Was konnte man im Laufe von vier Dekaden an der WWU nicht alles auf seine Visitenkarte schreiben! Er ist Diplom-Geologe, er arbeitete als Expeditionsleiter, er ist ein gefragter Ideengeber, Kulturmanager sowie Wissenschaftskommunikator – und vieles mehr. Zum 1. Juni kommt für den langjährigen Leiter der Arbeitsstelle Forschungstransfer (AFO), Dr. Wilhelm Bauhus, eine neue Rolle hinzu: Ruheständler. Eine Ära neigt sich dem Ende zu, geprägt von seiner ansteckenden Begeisterung für die Wissenschaft, aus der mehrere neue Konzepte der Wissenschaftskommunikation entstanden sind.
In der „Expedition Münsterland“ schaut Wilhelm Bauhus mit Studierenden und Wissenschaftlern, was es in der Region zu entdecken gibt: Spuren jüdischen Lebens zum Beispiel in Steinfurt, Telgte und Münster. Eine „Expedition zum Frieden“ befasste sich mit dem Abschuss sogenannter V2-Raketen im Zweiten Weltkrieg auf das belgische Antwerpen vom Münsterland aus. Eine der ersten Expeditionen im Jahr 2010 beschäftigte sich mit den Folgen des Klimawandels in der Region. Später folgte ein Ausstellungsprojekt über Armut in einer reichen Stadt, das Porträts mit Interviews von Betroffenen zeigte – im ehemaligen Tresorkeller einer Bank. „Orte spielen eine wichtige Rolle für den Wissenschaftstransfer“, ist Wilhelm Bauhus überzeugt. „Das stiftet Identität und schafft eine neue Erinnerungskultur.“ Nach seinem Studium der Geologie und Geochemie an der WWU arbeitete er ab Mitte der 1980er-Jahre als Transferberater und stellvertretender Leiter der AFO, die er von 1990 bis 2021 leitete. Beruflich und bei seinen Hobbys, dem Reisen und der intensiven Beschäftigung mit Geschichte, steht die Begeisterung für außergewöhnliche Orte häufig im Mittelpunkt. Wilhelm Bauhus ist ein Suchender, und er wird oft fündig. Beispielsweise in Antiquariaten.
Das passt gut zur Reihe „x_Orte“. Darin machen die AFO-Mitarbeiter in Kooperation mit zahlreichen Universitätsinstituten auf Schauplätze aufmerksam, die eine besondere historische, ökologische oder technologische Bedeutung haben. „Diese Orte sind in Vergessenheit geraten oder bewusst unscheinbar angelegt“, sagt Wilhelm Bauhus. Als seine beiden mittlerweile erwachsenen Söhne noch klein waren, hielt er mit ihnen am Wochenende regelmäßig auf Ausflügen Ausschau nach interessanten Schauplätzen. „Manchmal haben wir an die Türen von Bauernhöfen oder Nachbarn geklopft und die Menschen als Zeitzeugen befragt.“
Heute erhalte er monatlich einen Tipp aus der Bevölkerung für diese Reihe. Das Team der AFO recherchiert mit Wissenschaftlern und sachkundigen Bürgern die Hintergründe. Eine „x_Orte“-Ausstellung wandert durch die Museen und Kulturhäuser der Region. Auf reges Interesse stießen auch die Thementage und Exkursionen, etwa zum Strontianit-Abbau im 19. Jahrhundert. Eine von Wilhelm Bauhus ersonnene Bustour soll später übrigens fast identisch im Angebot eines kommerziellen Reiseanbieters aufgetaucht sein ...
„Meine größte berufliche Herausforderung war es, unser Format des Ideen-Minings im japanischen Hiroshima vorzustellen“, berichtet Wilhelm Bauhus. Beim Ideen-Mining widmet sich ein kreatives Team aus unterschiedlichen Fachbereichen einen Tag lang einem Problem beziehungsweise einer diffizilen Frage – professionelle Moderatoren leiten diesen produktiven Prozess, der sich zu einem Exportschlager entwickelt hat. An japanischen Universitäten herrscht allerdings traditionell eine vergleichsweise große Strenge, der Respekt vor Hierarchien ist ausgeprägt – es war fraglich, ob all dies zum üblichen und bewährten „Kreativ-Gewusel“ des Ideen-Minings passt. Es passte. Wilhelm Bauhus freut sich vor allem darüber, dass mehrere Ideen-Mining-Methoden feste Bestandteile des dortigen Promotionsstudiums geworden sind. Studierende und Universitätsangehörige erarbeiteten beispielsweise nach dem AFO-Vorbild für die Insel Miyajima im Pazifik einen bioinspirierten Wanderweg zu versteckten Naturphänomenen. „Überirdisch schön“, schwärmt Wilhelm Bauhus.
Wenn er die Entwicklung an der Universität Münster vor allem in den vergangenen zehn Jahren betrachtet, denkt der ehemalige Leiter der AFO insbesondere an die gestiegene Bedeutung von Wissenschaftskommunikation und Bürgerwissenschaftsprojekten (Citizen Science). Wichtig ist ihm eine aktive Bürgerbeteiligung in allen Phasen der Forschung. „Es gibt viel positive Neugier in der Bevölkerung, es entsteht Reibung – man macht mit und wird nicht nur belehrt“, hat Wilhelm Bauhus dabei immer wieder beobachtet. Er ist dankbar für das „hohe Grundvertrauen“ des Rektorats in die Arbeit der AFO. „Das hat uns viel Freiheit gegeben, auch in der Lehre.“ In einem Seminar über den sogenannten „Fast-Fashion“-Trend hätten die Teilnehmer regionale Alternativen zu Fasern aus Baumwolle kennengelernt, etwa Hanf, Brennnessel und Leinen. Gerne integrierte Wilhelm Bauhus Kunst in seine Projekte, zum Beispiel im „Schattenkrampf“-Workshop. Die dabei entstandenen überdimensionalen Figuren zum Phänomen der Mutterkornvergiftung sind noch bis Anfang Oktober im Haus der Wissenschaft in Darfeld zu sehen.
Neben vielen einprägsamen Erlebnissen in seinen rund 40 Universitätsjahren erinnert sich Wilhelm Bauhus auch an einige Schreckmomente. So hätte er nach einer Masterclass im brasilianischen Florianópolis beinahe seinen Flieger verpasst, weil einem Zollbeamten ein metallischer Gegenstand in seinem Gepäck verdächtig vorkam. Wilhelm Bauhus konnte die Beamten aber davon überzeugen, dass es sich lediglich um eine an der WWU entwickelte Prothese handelte, mit der er den Studierenden den praktischen Nutzen bioinspirierter Forschung demonstriert hatte.
Nun freut sich Wilhelm Bauhus vor allem auf mehr Zeit für seine Familie. Trotzdem möchte er seine Expertise für Veranstaltungsformate im Münsterland weiter einbringen – als Selbstständiger. Auf seinen Touren begleitet ihn bereits seit gut zwei Jahren sein Dackel Eddi – das AFO-Team hat den Vierbeiner längst als ehrenamtliches Teammitglied der Expedition Münsterland akzeptiert.
WWU
Foto: Auch im Ruhestand möchte Dr. Wilhelm Bauhus weiterhin auf Entdeckerkurs im Münsterland unterwegs sein / © WWU - Peter Leßmann