"Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Sicherheit und Frieden, das sind die zentralen Prioritäten der Bundesregierung in diesen schwierigen Zeiten. Das gilt – das ist in dieser Woche in der Rede des Bundeskanzlers deutlich geworden – nach außen; das muss aber auch nach innen gelten. Das gilt auch für die sozialen Aufgaben und Herausforderungen, vor denen unser Land steht.
Frau Kollegin, viele Menschen machen sich im Moment sehr, sehr große Sorgen – das ist vollkommen richtig –, wenn die Energiepreise steigen, nicht nur an der Zapfsäule, sondern auch vor der nächsten Heizrechnung. Viele Menschen machen sich Sorgen, wenn Lebensmittelpreise steigen, wenn ein Stück Butter mittlerweile fast drei Euro kostet. Menschen mit Ihrem Einkommen, Frau Launert, und mit meinem, die finden das ärgerlich, aber die können das tragen. Diese Bundesregierung sorgt für konkrete Entlastung für Menschen mit normalem und mit geringem Einkommen. Das ist unsere Priorität.
Denn es gilt, in diesen schwierigen Zeiten unsere Gesellschaft zusammenzuhalten. Ich will Ihnen sehr, sehr konkret sagen, was wir tun. Es ist der Dreiklang aus drei Dingen, die jetzt notwendig sind, um in diesen schwierigen Zeiten diese Gesellschaft zusammenzuhalten.
Erstens: Es geht um einen robusten Arbeitsmarkt und anständige Löhne. Und mit Blick auf die Zahlen dieser Woche können wir sagen: Bei aller Schwierigkeit der Preisentwicklung können wir sehr, sehr froh sein, dass wir nach zwei Jahren Coronakrise und in dieser Kriegskrise, die auch unsere Wirtschaft belastet, einen sehr robusten Arbeitsmarkt in Deutschland haben.
Wir haben am Dienstag die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg gehört. Wir sind bei der Arbeitslosenquote inzwischen wieder auf dem Wert vor der Coronakrise; wir sind bei 4,9 Prozent. Das ist kein deutsches Wunder; das ist das Ergebnis harter Arbeit, und der Einsatz von Kurzarbeit hat maßgeblich dazu beigetragen. Das war und ist ein richtiger Kurs.
Wenn wir aber darüber reden, wie wir in dieser Zeit die Gesellschaft zusammenhalten, dann hat das auch mit anständigen Löhnen zu tun. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir mit diesem Haushalt heute endlich in zweiter und dritter Lesung die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro beschließen. Herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen der Ampelkoalition dafür!
Ich will Ihnen mal konkret sagen, was das bedeutet. Diese Erhöhung auf zwölf Euro ab dem 1. Oktober – vorher wird der Mindestlohn übrigens schon zum 1. Juli auf 10,45 Euro angehoben – ist für viele Menschen, für sechs Millionen Menschen in Deutschland, vor allen Dingen übrigens für viele Frauen und für viele Beschäftigte in Ostdeutschland, möglicherweise der größte Lohnsprung – 22 Prozent – in ihrem Leben. Wer bisher Vollzeit auf Basis des Mindestlohns brutto 1.700 Euro im Monat verdient, der kriegt zukünftig 2.100 Euro. Das ist immer noch nicht die Welt, aber es ist spürbar im Portemonnaie, eine Verbesserung, die in dieser Zeit für Menschen wirksam wird, und das ist was anderes, als Ihr Gerede, Frau Launert.
Ich war im Februar in Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt in einer Bäckerei und habe mit einer Bäckereiverkäuferin, die davon profitieren wird, darüber gesprochen. Sie sagt: Ja, das ist etwas, was mir in diesen Zeiten das Leben ein Stück leichter macht, dass ich über die Runden komme. Aber es ist vor allen Dingen eine Frage des Respekts vor meiner Arbeit, vor dem, was ich und meine Kolleginnen hier leisten.
Ich war gestern in der Reinhardtstraße – übrigens, gegenüber der Parteizentrale der FDP, Lukas Köhler –, da gibt es einen Friseursalon. Ich habe mit der Friseurmeisterin gesprochen, Frau Speer, die in diesem Friseursalon mit einer Kollegin und einer Auszubildenden arbeitet. Ich habe sie gefragt: Mensch, ich höre jetzt immer von Arbeitgeberverbänden, dass es so ein Druck auf die Wirtschaft wäre, dass wir jetzt auf zwölf Euro gehen. Und die sagt: Ja, das ist eine Aufgabe für mich. Aber ich will, dass meine Beschäftigten anständig bezahlt werden. Ich will fairen Wettbewerb. Ich will nicht, dass Menschen, bei harter Arbeit im Friseurhandwerk, das ein ordentlicher Ausbildungsberuf ist, abgespeist werden mit Löhnen, mit denen sie nicht über die Runden kommen. Die Frau ist für den Mindestlohn von zwölf Euro.
Wir als Bundesregierung wissen aber auch, dass der Mindestlohn, der jetzt auf zwölf Euro steigt, immer nur eine absolute Lohnuntergrenze ist. Das Ziel der Bundesregierung ist nicht, dass alle zwölf Euro bekommen, sondern dass das die absolute Untergrenze ist.
Wir wollen auch wieder mehr Tariflöhne in Deutschland. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass Aufträge des Bundes zukünftig nur an Unternehmen gehen, die nach Tarif bezahlen. Das ist klar verankert im Koalitionsvertrag, und wir werden das durchsetzen.
Jetzt will ich mal was zur CDU/CSU sagen. Es ist Ihnen ja nicht vorzuwerfen, dass Sie 2015 eigentlich gegen die Einführung des Mindestlohns waren und dass meine Partei, die SPD, das damals mit Andrea Nahles gegen Sie durchsetzen musste. Das ist vollkommen in Ordnung; das ist Geschichte. – Nein, bleiben Sie sich doch mal treu. Im Bundestagswahlkampf waren Sie gegen den Mindestlohn von zwölf Euro; wir waren dafür.
Olaf Scholz hat als Kanzlerkandidat klar gesagt: Wenn die SPD gewählt wird, wenn er Bundeskanzler wird, wird der Mindestlohn auf zwölf Euro steigen. Die Menschen in Deutschland wissen: Ohne einen Bundeskanzler Olaf Scholz wäre der Mindestlohn jetzt nicht bei zwölf Euro im Oktober nächsten Jahres. Nicht mit Ihnen, mit uns wird das passieren, weil wir – das ist vielleicht ein Unterschied, Frau Launert; Sie haben über Vertrauen gesprochen – das, was wir vor der Wahl sagen, auch machen.
Jetzt will ich mir angucken, was Sie vor der NRW-Wahl gemacht haben. Vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl haben Herr Wüst und Herr Laumann und Herr Merz in einer Kölner Erklärung gesagt, Sie seien jetzt auch für zwölf Euro. Und dann ist in der CDU diskutiert worden, ob man zustimmt. Dann hat Herr Laumann gesagt, man werde zustimmen. Dann haben Sie Montag eine Fraktionssitzung gehabt, und das Ergebnis ist, dass Sie sich heute heldenhaft enthalten. Ich kann Ihnen sagen, dass ist peinlich an dieser Stelle.
Wenn es um Menschen geht, die ein kleines Einkommen haben, die hart arbeiten, dann ist Enthaltung keine Haltung. Das ist peinlich, was die CDU hier liefert. Das ist wirklich peinlich. Man kann ja eine Meinung vertreten, aber sich wegzuducken, in einer Zeit, in der Menschen darauf angewiesen sind, über die Runden zu kommen, ist keine Haltung.
Es geht um eine anständige Bezahlung in Deutschland. Es geht um einen stabilen Arbeitsmarkt. Es geht aber auch um ein Zweites: um gezielte Entlastung, die wir in diesem Sommer auf den Weg gebracht haben. Es geht auch um einen starken Sozialstaat, der sich tatsächlich nicht nur darum bemüht, sozialen Ausgleich zu organisieren, sondern auch darum, Lebensleistung zu honorieren.
Wir werden heute Nachmittag mit dem Rentenpaket I Gott sei Dank dafür sorgen, dass es die größte Rentenerhöhung seit 30 Jahren mit 6,1 Prozent in Ostdeutschland und 5,3 Prozent im Westen gibt. Ich sage Ihnen: Das ist in diesen Zeiten auch ein wichtiges Signal. Ich will Ihnen mal sagen: Wenn Sie nicht wissen, wie das Rentensystem funktioniert, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Aber Sie könnten sich das ja mal näher angucken.
Ich will Ihnen an dieser Stelle deutlich sagen: Das haben sich die Menschen auch verdient, weil die Renten der Lohnentwicklung und der Entwicklung am Arbeitsmarkt aus dem vergangenen Jahr folgen, und der Arbeitsmarkt ist Gott sei Dank stabil geblieben.
Wir müssen und werden den Sozialstaat aber auch weiterentwickeln: beispielsweise mit der Einführung des Bürgergeldes zum 1. Januar, mit einem Rentenpaket, das dafür sorgt, dass die Renten auch langfristig für alle Generationen stabil sind, dass die Menschen sich auf die Rente verlassen können, und zwar alle Generationen. Deshalb werden wir das Rentenniveau stabilisieren.
Der Bundeskanzler hat in seiner Rede in dieser Woche angesichts der aktuellen Lage Gewerkschaften, Arbeitgeber und den Staat zu einer konzertierten Aktion eingeladen. Alle werden ihren Beitrag leisten müssen, um in dieser schwierigen Zeit des Preisdrucks mitzuhelfen, dass diese Gesellschaft sozial zusammenhält. Da geht es um Löhne, da geht es um Entlastung, und es geht auch darum, dass der Sozialstaat funktioniert. Dafür steht diese Bundesregierung, das ist unsere Haltung. Ich bin den Koalitionsfraktionen dankbar nicht nur dafür, dass wir mit diesem Haushalt dafür sorgen, dass der Sozialstaat gut funktionieren kann und gut ausgestattet ist, sondern auch dafür, dass wir bei aller Notwendigkeit, die Krise zu managen, auch in diesen Zeiten nicht aus dem Blick verlieren: Es geht nicht nur um sozialen Ausgleich; uns als Koalition geht es auch um sozialen Fortschritt für Deutschland.
Herzlichen Dank."
Die Bundesregierung
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