Oktober 2018 ist sie in allen 16 Landesparlamenten vertreten. Sollte sich das Ergebnis der Hochrechnungen in Hamburg bestätigen, ändert sich daran zumindest vorläufig nichts.
cha/cfm
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