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Navigation und Quantensensorik in der Raumfahrt

Die DLR eröffnet ein Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik in Hannover.

Zentimetergenaue Navigation, ein abhörsicheres Internet oder autonome Steuerung von Fahrzeugen ohne Funkverbindung – das Versprechen neuartige Instrumente auf Basis quantenmechanischer Verfahren und Methoden. Das Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hannover entwickelt solche Technologien. Am 30. Mai 2022 wurde das Institut offiziell eröffnet. Zukünftig sollen rund 100 Mitarbeiter in sechs Abteilungen an den Standorten Hannover und Bremen tätig sein.

Quantentechnologien werden die Welt verändern

„Quantentechnologien werden die Welt dramatisch verändern“, sagte Prof. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des DLR anlässlich der Eröffnung, „Mit satellitengestützter Satellitengeodäsie und der Inertialsensorik, wird es uns zukünftig möglich sein, den Klimawandel zu beobachten, Masseveränderungen der Eismassen zu vermessen und Rückschlüsse auf den Haushalt des Grundwassers zu ziehen.“

Die Lösung gesellschaftsrelevanter Herausforderungen wie Klimawandel, Wasserressourcen, Energieversorgung, Digitalisierung, zukünftige Mobilität und Sicherheit wird von den Innovationen der Quantentechnologie und Quantensensorik profitieren. Dasselbe gilt für zukünftige Raum-fahrtmissionen. So werden die Quantenmetrologie und die mit ihr eng verbundene Quantensensorik neue Präzisionsstandards setzen und neue Anwendungsfelder erschließen, deren Potenzial heute beispielsweise für zukünftige autonome Systeme noch nicht absehbar ist. Mit Quantentechnologie modernisierte Satelliten sowie innovative neue Satellitenkonzepte werden um Größenordnungen leistungsfähiger als die aktuelle Generation sein.

Quantenforschung in Niedersachsen und Bremen stark vertreten

Mit der Gründung des DLR-Instituts für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik im Sommer 2019 hat sich das DLR eine gute Position geschaffen, um diese Entwicklung für die Lösung gesellschaftlicher Fragen auch dank eines aktiven Technologietransfers für den Wirtschaftsstandort Deutschland mit zu steuern. Eingebettet in ein renommiertes wissenschaftliches und infrastrukturelles Umfeld in Hannover und Bremen, wird das DLR den Transfer aus der hier stark vertretenen quantentechnologischen Grundlagenforschung in innovative Anwendung gemeinsam mit der Industrie gestalten.

Auch für die satellitengestützte Erdbeobachtung, Kommunikation und Navigation bietet die Quantensensorik ein großes Potenzial. Quanteneigenschaften (wie die quantenmechanische Verschränkung und das Superpositionsprinzip oder Methoden der Materiewellen-Interferometrie) ermöglichen die Entwicklung von neuartigen, hoch empfindlichen und sichereren Sensoren. Quantensensorik basierend auf der Materiewellen-Interferometrie ermöglicht, Rotation und Beschleunigung mit beispielloser Langzeitstabilität zu messen und kann beispielsweise zur Flugstabilisierung und -navigation eingesetzt werden. Eine Weiterentwicklung dieser Technologie verspricht zukünftige hochpräzise Lageregelung von Satelliten, zur Abstandsregelung bei Formationsflügen eines Satellitenschwarms oder auch zur präzisen Schwerefeldvermessung der Erde oder anderer Himmelskörper.

So genannte optische Atomuhren mit lasergekühlten Quantengasen bieten um Größenordnungen höhere Genauigkeit für zukünftige raum-zeitliche terrestrische und weltraum-basierte Navigationssysteme. Zu den neuen Möglichkeiten zählen unter anderem relativistische Geodäsie (global geodätische Höhenprofile mit Genauigkeit im Zentimeter-Bereich), ein sicheres Internet und komplexe Netzwerk-Topologien.

Eine anstehende Mission des Instituts ist das Experiment BECCAL (Bose-Einstein-Condensate & Cold Atom Laboratory), dass 2026 auf die Internationale Raumstation ISS gebracht werden soll. BECCAL ist ein gemeinsames Projekt mit der NASA. Dieses Projekt, bei dem internationale Forschergruppen vielfältige Experimente in Schwerelosigkeit durchführen werden, ist gleichzeitig auch eine Demonstrationsmission, die die Reife und die Möglichkeiten dieser Technologie zeigen wird.

Das Land Niedersachsen hat im Vorfeld der Gründung zwei Millionen Euro in die Aufbauplanung des Instituts investiert und für den Aufbau des Instituts insgesamt weitere 17 Millionen Euro bewilligt. Zukünftig wird das Institut mit jährlich zehn Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), 890.000 Euro aus Mitteln des Landes Niedersachsen sowie 220.000 Euro aus Mitteln des Landes Bremen finanziert.

Zitate:

Dr. Anna Christmann, Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: „Quantentechnologien zählen zweifelsohne zu den Schlüsseltechnologien für die Lösung der großen Herausforderungen. Quantenbasierte Technologien wie die Quantensensorik werden in Zukunft von erheblicher Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland aber auch zur Bewältigung der Klimakrise sein. Das neue Institut in Kooperation mit den starken Forschungsstandorten in Hannover und Bremen wird die gesamte Bandbreite der Wertschöpfungskette von den quantenphysikalischen Grundlagen bis zu praktischen Anwendungen bedienen. Die Technologietransferprozesse des DLR spielen hierbei eine maßgebliche Rolle."

Björn Thümler, Minister für Wissenschaft und Kultur des Landes Niedersachsen: „Die Erforschung der Quantenwissenschaften mit ihren Phänomenen und Methoden wird einer der wichtigsten Treiber für Innovationen, neue Technologien und zukünftiges Wirtschaftswachstum sein. Die Suche nach Lösungen für gesellschaftsrelevante Herausforderungen – wie Klimawandel, Wasserressourcen, Energieversorgung, Digitalisierung, Mobilität und Sicherheit – wird von neuen Erkenntnissen in der Quantentechnologie und Quantensensorik, nach denen im DLR-Institut in Hannover gestrebt wird, erheblich profitieren. Innovationen in den Quantenwissenschaften werden zudem in zukünftigen Raumfahrtmissionen neue Perspektiven eröffnen.“

Claudia Schilling, Senatorin für Wissenschaft und Häfen sowie Senatorin für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen: „Bremen verfügt über eine ausgezeichnete Forschungslandschaft und ist mit dem ZARM, dem DLR-Institut für Raumfahrtsysteme und dem Fallturm auch in der Raumfahrtforschung bestens aufgestellt. Daneben gibt es namhafte Industrieunternehmen, die in diesem Bereich auch international hervorragend ausgewiesen sind, wie zum Beispiel die Unternehmen Airbus Group oder OHB SE. Seit vielen Jahren gibt es eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen ForscherInnengruppen aus Hannover und Bremen, die in dem QUANTUS-Konsortium maßgeblich an der Entwicklung und Erprobung weltweit erster weltraumtauglicher Quantensensoren für die Gravimetrie und Inertialsensorik kooperierten. Es war daher eine Win-win-Situation für beide Seiten, dass das neue DLR-Institut für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik an beiden Standorten beheimatet ist. Es ist bezeichnend, dass Forschende beider Standorte inzwischen mit Gremien der EU-Kommission, der ESA und der NASA auf Augenhöhe mit internationalen Spitzenforschungseinrichtungen zusammenarbeiten, um die innovativen Lösungen der satellitenbasierten Quantensensorik möglichst bald in den Weltraum zu bringen. Das BECCAL-Projekt ist hierfür ein exzellentes Beispiel.“

Volker Epping, Präsident Leibniz Universität Hannover (LUH): „Das DLR-Institut in Hannover bietet hervorragende Synergien, beispielsweise zur Forschung in den Quantentechnologien der Leibniz Universität. Die Stärke sowohl in der Geodäsie als auch in der quantentechnologischen Grundlagenforschung ergänzt sich dabei ideal mit den Anwendungsfeldern der Quantensensorik, gefördert durch das DLR-Institut. Dies erhöht auf beiden Seiten auch die Attraktivität für den Forschungsnachwuchs, nicht zuletzt durch den Bezug zu Weltraummissionen."

Dr. Ronald Holzwarth, Geschäftsführer, Menlo Systems GmbH: „Der High-Tech-Bereich der nationalen Wirtschaft hat das große Potenzial der Quantentechnologien für den Wirtschaftsstandort Deutschland erkannt. Die Wirtschaft steht hier auch im direkten internationalen Wettbewerb, nicht nur um die stark nachgefragten Fachkräfte, sondern auch den Zugang zum Knowhow im Spitzentechnologie-Bereich. Das neue DLR-Institut bietet hier erstklassige Anknüpfungspunkte mit der Industrie, auch um Innovationen aus dem Bereich der Quantentechnologien und insbesondere der Quantensensorik in den Markt zu bringen. Dabei erschließt das DLR-Institut die gesamte Vielfalt quantenphysikalischer Methoden und Techniken für bahnbrechende Entwicklungen.“ 


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Bild: Sys­tem Er­de - Sym­bol­bild/© DLR