Bei europaweiten Ermittlungen gegen auf der sogenannten Balkanroute tätige Schleusernetzwerke hat die Bundespolizei fünf mutmaßliche Bandenchefs und 19 mutmaßliche Mittäter festgenommen. Der Schmugglerring sei für die illegale Einreise von mindestens zehntausend Menschen unter unmenschlichen und teils lebensgefährlichen Bedingungen nach Mittel- und Westeuropa verantwortlich, teilte die Bundespolizei am Freitag in Potsdam mit. Die Festnahmen erfolgten demnach seit dem Sommer vergangenen Jahres.
Die Bundespolizei handelte nach eigenen Angaben als Teil eines größeren länderübergreifenden Ermittlerverbunds, an dem sich auch Strafverfolger in Österreich, Serbien, Ungarn, den Niederlanden und Rumänien beteiligten. Die von der europäischen Polizeibehörde Europol koordinierte Taskforce führte 39 Ermittlungsverfahren, von denen 15 auf Deutschland entfielen. In allen Ländern zusammen wurden demnach bisher acht Schlüsselfiguren und 126 mutmaßliche Mittäter gefasst.
Die Festnahmen und Durchsuchungen erfolgten seit Sommer 2021 bei verschiedenen international koordinierten Zugriffsaktionen, die Ermittlungen liefen bereits seit 2020. Vollstreckt wurden dabei auf deutscher Seite 70 Durchsuchungsbeschlüsse in Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Bei den Razzien beschlagnahmten Beamte in der Bundesrepublik demnach auch Vermögen von mehr als 600.000 Euro.
Das hochprofessionelle Menschenschmugglernetz aus dem Bereich der internationalen Kriminalität organisierte laut Ermittlern die Schleusung von Menschen insbesondere aus Syrien und der Türkei mit Autos sowie Lastwagen über die sogenannte Balkanroute. Zielländer waren unter anderem Österreich und Deutschland. Allein auf die Bundesrepublik entfielen etwa 2000 der mindestens zehntausend mutmaßlichen Taten. Die Schleusungsfahrten seien "unter teils lebensgefährdenden und unmenschlichen Bedingungen" erfolgt.
Laut Bundespolizei arbeiteten die Schleusernetzwerke arbeitsteilig wie legale Reiseunternehmen mit eigener Logistik. Sie betrieben unter anderem Transportfirmen mit eigenen Fahrern und Unterkünfte entlang der Route, die von der Türkei über den Balkan in die EU führt. Ihre Dienste boten sie über Social- Media-Kanäle an. Die Bezahlung erfolgte dabei über das sogenannte Hawala-Finanzsystem.
Nach Angaben bayerischer Staatsanwaltschaften und der Münchner Bundespolizei bearbeiteten diese im Rahmen der Taskforce fünf Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder mehrere Schleuserringe, die weit mehr als tausend Menschen illegal geschmuggelt haben sollen. Die Beschuldigten hätten sich dabei "teilweise gewalttätiger und erniedrigender Methoden sowie konspirativer Vorgehensweisen" bedient, teilten die bayerischen Ermittler weiter mit.
Allein in diesen Fällen wurden demnach 45 Durchsuchungsbeschlüsse sowie 16 Haftbefehle vollstreckt. Mehrere geständige Täter seien bereits rechtskräftig zu Haftstrafen verurteilt worden, in anderen Fällen stehe die Anklageerhebung bevor. Ermittlungen seien unter anderem auch wegen Geldwäsche und des unerlaubten Erbringens von Zahlungsdienstleistungen geführt worden. Dabei sei es um jene Verdächtigen gegangen, die das Bezahlsystem der Netze betrieben.
Laut Staatsanwaltschaften und Bundespolizei in Bayern ließen sich bei den Schmugglerringen komplette Schleusungen ebenso buchen wie etappenweise Transporte. Dafür hatte die Bande ein regelrechtes Netzwerk aus "Subunternehmen", welche die entsprechenden Fahrer stellten. Das Geld konnten Geschleusten vorab in verschiedenen Büros hinterlegen und nach Erreichen des Ziels dann freigeben.
bro/cfm
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