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Chemiker setzen Lichtenergie zur Herstellung kleiner Molekülringe ein

Das Team um Frank Glorius findet neuen Syntheseweg, um empfindliche Moleküle unter milden Reaktionsbedingungen herzustellen.

Auf der Suche nach neuen medizinischen Wirkstoffen werden Moleküle, deren Atome ringförmig miteinander verknüpft sind, immer wichtiger. Solche Ringsysteme besitzen besonders geeignete Eigenschaften für die Herstellung von Wirkstoffen und treiben die Entwicklung innovativer Behandlungen von bösartigen Tumoren, neurodegenerativen Erkrankungen und Infektionskrankheiten an. Chemikern um Prof. Dr. Frank Glorius von der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster ist es nun gelungen, neue medizinisch relevante kleine Molekülringe zu synthetisieren, die schwierig herzustellen sind, weil sie besonders empfindlich sind. Die Arbeit wurde in der Fachzeitschrift „Nature Catalysis“ veröffentlicht.

Das Reaktionsgemisch wird mit flüssigem Stickstoff eingefroren, um die sauerstoffhaltige Atmosphäre durch das reaktionsträge Edelgas Argon zu ersetzen / © WWU – Peter Bellotti

Unter Chemikern gilt insbesondere die Synthese kleiner Ringsysteme aus sogenannten aromatischen Verbindungen als schwierig. Außerdem wird dafür besonders viel Energie benötigt. Eine weitere Hürde: Die Energie muss selektiv an die Ausgangsstoffe abgegeben werden, nicht aber an die hitzeempfindlichen Produkte. Das Team um Frank Glorius hat nun eine Strategie entwickelt, bei dem sichtbares Licht als kostengünstige Energiequelle einen Photokatalysator aktiviert, der die Reaktion antreibt. Der Photokatalysator absorbiert das Licht und überträgt dessen Energie auf die Ausgangsstoffe. Auf diese Weise ermöglicht er eine hocheffiziente und milde Synthese, die nicht oder kaum mit unerwünschten Nebenreaktionen einhergeht.

Die Reaktion wird mit blauem Licht bestrahlt, das mit Hochleistungs-LEDs erzeugt wird, damit der Cycloadditionsprozess abläuft / © WWU – Peter Bellotti

„Wir sehen unsere Studie als einen Durchbruch in der Synthesechemie“, unterstreicht Erstautor Dr. Jiajia Ma. „Sie zeigt, dass man Lichtenergie gezielt zur Erzeugung kleiner Ringsysteme einsetzen kann. Dass wir durch verschiedene Reaktionspartner unterschiedliche kleine Ringsysteme herstellen können, bietet viele Möglichkeiten für die Herstellung von Wirkstoffen.“ Als Ausgangsstoffe haben die Chemiker ausschließlich leicht verfügbare und kostengünstige Rohstoffe eingesetzt.

Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit Prof. Kendall Houk, einem weltweit anerkannten Experten für Computerchemie von der University of California in Los Angeles (USA), der seine Computerberechnungen in Kooperation mit Prof. Shuming Chen vom renommierten Oberlin College in Ohio durchführte. Gemeinsam gelang es den Wissenschaftlern, den zugrundeliegenden Reaktionsmechanismus zu erklären.

Das Reaktionsgefäß, das die Reaktionskomponenten und den in dem Lösungsmittel Hexafluorisopropanol gelösten Photokatalysator enthält, wird an den sogenannten Argon-Vakuum-Verteiler angeschlossen / © WWU – Peter Bellotti

Die Arbeitsgruppe von Frank Glorius erhielt finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (SFB 858, Leibniz-Preis) und durch den Europäischen Forschungsrat (ERC Advanced Grant Agreement Nr. 788558). Die Gruppe von Kendall Houk wurde von der National Science Foundation (Grant CHE-1764328) gefördert.


WWU

Foto: Kristallstrukturen von zwei Produkten aus der Cycloaddition. Links: ein einzigartiges kondensiertes fünf-, vier- und dreigliedriges Ringsystem; rechts: ein vier- und sechsgliedriges Gerüst. Die Kohlenstoffatome sind grau, die Wasserstoffatome weiß, die Stickstoffatome blau, die Sauerstoffatome rot und die Chloratome grün dargestellt / © WWU – Peter Bellotti