"Frau Präsidentin!
Kollege Bury, ich habe Ihrem leidenschaftlichen Plädoyer gerne zugehört. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, teile ich auch in der Sache. Dennoch musste ich gerade noch mal im Volkshandbuch nachschauen. Dort habe ich gesehen: Das ist jetzt Ihre erste Wahlperiode. Deshalb können Sie nicht wissen, dass Sie viele Dinge kritisiert haben, die ich von der Vorgängerkoalition übernommen habe. Das will ich gerne an einigen wenigen Punkten deutlich machen.
Der erste Punkt: Wir haben diese Haushaltsberatungen ja in drei Phasen miteinander gestaltet. Die erste Phase war der zweite Regierungsentwurf 2022, der Entwurf der Ampelkoalition. Wir haben dort die Eckpunkte von 99,7 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme für 2022 fortgeschrieben. Aber anders als die Vorgängerkoalition haben wir andere Schwerpunkte gesetzt. Obwohl wir im zweiten Regierungsentwurf nicht einen Euro mehr Schulden geplant hatten als die Große Koalition, haben wir eine BAföG-Reform realisiert, haben wir mehr für den sozialen Wohnungsbau getan. Wir haben in Klimaschutz investiert, und wir haben den von CDU/CSU und SPD verantworteten Einkommensteuertarif an die Inflation angepasst, um die Menschen zu entlasten. Und das alles haben wir mit Ihren Eckpunkten getan. Damit kann ich sagen: Der zweite Regierungsentwurf 2022 war bereits der Beginn von Konsolidierungspolitik. Wir haben mir Ihren Eckpunkten mehr Qualität erreicht. Da sieht man: Es kommt eben auf den Koalitionspartner an, damit Gutes bewirkt werden kann.
Zum Zweiten: der Ergänzungshaushalt. Im Ergänzungshaushalt ist die eine Milliarde für die Ukraine enthalten. Im Ergänzungshaushalt sind die Wirtschaftshilfen enthalten. Im Ergänzungshaushalt sind die Entlastungsmaßnahmen enthalten, die wir doch alle brauchen – insgesamt 39 Milliarden Euro an Hilfen für Geflüchtete, Unterstützung im Inland, militärische Ertüchtigung, Solidarität mit der Ukraine. Nennen Sie eine Maßnahme daraus, die Sie nicht wollen oder die die von Ihnen regierten Länder nicht gerne mit umsetzen, wie zum Beispiel das 9-Euro-Ticket!
Deshalb haben wir 139 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme in einem Jahr von Krieg und Krise. Nur zum Vergleich: Wir planen jetzt mit 139 Milliarden Euro. Im letzten Haushalt der CDU-geführten Regierung 2021 war die Planzahl 240 Milliarden Euro. Ja, Finanzminister Scholz ist jetzt der Bundeskanzler. Wir haben jetzt eine andere Arbeitsteilung in der Regierung.
Jetzt kommen die 100 Milliarden Euro für das Sondervermögen Bundeswehr hinzu, dem Sie ja zustimmen. Sie stimmen zu. Sie halten das auch für erforderlich, weil wir damit ja eine jahrelange Vernachlässigung der Bundeswehr beenden. Haushaltspolitisch hat die Vernachlässigung der Bundeswehr noch eine andere Seite. Die Vernachlässigung der Bundeswehr hat doch über Jahre auch CDU-geführten Regierungen Verteilungsspielraum an anderer Stelle gebracht. Deshalb ist es nur richtig, dass Sie jetzt zustimmen, 100 Milliarden Euro in die Bundeswehr investieren. Damit bekennen Sie sich dazu, dass Sie sowohl für den Zustand der Bundeswehr als auch für die Finanzen dieses Landes, die Sie uns hinterlassen haben, Verantwortung haben.
Was ist nun die Alternative, die Sie angeboten haben? Sie wollen 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds abziehen und in diesem Jahr einsetzen. Dann fehlen uns in den nächsten Jahren wichtige transformative Investitionen. Vor allen Dingen aber klagen Sie, Herr Kollege Bury, gegen diese 60 Milliarden Euro. Das heißt: Die 60 Milliarden Euro, die es nach Ihrer Überzeugung gar nicht geben sollte, geben Sie trotzdem gerne aus. Wie widersprüchlich ist dies?
Jetzt werden alle Rücklagen aufgelöst, die wir von Ihnen übernommen haben. Wie wollen Sie denn den Haushalt 2023 aufstellen, ohne diese Rücklagen einzusetzen? Ich sage Ihnen: Wir machen es nicht wie mit der Tageszeitung. Ihre Haushaltsänderungsanträge landen nicht im Papierkorb; die kommen in die Wiedervorlage für die Haushaltsberatung 2023.
Ich komme zum Schluss. Bei alldem sind Sie in der Lage, immer noch mehr Ausgaben, mehr Entlastungen, mehr Subventionen über die Kreditanstalt für Wiederaufbau zu fordern. Sie wollen in der Haushaltspolitik Schäuble sein; das ist Ihr Anspruch. Aber die Realität ist nicht Schäuble. Die Realität ist: Sie gehen mit dem Geld der Menschen um wie der Jongleur auf der Strandpromenade von Sylt."
Die Bundesregierung
Foto: Bundesministerium der Finanzen / Photothek