Drei Wochen vor der Parlamentswahl hat Frankreich eine neue Regierung. Inmitten des russischen Angriffskrieges in der Ukraine wurden sowohl Außen- als auch Verteidigungsministerium neu besetzt. Zur neuen Außenministerin ernannte Präsident Emmanuel Macron am Freitag die bisherige Botschafterin in London, Catherine Colonna. Neuer Verteidigungsminister wird der 35 Jahre alte Sébastien Lecornu. Das Kabinett umfasst auch mehrere Politiker mit Migrationshintergrund.
Colonna ist erst die zweite Frau an der Spitze des französischen Außenministeriums. Sie war zuvor unter anderem Sprecherin von Präsident Jacques Chirac und Botschafterin in Rom. Der für Europa zuständige Staatssekretär Clément Beaune behält sein Ressort, wird aber zum Minister befördert. Er war als Amtskollege der Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) bislang auch für die deutsch-französischen Beziehungen zuständig und hat die Europapolitik Macrons maßgeblich geprägt.
Der neue Verteidigungsminister Lecornu war zuvor für Überseegebiete zuständig. Er ersetzt Florence Parly - ein anspruchsvoller Posten inmitten des Ukraine-Kriegs, in dem Frankreich Waffen an Kiew liefert und Führungsnation des Nato-Einsatzes im Ukraine-Nachbarland Rumänien sein will.
Zu den Neuzugängen mit Migrationshintergrund zählen Kulturministerin Rima Abdul Malak, die ihre Kindheit ihm Libanon verbracht hat. Bildungsminister Pap Ndiaye wiederum ist ein Historiker, der senegalesische Wurzeln hat und auf die Geschichte von Minderheiten spezialisiert ist.
Das Umweltministerium wird neu strukturiert: Die bisherige Ministerin für den öffentlichen Dienst, Amélie de Montchalin, ist künftig für Umweltpolitik zuständig. Agnès Pannier-Runacher, bislang Industrie-Ministerin, soll sich um die Energiewende kümmern. Die bereits am Dienstag ernannte Premierministerin Elisabeth Borne bekommt aber die Richtlinienkompetenz für die Umweltpolitik.
Einige Schwergewichte in der Regierung bleiben auf ihrem Posten, insbesondere Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, Innenminister Gérald Darmanin und Justizminister Eric Dupond-Moretti.
Um die Rentenreform soll sich der 43 Jahre alte Olivier Dussopt kümmern, der das Arbeitsministerium übernimmt. Er gehört einer linken Splitterpartei an. Als Überläufer von den Rechten kommt der bisherige Fraktionschef der Republikaner Daniel Abad ins Kabinett. Er wurde zum Minister für Solidarität ernannt.
Die Opposition kritisierte die Kabinettsumbildung. "Eine rechte Regierung, die sich über Umwelt und Soziales lustig macht", schrieb Grünen-Chef Julien Bayou auf Twitter. Nach Ansicht der Rechtspopulistin Marine Le Pen steht die neue Regierung für die "Inkompetenz und Arroganz Macrons". Alle, die gescheitert seien, hätten ihre Ämter behalten, erklärte sie.
Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, der sich selbst als Premierminister ins Gespräch gebracht hatte, zeigte sich überzeugt, dass die Regierung nach der Parlamentswahl komplett umgebildet werde. "In einem Monat ändert sich die Mehrheit im Parlament", erklärte er mit Zuversicht, die sich jedoch nicht aus den Umfragen ableiten lässt.
Der vor etwa vier Wochen wiedergewählte Macron hatte eine neue Regierung ernennen wollen, um ein Zeichen für einen politischen Neuanfang mit Blick auf die Parlamentswahlen zu setzen. Es wird damit gerechnet, dass das Kabinett nach der Parlamentswahl am 12. und 19. Juni noch aufgestockt wird.
Die neue Regierungsmannschaft ist mit neun Minister, acht Ministerinnen und einer Premierministerin paritätisch besetzt. Es kommen noch zehn beigeordnete Minister und Staatssekretäre hinzu, je fünf weibliche und männliche.
kol/jes
Ulrike KOLTERMANN / © Agence France-Presse