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starke Gemeinschaft - kein Selbstläufer

Sina Schürer erzählt über Ausgrenzung und Zusammenhalt in Grundschulklassen.

Ablehnung und Ausgrenzung im schulischen Alltag können zu negativen Konsequenzen führen. Wissenschaftlerinnen der WWU gehen der Frage nach, wie der Klassenzusammenhalt gestärkt werden kann, sodass vor allem die wachsende Anzahl an Kindern mit besonderem Förderbedarf akzeptiert und integriert wird. Kathrin Kottke sprach mit Dr. Sina Schürer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Erziehungswissenschaft, über soziale Partizipation und was es in der Praxis benötigt, um eine gut funktionierende Klassengemeinschaft zu stärken.

Inklusive Bildung und Erziehung sind für Regelschulen gesetzlich verankert – soweit die Theorie. Was genau bedeutet das für die Praxis?

Das Hauptziel einer gelungenen schulischen Inklusion beinhaltet, dass alle Schülerinnen und Schüler in den Klassenverbund integriert sind und die Möglichkeit der sozialen Partizipation haben – unabhängig von ihrer Herkunft, Leistung, Förderbedarfen oder Einkommen der Eltern. Aus der empirischen Forschung wissen wir, dass die gemeinsame Beschulung keine hinreichende Bedingung für die soziale Partizipation aller Kinder darstellt.

Können Sie das genauer erläutern?

Die soziale Partizipation beschreibt die individuelle Einbindung jedes einzelnen Kindes in die Klassengemeinschaft. Konkret bedeutet eine gelungene soziale Partizipation, dass alle Kinder in positive Beziehungen und Interaktionen eingebunden sind und akzeptiert werden. Das ist essenziell für den Lernerfolg, das schulische Wohlbefinden und eine gesunde Entwicklung.

Warum werden dennoch bestimmte Kinder ausgegrenzt und fühlen sich nicht der Klassengemeinschaft zugehörig?

Ein zentraler Grund für Ausgrenzung und Ablehnung sind häufig Vorurteile. Wir beobachten, dass beispielsweise Kinder mit Migrationshintergrund oder Lernschwierigkeiten ausgegrenzt werden. Eine entscheidende Rolle, damit das nicht passiert, nimmt die schulische Organisation ein. Wenn zum Beispiel ein Sonderpädagoge bestimmte Kinder extra betreut und ergänzenden Unterricht im Nebenraum anbietet, dann kann dies dazu führen, dass die Mitschüler sie als ‚anders‘ wahrnehmen. Ein weiteres Beispiel ist die Feedback-Kultur der Lehrkräfte. Erhalten Kinder mit Lernschwierigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten vor der gesamten Klasse negative Rückmeldungen oder werden sogar ausgeschimpft, so kann dies bei den Mitschülern dazu führen, diese Kinder zu meiden.

Dr. Sina Schürer © privatSie beschäftigen sich mit der Bedeutung des Gruppenzusammenhalts in Schulklassen. Was zeichnet eine starke Gruppe aus und wie haben Sie das in der Praxis erforscht?

Im Laufe der Grundschulzeit aus einer heterogenen Gruppe von Kindern mit individuellen Bedürfnissen eine starke Gemeinschaft werden zu lassen, ist kein Selbstläufer. Wechselseitige Anerkennung und Respekt kennzeichnen einen starken Zusammenhalt in der Klasse ebenso wie Hilfsbereitschaft und Achtsamkeit. Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten SoPaKo-Projektes – ‚Soziale Partizipation durch Kohäsion‘ – haben wir in 54 Grundschulklassen den Zusammenhang zwischen der Klassenkohäsion und der individuellen sozialen Partizipation untersucht. Wir konnten zeigen, dass in Klassen mit einem guten Zusammenhalt die soziale Partizipation der einzelnen Kinder besser gelingt.

Daraus sind nun konkrete Praxisempfehlungen entstanden ...

Genau! Die Empfehlungen bauen sowohl auf den Erkenntnissen mit den schulischen Praxispartnern auf, als auch auf wissenschaftliche Theorien – beispielweise aus der Vorurteils- und Teamentwicklungsforschung. Unser Programm richtet sich an Grundschulklassen aller Jahrgangsstufen. Kernziel ist der Aufbau einer starken Klassengemeinschaft, von der alle Kinder profitieren sollen, ganz besonders aber diejenigen, die sonst eher am Rand stehen und wenig in das Klassengeschehen eingebunden sind.



WWU

 Bild: Anerkennung, Respekt sowie Hilfsbereitschaft und Achtsamkeit kennzeichnen einen starken Klassenzusammenhalt / © Unsplash - Anna Samoylova