Bulletin 64-1
"Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Putins Krieg gegen die Ukraine erschüttert unseren gesamten Kontinent, und die Folgen sind unabsehbares Leid. Die Menschen in der Ukraine, das ukrainische Volk, verteidigen ihre Souveränität und ihre Freiheit. Das sind auch die Werte, die sie mit uns verbinden, europäische Werte, nämlich dafür zu sorgen, dass auf unserem Kontinent die Stärke des Rechts, auch des Völkerrechts, gilt und nicht das Recht des Stärkeren.
Ich erwähne das deshalb, weil ich Ihnen in meinen einleitenden Worten über die Schwerpunkte berichten will, die wir uns im Ministerium für Arbeit und Soziales beim Krisenmanagement angesichts dieses furchtbaren Krieges vorgenommen haben. Seit dem 24. Februar haben wir uns drei Dinge vorgenommen:
Zum einen gilt es – das ist meine Amtsverantwortung –, mitzuhelfen bei dem Versuch, nach zwei Jahren Coronakrise nun auch in dieser Krise den Arbeitsmarkt in Deutschland robust und intakt zu halten. Wir erleben, dass das in der Coronazeit gelungen ist. Trotz der tiefsten Wirtschaftskrise unserer Generation konnten wir mit Instrumenten wie der Kurzarbeit Millionen von Arbeitsplätzen sichern. Das ist keine Selbstverständlichkeit gewesen. Aber es war ein richtiger Weg, damit Unternehmen Fachkräfte an Bord halten konnten, Arbeitsplätze für Beschäftigte gesichert werden konnten und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stabilisiert werden konnte.
Nach dem 24. Februar haben wir weitere Maßnahmen ergriffen. Wir haben jetzt nicht mehr damit zu tun, dass Arbeitsplätze so sehr gefährdet sind in Bereichen, die durch Coronamaßnahmen eingeschränkt waren, sondern wir haben jetzt vor allen Dingen im industriellen Bereich damit zu tun, dass es wiederum zu Störungen von Lieferketten kommt. Da fehlen Kabelbäume aus der Ukraine für die Automobilproduktion oder Rohstoffe aus Russland. Deshalb haben wir Maßnahmen zur Kurzarbeit verlängert, um Beschäftigung zu sichern, und die Zahlen am Arbeitsmarkt geben uns recht: Der deutsche Arbeitsmarkt ist sehr, sehr intakt und robust. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wächst sogar wieder.
Der zweite Schwerpunkt ist hier in der letzten Sitzungswoche sehr intensiv debattiert worden, nämlich die Tatsache, dass dieser Krieg die ohnehin schon steigende Preisentwicklung massiv geboostert hat. Wir haben erlebt, dass durch diesen Krieg vor allen Dingen Energieimporte teurer geworden sind, und das schlägt sich in den Lebenshaltungskosten der Bürgerinnen und Bürger nieder. Deshalb war und ist es das Ziel der Bundesregierung, gezielt Menschen mit unteren und mittleren Einkommen zu entlasten, und das haben wir auch weiterhin im Blick.
Ich will an dieser Stelle sagen, dass es aber auch wichtig ist, dass wir was für Geringverdiener tun. Ich bin dem Deutschen Bundestag deshalb sehr, sehr dankbar, dass der Ausschuss für Arbeit und Soziales am heutigen Tag dafür gesorgt hat, dass der Mindestlohn ab 1. Oktober auf zwölf Euro steigen wird. Das ist eine Lohnerhöhung von 22 Prozent für viele Menschen, für 6,5 Millionen Menschen, in Deutschland. Das ist ohnehin sinnvoll; aber es hilft sehr fleißigen Menschen auch, in Zeiten gestiegener Preise besser über die Runden zu kommen.
Das Dritte, was ich ansprechen möchte – neben den Fragen, wie wir den Arbeitsmarkt intakt halten, was wir tun, um vor allen Dingen untere und mittlere Einkommen zu entlasten –, ist die große Aufgabe, mit der großen Zahl von Geflüchteten, die aus der Ukraine zu uns gekommen sind, anständig umzugehen. Auch da ist Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik sehr stark gefragt.
Wir hier im Deutschen Bundestag haben beschlossen, dass die Geflüchteten aus der Ukraine, weil sie einen unmittelbaren Schutzstatus haben, ab 1. Juni mit anerkannten Asylbewerbern gleichgestellt werden und damit von den Grundsicherungssystemen betreut werden. Das entlastet Länder und Kommunen milliardenschwer – wir als Bund lassen sie nicht im Regen stehen –, aber es hilft vor allen Dingen den Geflüchteten unmittelbar, weil sie jetzt den vollen Schutz beispielsweise der Krankenversicherung haben.
Es hilft auch, Geflüchtete besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir haben die rechtlichen Voraussetzungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt unmittelbar geschaffen, und wir werden jetzt praktische Hürden beiseiteräumen.
Ich war gestern im Welcome Center der Deutschen Bahn AG unmittelbar vor dem Hauptbahnhof in Berlin. Die Deutsche Bahn AG engagiert sich zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit dafür, dass Geflüchtete hier Arbeit finden können. Ich habe zwei Frauen kennengelernt, denen das geholfen hat. Eine von ihnen hatte bei der ukrainischen Bahn gearbeitet und hat jetzt als Elektrikerin bei der Deutschen Bahn AG eine Arbeit gefunden. Die andere hatte als Juristin in ihrer Heimat gearbeitet und hilft jetzt bei der Deutschen Bahn AG mit, Fachkräfte anzuwerben. Das sind zwei kleine Beispiele. Es wird eine große Anstrengung, bei der wir vor allen Dingen dafür sorgen müssen, dass die Menschen Zugang zu Sprache haben, dass wir Berufsanerkennung beschleunigen, dass Kinderbetreuung gewährleistet ist und dass wir den Menschen tatsächlich eine ordentliche Perspektive auch auf dem Arbeitsmarkt geben.
Zusammenfassend also: Wir als Arbeitsministerium sind stark im Krisenmanagement involviert. Wir versuchen aber, aus der Krise auch immer Fortschritt zu machen. Denn das, was wir zum Beispiel bei der beschleunigten Berufsanerkennung für den Arbeitsmarkt jetzt gut hinkriegen, brauchen wir übrigens auch dauerhaft für die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Also: Krise meistern und Fortschritt machen – das ist unser Motto.
Jetzt freue ich mich auf Ihre Fragen."
Die Bundesregierung
Bild: Hubertus Heil/BMAS/Dominik Butzmann