Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben sie lang ersehnt, nun wird sie angeschafft: Nach einer Bewilligung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) erhalten WWU-Forscher eine Geräteausstattung für Hochleistungs-Kryo-Elektronenmikroskopie. Damit wird es den Forschern möglich sein, molekulare Prozesse sichtbar zu machen – zum Beispiel in Körperzellen – und Partikel wie Viren oder synthetische Nanostrukturen dreidimensional zu untersuchen, bis hin zu einzelnen Atomen. Für die Präparationsinstrumente und das hochauflösende Mikroskop der neuesten Generation, die in einem eigens dafür gebauten Labor im Center for Soft Nanoscience (SoN) der WWU stehen werden, stellen die DFG und das Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Förderprogramms „Forschungsgroßgeräte“ insgesamt 7,5 Millionen Euro zur Verfügung.
Bislang gibt es kein vergleichbares Kryo-Elektronenmikroskop an der Universität Münster. Auch die wenigsten anderen deutschen Hochschulen haben Zugang zu einer Kryo-Elektronenmikroskopie-Ausstattung dieser Leistungsklasse. „Dabei gilt die WWU in den Bereichen ‚Zelldynamik und Bildgebung‘ und Nanowissenschaften weltweit zu den führenden Hochschulen. Der Bedarf, diese hochmoderne Schlüsseltechnologie zu nutzen, ist immens“, unterstreicht Prof. Dr. Monika Stoll, Prorektorin für Forschung. „Das Gerät ist eine Voraussetzung dafür, dass die WWU auf dem Gebiet der multiskaligen Bildgebung in der internationalen Forschungslandschaft wettbewerbsfähig bleibt.“
Das neue Kryo-Elektronenmikroskop wird eines der leistungsstärksten Geräte dieser Art im universitären Raum in Deutschland sein. Die Ausstattung umfasst auch ein automatisiertes Screening-Elektronenmikroskop, das eine optimale Vorauswahl der Proben ermöglicht, und ein Kryo-fokussiertes-Ionenstrahl-/Rasterelektronenmikroskop, das zur Präparation der Proben benötigt wird. Fast 20 Arbeitsgruppen aus den Fakultäten für Medizin, Biologie sowie Chemie und Pharmazie werden dieses Instrumentarium nutzen. Auch die assoziierten Sonderforschungsbereiche (SFB) 1450 „inSight“, 1348 „Dynamische zelluläre Grenzflächen“, 1009 „Breaking Barriers“ und 1459 „Intelligente Materie“ sowie das „Cells in Motion Interfaculty Centre“ der WWU werden von den einzigartigen Vorteilen der Methode profitieren. Federführender Antragsteller und hauptverantwortlich für die Großgeräte ist Prof. Dr. Christos Gatsogiannis vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik (Medizinische Fakultät).
Besondere Infrastruktur
Die besondere bauliche Ausstattung des SoN, das 2018 eingeweiht wurde, ist Voraussetzung für die Anschaffung des Mikroskops. Der Boden in dem Labor, in dem das Kryo-Elektronenmikroskop stehen wird, ist beispielsweise nahezu perfekt schwingungsgedämpft. Das ist nötig für den Betrieb des Geräts, da sonst bereits ein am Gebäude vorbeifahrendes Auto die aufwändigen und teuren Messungen zunichtemachen würde. Auch die Einrichtung der nötigen IT-Infrastruktur ist eine besondere Herausforderung: Das Gerät wird monatlich Hunderte von Terabytes an Bilddaten aufnehmen. Für die Prozessierung der Daten steht an der WWU der Hochleistungsrechner „PALMA II“ zur Verfügung.
Mikroskopieren bei tiefen Temperaturen
WWU
Bild: Molekulares 3D-Modell eines Toxins (Durchmesser acht Nanometer) aus kryo-elektronmikroskopischen Aufnahmen (im Hintergrund). Solche Studien werden bald an der WWU möglich sein / © Maximilian Rüttermann - AG Gatsogiannis