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"An Kindern geht gewaltbelastete Lebenssituation nicht spurlos vorüber"

LWL-Expertinnen beantworten Fragen zum Thema Partnerschaftsgewalt

Westfalen (lwl). Der Landesjugendhilfeausschuss des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) hat in Münster zum Thema Partnerschaftsgewalt Empfehlungen für Jugendämter verabschiedet. Die Empfehlungen haben das LWL-Landesjugendamt und das des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) erarbeitet und erscheinen in Kürze.


In NRW werden jährlich über 37.000 Menschen der Polizei bekannt, weil sie Gewalt durch ihren Partner oder ihre Partnerin erlebt haben. 83 Prozent der Opfer sind Frauen, knapp die Hälfte von ihnen wohnen mit ihren Kindern zusammen. Die miterlebte Gewalt beeinträchtigt die Lebensbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen oft sehr. Nicht selten richtet sich die Gewalt auch gegen die Kinder

Im Interview beantworten Dr. Monika Weber und Jutta Möllers zentrale Fragen zum Thema. Die beiden LWL-Expertinnen haben die Arbeitsgruppe geleitet, in der Fach- und Leitungskräfte aus zahlreichen Jugendämtern die Empfehlungen gemeinsam entwickelt haben.


Was ist überhaupt Partnerschaftsgewalt und wie sind Kinder davon betroffen?

Weber: Von Partnerschaftsgewalt spricht man, wenn jemand in einer partnerschaftlichen Beziehung Gewalt ausübt oder androht. Die Formen der Gewalt sind vielfältig und reichen von psychischer Gewalt durch Demütigungen oder übermäßige Kontrolle über körperliche Gewalt bis hin zu sexueller Nötigung oder Vergewaltigung.

Im Unterschied zu einem Streit tritt Partnergewalt wiederholt und häufig in immer kürzeren Abständen auf. Und: Die Beziehung ist nicht gleichberechtigt, sondern durch ein einseitiges Machtgefälle gekennzeichnet. Die Gewalt kann sich auch gegen die Ex-Partnerin oder den Ex-Partner richten. Gerade Trennungen bergen ein hohes Risiko, dass die Gewalt noch weiter eskaliert.

Dr. Monika Weber / privat

Möllers: An Kindern geht eine solch gewaltbelastete Lebenssituation niemals spurlos vorbei. Weil die Taten häufig in der eigenen Wohnung stattfinden, ist das Zuhause für sie kein Ort von Sicherheit und Geborgenheit. Sie haben massive Angst um Leib und Leben eines Elternteils und fürchten, selbst Opfer der Gewalt zu werden.

Häufig glauben Kinder, dass sie der Auslöser sind und suchen die Schuld bei sich. Die Situation überfordert sie. Sie erleben in der akuten Situation Gefühle intensiver Furcht, extremer Ohnmacht und Hilflosigkeit, Sie fühlen sich unter Druck, Partei ergreifen zu müssen. Loyalitätskonflikte sind die Folge. Die Bedrohung einer engen Bezugsperson erzeugt emotionalen Dauerstress.

Das Miterleben von Partnerschaftsgewalt wird deshalb heute als eine Form der Gewalt gegen Kinder und damit als Kindeswohlgefährdung anerkannt. Die Auswirkungen der miterlebten Gewalt sind je nach Alter des Kindes unterschiedlich. Ältere Kinder und Jugendliche fallen beispielsweise durch Probleme in der Schule auf oder flüchten sich in selbstverletzendes Verhalten oder Drogenkonsum.


Was passiert, wenn die Polizei zu einem Fall von häuslicher Gewalt gerufen wird und Kinder im Haushalt wohnen?

Weber: Seit der Einführung des Gewaltschutzgesetzes vor 20 Jahren gilt der Grundsatz "Wer schlägt, muss gehen". Die Polizei stellt eine Strafanzeige und kann den Täter für zunächst zehn Tage der Wohnung verweisen. Wenn Kinder in der Wohnung leben, wird immer das Jugendamt informiert, das sich in der Regel einen eigenen Eindruck von der Situation der Kinder verschafft.

Oft denken die Eltern, dass ihre Kinder nichts mitbekommen haben. Die Fachkräfte des Jugendamtes sensibilisieren die Eltern dafür, was die miterlebte Gewalt bei ihren Kindern auslöst. Das Kind soll in seinem Alltag mindestens eine Person haben, die an seiner Seite ist und mit der es über das Geschehene sprechen kann. Dafür kann das Jugendamt Hilfsangebote wie z.B. Beratungsstellen, Hilfen direkt für die Familie oder einzelne Familienangehörige vermitteln oder selbst zur Verfügung stellen.

Wie können Personen aus dem Umfeld erkennen, dass Kinder von Partnerschaftsgewalt betroffen sind und wie handeln sie dann am besten?


Möllers: Mehr als jeder zehnte junge Mensch berichtet, wiederholt Gewalt zwischen den Eltern miterlebt zu haben. Der erste Schritt ist, sich überhaupt vorzustellen zu können, dass Gewalt zwischen Eltern für viele Kinder zum Alltag gehört. Es ist schon viel gewonnen, wenn Kinder eine Ansprechperson finden, die ihnen zuhört und ihnen glaubt.

Jutta Möllers / privat

Erzieher:innen und Lehrkräfte, Nachbar:innen und Familienangehörige können helfen, Hemmschwellen auch gegenüber dem Jugendamt abzubauen. Das Jugendamt berät die Kontakt- und Vertrauenspersonen von Kindern und Jugendlichen, wie sie mit entsprechenden Vermutungen umgehen können, kann aber auch den Betroffenen Hilfen vermitteln.


LWL